Leuchtturmprojekt:Genossen gegen Wohnungsnot

Genossenschaft

CSU-Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath (2.v.r.) unterstützt die Gründung der Genossenschaft in Karlsfeld.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Gemeinsam wollen das Helios Amper-Klinikum, das Kursana-Pflegeheim und die Immobilien GmbH Flack Wohnungen anmieten und zu vertretbaren Preisen an stark nachgefragte Fachkräfte vermieten.

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Das Leben im Landkreis Dachau ist teuer. Wer nicht viel verdient, versucht in günstigeren Gegenden einen Arbeitsplatz zu finden. Besonders die hohen Mieten schrecken ab. Die Folgen sind gravierend: geschlossene Kindergartengruppen, verzweifelte Eltern, überlastete Pfleger, unzufriedene und wartende Patienten, geschlossene Stationen, in jüngster Zeit immer wieder auch Demonstrationen gegen den Pflegenotstand.

Mit der Genossenschaft zur Wohnungsvermittlung für Menschen in Sozial- und Gesundheitsfachberufen im Landkreis Dachau will man nun das Blatt wenden. Die Mitglieder dieser Genossenschaft wollen ihren Arbeitnehmern künftig bezahlbaren Wohnraum bieten, in der Hoffnung dann mehr Zusagen von Fachkräften zu bekommen.

Im Herbst soll die Genossenschaft ihre Arbeit aufnehmen

Am Montag haben das Helios Amper-Klinikum Dachau, Kursana Domizil Dachau, sowie die Immobilienvermittlung Flack in Karlsfeld die Genossenschaft gegründet. Caritas und Bayerisches Rotes Kreuz sind ebenfalls sehr interessiert, doch in den beiden Sozialverbänden haben noch nicht alle Gremien ihr Placet für einen Beitritt erteilt. Im Herbst soll das Pilotprojekt starten, das hofft jedenfalls Peter Lell, Immobilienmanager vom Helios Amper-Klinikum.

Seit mehr als zwei Jahren wabert die Idee bereits durch die Köpfe der Entscheidungsträger im Landkreis Dachau. Ausgangspunkt war die Zahl von 1800 leer stehenden Wohnungen im Landkreis. Das kann doch nicht sein in einer Gegend, in der die Wohnnot groß ist, dachten sich die Initiatoren. An die Leerstände will die Genossenschaft nun heran, ergründen warum dort niemand lebt und ob die Möglichkeit besteht, sie doch noch zu vermieten. Vor allem Ernst-Jakob Flack und seine Tochter Sabine Appel wollen sich um die Akquise kümmern. Immobilien und Hausverwaltung ist schließlich ihr Kerngeschäft. "Früher habe ich auch in einem sozialen Beruf gearbeitet", erklärt Flack. Jetzt sei er Mitglied der Genossenschaft geworden, um zu zeigen, dass er "auch als Immobilienfirma ein Interesse an bezahlbarem Wohnraum" habe, auch wenn ihm bewusst sei, dass er damit die Verteuerung auf dem Markt nicht aufhalten könne. Zuversichtlich stimmt ihn und auch die Genossen, dass Flacks Kunden bei einer Testanfrage sehr positiv reagiert hatten. "Mit zwei Eigentümern sind wir bereits im Gespräch", sagt Appel. Dabei handele es sich um vier Wohnungen in Dachau und Karlsfeld.

Die Genossenschaft will die Wohnungen anmieten und sie an ihre Arbeitnehmer untervermieten

Das Konzept sieht folgendermaßen aus: Die Genossenschaft will die Wohnungen anmieten, sie an ihre Arbeitnehmer untervermieten, eventuell subventioniert der entsprechende Arbeitgeber sie sogar. Der Arbeitnehmer, der im sozialen Bereich tätig ist, hätte den Vorteil, dass er sich nicht um eine Wohnung kümmern muss und diese auch noch in seinen finanziellen Rahmen passen würde. Der Vermieter bekommt das "Rundum-Sorglos-Paket". Er muss sich nicht mehr mit einem Mieter herumärgern, was viele als anstrengend empfinden und bekommt trotzdem sein Geld. Arbeitgeber und die Gesellschaft haben wieder ausreichend Pfleger und Erzieherinnen. Der Appell an alle Wohnungseigentümer lautet nun: "Habt ein Herz für soziale Berufe und vermietet an die Genossenschaft", sagte Seidenath am Montag.

"Es ist ein Leuchtturmprojekt für ganz Bayern. Es interessiert die Staatsregierung sehr." Der CSU-Politiker hatte es im Landtag vorgestellt und damit erreicht, dass es mit 60 000 Euro gefördert wird. "Der Fachkräftemangel zieht sich durch alle Bereiche. Die Situation ist jetzt schon dramatisch, aber es wird noch schlimmer", prophezeit er. 175 000 Einwohner leben im Landkreis, derzeit ist jeder Vierte über 60 Jahre alt. "2035 wird es jeder Dritte sein. Damit steigt der Pflegebedarf." Um mehr Arbeitskräfte zu haben, müsse man genügend Kinderbetreuungsplätze anbieten, damit auch die Mütter tätig sein könnten, so Seidenath.

Bevollmächtigter der Genossenschaft ist nun Peter Lell, als Vorstand wurde Sabine Appel gewählt. Die Genossen, die von dem Projekt profitieren müssen jeder 5400 Euro investieren.

Lell erwartet sich viel von der Genossenschaft. Allein die Klinik wird bis zu 40 Wohnungen brauchen, schätzt er. "In München ist es leichter Wohnungen für Mitarbeiter zu finden als im Landkreis", hat er festgestellt. Denn wer kein Auto hat und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, habe Probleme mit den Schichtzeiten der Klinik. Insofern sei die Genossenschaft ein echter Wettbewerbsvorteil.

Wer eine Wohnung anbieten will, kann sich unter Telefon 08131/275800 an Flack Immobilien wenden.

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