Aus dem Gericht:Wirt aus dem Landkreis Dachau erpresst

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Drei Männer verlangen von einem Gastronom eine Million Euro. Andernfalls drohen sie ihm, seiner Frau von einer Affäre zu erzählen und seine Steuerhinterziehung aufzudecken. Vor dem Schöffengericht werden sie zu Bewährungsstrafen verurteilt

Von Jacqueline Lang, Dachau

Es ist ein langer Tag am Amtsgericht Dachau für alle Beteiligten. Einer der drei Verteidiger muss in den kurzen Pausen, die Richter Christian Calame gewährt, immer wieder Termine nach hinten verschieben. Statt wie von ihm angenommen drei Stunden dauert die Sitzung vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Dachau gute acht Stunden. Am Ende werden die drei Angeklagten - ein 23-jähriger Straubinger, ein 28-jähriger Dachauer sowie ein ebenfalls 28-jähriger Vierkirchner - wegen Betrugs, Erpressung und versuchten Einbruchs zu einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und acht Monaten sowie sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

Im Zentrum der Verhandlung steht vor allem die Erpressung eines Gastronomen aus dem Landkreis im Sommer 2018. Anfangs ging es um eine Million, später um immerhin noch 750 000 Euro. Der 23-jährige Angeklagte, der zwischenzeitlich in der Gaststätte eine Ausbildung zum Koch absolvierte, sowie dessen Bruder, der dort nach wie vor als Kellner arbeitet, und ein Freund der beiden sollen dem Wirt damit gedroht haben, in seinen Bücher Belege für Steuerhinterziehungen zu finden und aufzudecken - der Vierkirchner soll sich laut Anklageschrift zu diesem Zweck als Zollbeamter ausgegeben haben. Zudem hatten die drei Männer dem Gastronom gedroht, seiner Frau von der Affäre mit einer seiner Angestellten zu erzählen. Von den unsauberen Büchern will der jüngste der drei Angeklagten gewusst haben, weil er sich selbst größere Summen - insgesamt 50 000 Euro - von dem Gastronomen geliehen hatte, die er dann zumindest teilweise über Überstunden abbezahlt haben will. Ausgegeben wurde, das ist unbestritten, ein Großteil des Geldes für teure Autos und Bordellbesuche.

Der 23-Jährige hat sich Geld allerdings nicht nur von seinem damaligen Chef geliehen, sondern auch von einem Arbeitskollegen. Laut dem Angeklagten waren es höchstens 25 000 Euro, die teilweise auch gemeinsam verprasst wurden, laut dem Zeugen rund 57 000 Euro. Fest steht nur: Das Geld, das der 31-jährige Schwabhausener seinem vermeintlichen "Spezl" immer wieder geliehen hat und für den er sogar einen Kredit aufgenommen und sein Auto verkauft hat, hat ihn finanziell in den Ruin getrieben. Eine Entschuldigung des Angeklagten will und kann er deshalb nicht annehmen. "Das kannst du nie wieder gut machen", sagt er.

Auf die Frage, des Richters, warum er keinen Schlussstrich gezogen habe, obwohl er am Ende nicht einmal mehr genug Geld für Essen gehabt habe, sagt der Angeklagte: "Irgendwann war ich nicht mehr Herr meiner Sinne." Außerdem hätten sein damaliger Freund und der angeklagte Vierkirchner ihn erpresst und ihn glauben gemacht, dass er durch das gegebene Geld selbst in kriminelle Machenschaften verstrickt sei. "Irgendwann wusste ich nicht mehr, wer was mit wem", sagt er. Daraufhin erwidert Richter Calame nur: "Ja, das geht uns allen so."

Der Gastronom, den man immerhin um eine Million zu bringen versucht hat, indes sagt, dass er gar nicht verängstigt durch die Erpressung und damit verbundene Drohung gewesen sei. "Das hört sich dramatisch an, für mich war das nicht dramatisch", sagt er. Die genannte Summe sei so utopisch gewesen, deshalb habe er die Forderungen überhaupt nicht ernst genommen.

