Wohnungsbau:Mitten im Dachauer Dickicht

Wohnungsbau: SPD-Stadtrat Günter Heinritz fordert klare Regeln durch Bebauungspläne für die Dachauer Baupolitik.

SPD-Stadtrat Günter Heinritz fordert klare Regeln durch Bebauungspläne für die Dachauer Baupolitik.

(Foto: Toni Heigl)

Stadträte kommen mit den Plänen für mehr Wohnungsbau nicht voran, weil es an klaren Strukturen und Vorgaben fehlt. Jede Diskussion mündet in eine Endlosschleife aus dem Für und Wider einzelner Vorhaben

Von Viktoria Großmann, Dachau

Diskussionen über Wohnraum beginnen im Bauausschuss des Dachauer Stadtrats meist so: Wir sind uns einig, dass wir Wohnungen brauchen. Mit demselben Satz enden die Diskussionen auch. Dazwischen wird gerungen. Am Ende wird häufig nicht genehmigt. Gründe können veraltete Bebauungspläne sein. Häufig geht es darum, zu hohe oder zu dichte Bebauung zu vermeiden. Wobei zu hoch schon vier Stockwerke sein können.

Auf der Tagesordnung standen im jüngsten Bauausschuss sieben Bauvorhaben, drei davon wurden abgelehnt. Genehmigt wurden ein Doppelhaus in der Prälat-Wolker-Straße, die Aufstockung der Bürocontainer am Landratsamt, ein Erweiterungsbau der Firma Ecom an der Siemensstraße und - immerhin - ein Mehrfamilienhaus an der äußeren Münchner Straße. Es fügt sich mit seinen zwei Geschossen und Satteldach in die Einfamilienhausgegend ein. 17 Wohnungen sollen entstehen, dazu ein dreiteiliges Reihenhaus. Der parteilose Stadtrat und Bauingenieur Wolfgang Moll lobte den Entwurf als "intelligentes Konzept". Dem Antrag auf Vorbescheid der Josef Sellmair GmbH aus Petershausen wurde einstimmig entsprochen.

Trotzdem sind das Kleinigkeiten im Verhältnis zu dem, was noch möglich wäre. Zum Beispiel an der Schleißheimer Straße 84. Etwa 60 Wohnungen könnten hier entstehen. Die Mooseder GmbH aus Schwabhausen, die bereits auf dem Grundstück mit der Hausnummer 82 gebaut hat, möchte vier Wohnhäuser errichten. Nach Vorstellung des Bauherrn würden direkt an der Straße zwei Häuser mit drei Stockwerken und Dachgeschoss mit Satteldach entstehen. Verbunden wären die Häuser über einen Zwischenbau, wodurch die Front insgesamt knapp 52 Meter lang wäre. Das entspricht etwa der Länge des Hörhammerbräu in der Altstadt.

Klingt harmlos. Zu lang befand jedoch das Bauamt, und dem folgte schließlich der Bauausschuss. Das sei eine Riegelbebauung, für die es in der Umgebung noch keine Vorlage gebe. Die Bauherren hatten mit dem sogenannten Riegel auch einen Schallschutz für die dahinter liegenden Häuser schaffen wollen. Denn zurückliegend wollen sie zwei weitere kleinere und nur zweistöckige Häuser erreichten. Der Verwaltung und einigen Stadträten war das zu viel und zu dicht. Es sollte kein Präzedenzfall geschaffen werden. "Wir müssen hier über eine ganze Reihe von Bezugsfällen mitentscheiden", sagte Gertrud Schmidt-Podolsky (CSU). Es gehe um die "ganze Ecke, die hier noch frei ist". Bauamtsleiter Michael Simon wollte die Riegelbebauung auch deshalb nicht empfehlen, weil dann weitere, ähnliche Häuser nicht mehr zu verhindern wären. "Ich kann für solche Strukturen nicht stimmen", sagte Schmidt-Podolsky. Peter Strauch aus ihrer Fraktion sah das anders.

Leicht hatten es sich die Stadträte nicht gemacht, das Bauvorhaben stand nicht das erste Mal zur Debatte. Es wurde lange diskutiert, sogar, was in Dachau ungewöhnlich ist, eine Sitzungsunterbrechung beschlossen. Am Ende wurde dem Vorschlag der Verwaltung gegen vier Stimmen zugestimmt, die Bauherren müssen umplanen. Was dem Gelände aber eigentlich fehlt, ist ein Bebauungsplan. Gebaut werden darf an der Schleißheimer Straße 84 nach Paragraf 34 der Bauordnung. Dort heißt es "das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden". Ein Neubau muss sich in die Umgebung einfügen. Diese Umgebung wird zum Teil sehr eng bemessen. So gelten aus Sicht des Bauamts die Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite nicht als vergleichbar. Die nebenliegenden Nutzgebäude der Bauern aber schon.

"Hätte man hier von Anfang an einen Bebauungsplan gemacht, dann hätte man etwas Vernünftiges bauen können", sagt SPD-Stadtrat Günter Heinritz. In diesem Fall sei es dafür zu spät, doch er ermahnte seine Stadtratskollegen im Ausschuss, in Zukunft lieber gleich Bebauungspläne machen zu lassen.

Das dauert natürlich länger. Es bedeutet Arbeit für die Verwaltung und verzögert auch die Pläne des Bauherrn. Noch aus einem anderen Grund dringt Heinritz darauf: Nur so können die Grundsätze zur sozialgerechten Bodennutzung, welche die Stadträte im April verabschiedet haben, greifen. "Wir werden uns angewöhnen müssen, Bebauungspläne zu schaffen, sonst bleiben die Grundsätze wirkungslos", sagt Heinritz.

An anderer Stelle war den Stadträten ein bestehender Bebauungsplan im Weg. Zähneknirschend lehnten sie einstimmig ab, dass ein Wohnhaus in der Ludwig-Ernst-Straße um ein Stockwerk erhöht werden kann. Sechs neue Wohnungen sollten im neuen, vierten Geschoss des Hauses aus dem Jahr 1966 entstehen. Die Stadträte wollten dem Vorhaben gerne zustimmen. "Wir haben schon so viele Befreiungen von Bebauungsplänen ausgesprochen, warum nicht auch hier?", fragte Thomas Kreß (Grüne). "Der Bebauungsplan ist 52 Jahre alt. Wir brauchen die Wohnungen", schimpfte Claus Weber (FW). "Das betrifft drei Viertel von Dachau-Ost", fügte Schmidt-Podolsky einigermaßen entsetzt hinzu. Die Stadträte mussten sich jedoch von Bauamtsleiter Michael Simon darüber belehren lassen, dass diese Pläne "kein Mindesthaltbarkeitsdatum" haben. Aus rechtlicher Sicht sei es nicht möglich, dem Vorhaben zuzustimmen.

Zum Ausgleich hatte Simon jedoch vorgeschlagen, dass sein Amt eine Rahmenplanung für das Gebiet erstellt, um eine "geordnete und verträgliche Nachverdichtung" möglich zu machen. "Das wird aber wahrscheinlich wieder sehr lange dauern", sagte Schmidt-Podolsky. Günter Heinritz rechnet mit drei bis vier Jahren, bis es einen neuen Bebauungsplan gibt, nachdem jenes vierte Geschoss genehmigt werden könnte. Damit soll dann geregelt sein, wie das Viertel nachverdichtet werden kann, ohne dass beispielsweise Parkplätze allzu knapp werden.

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