Ob das auch damit zutun hatte, dass der 28-jährige Dachauer, der sich dem Schöffengericht als der "Friedensstifter" in der ganzen Geschichte präsentiert, versucht hat, seinen Chef zu schützen und ihn in seine Pläne eingeweiht hat, das bleibt bis zum Ende der Verhandlung ungeklärt - trotz der Zeugenaussage des Wirts selbst. Die Geschichte des 28-Jährigen hält Richter Calame jedenfalls für unglaubwürdig: "Das ist von hinten bis vorne Bockmist." Die zeitlichen Angaben würden sich weder mit den Angaben der anderen Angeklagten noch in keiner Weise mit den zahlreichen, sichergestellten Chatverläufen decken, die dazu führen, dass die Akten gut 1000 Seiten umfassen. Es sei unglaubwürdig, dass er überhaupt die Zahl von einer Million ins Spiel gebracht habe, wenn er doch angeblich seinen Chef schützen habe wollen. Ebenso wenig sei nachvollziehbar, warum er den Mitangeklagten von angeblichem Geld auf dem Dachboden des Wirts erzählte und ihnen dann einen - wenn auch falschen - Schlüssel aushändigte, damit die beiden bei dem Wirt einbrechen konnten. Einmal versuchten es die beiden Männer wohl mit dem falschen Schlüssel erfolglos, ein zweites Mal verschafften sie sich Eintritt mit einem Schraubenzieher. Da sie jedoch auf dem Dachboden kein Geld fanden, verließen sie das Haus unverrichteter Dinge.

Der 28-jährige Dachauer jedoch bleibt dabei: Wären die vermeintliche Affäre und die Steuerhinterziehung ans Licht gekommen, hätte er auch als eigentlich Unschuldiger seinen Job verloren - immerhin ist die Frau des Wirts die eigentliche Inhaberin der gut laufenden Gaststätte. Er behauptet deshalb auch nach mehreren Nachfragen, er habe ein Treffen zwischen den beiden Parteien nur vereinbart und versucht, Schlimmeres zu verhindern. Sein Bruder und sein Freund indes sagen aus, dass er diese Rolle als Vertrauensperson des Wirts nur gespielt habe, um diesen über seine Pläne auszuhorchen. Zu der befürchteten Kündigung jedenfalls ist es bislang nicht gekommen.

Ob der 23-jährige Angeklagte nun lediglich Mitläufer oder eher treibende Kraft gewesen ist und welche Rolle der 28-jährige Vierkirchner gespielt hat, auch darüber gehen die Aussagen auseinander. Das Schöffengericht kommt schließlich zu der Auffassung, dass die beiden ihren Plan "gleichberechtigt" durchgeführt haben. Beide hätten unterschiedliche Phasen gehabt; einmal habe der eine aufhören wollen und sei vom anderen gedrängt worden weiterzumachen, einmal sei es genau anders herum gewesen. Ganz grundsätzlich sieht Richter Calame es auch als erwiesen an, dass es nicht um "Gut gegen Böse" ging, sondern dass vielmehr alle Beteiligten und somit auch der Wirt eine Mitschuld tragen. Auch deshalb entscheidet die Staatsanwaltschaft, zumindest den Vorwurf des Betrugs gegen den 23-jährigen Straubinger fallen zu lassen, ebenso wie den Vorwurf der Amtsanmaßung gegen den 28-jährigen Vierkirchner. Dieser war in weiten Teilen geständig und seine Ausführungen stimmen auch am ehesten überein mit der Anklageschrift. Es sei unwahrscheinlich, dass er ausgerechnet den am wenigsten schwer wiegenden Vorwurf vehement abstreiten würde, so die Einschätzung des Schöffengerichts.

Letztlich wird der 23-Jährige, der mittlerweile in Straubing als Koch arbeitet und seine Taten teilweise noch im Alter von 21 Jahren verübt hat, nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Neben seiner Bewährungsstrafe verurteilt ihn Richter Calame zu einem zweiwöchigen "Warnschussarrest" und der Rückzahlung der 57 000 Euro. Als einzige der Drei nimmt er das Urteil nicht sofort an. Der 28-jährige Dachauer, der kürzlich Vater geworden ist, muss neben seiner Bewährungsstrafe insgesamt 1200 Euro an Brücke e.V zahlen. Dem 28-jährige Vierkirchner, der derzeit arbeitslos ist und bei seinen Großeltern lebt, muss stattdessen 150 Sozialstunden bei dem gemeinnützigen Verein ableisten. Allen drei hält das Gericht zugute, dass sie Ersttäter sind.

© SZ vom 21.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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