Wilderei:Schurkenrolle vorwärts

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Matthias Kneissl wurde am 21. Februar 1902 kurz nach 7 Uhr morgens mit der Guillotine hingerichtet. Das "Räuber-Kneissl-Revival" stellt auch das blutige Ende des bayerischen Volkshelden aus Unterweikertshofen eindrucksvoll dar - spinnt die Geschichte aber noch weiter. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Musical-Eigenproduktion "Räuber Kneissl Revival" versetzt die Geschichte des legendären bayerischen Volkshelden in die heutige Zeit.

Von Magdalena Hinterbrandner, Sulzemoos

Was, wenn der legendäre Volksheld Räuber Kneissl jetzt noch leben würde? Würde er bei der Wilderei bleiben, oder hätte er andere kriminelle Spezialgebiete? Die Geschichte des Räuber Kneissl, der 1875 in Unterweikertshofen geboren wurde und verwandt war mit der damals berühmten Räuberfamilie Pascolini, endete traurig. Mathias Kneissl war zwar ein Krimineller, aber für viele Menschen auf dem Land ein Volksheld, ein zweiter Robin Hood. Er hatte es immer wieder geschafft, die Polizei auf ihren Verfolgungsjagden auszuspielen und die Gendarmerie schlecht aussehen zu lassen. Er war glücklich verlobt mit seiner geliebten Mathilde, wäre da nicht die Schwiegermutter in Spe gewesen. Sie hatte ihn verraten, und so wurde er 1901 wegen zweier Morde, versuchten Totschlags, schweren Raubes und räuberischer Erpressung hingerichtet.

Die "Glonn Stars" aus Sulzemoos sind mit diesem traurigen Ende der Geschichte nicht einverstanden, sie erfinden die Erzählung neu und versetzen den Räuber Kneissl ins 21. Jahrhundert, genauer gesagt in das Jahr 2017. Moderner, neuer, auf die aktuelle Zeit bezogen, mit Kritik am tagespolitischen weltweiten Geschehen, so soll die "Räuber Kneissl Revival" Erzählung werden, und zwar in Form eines Musicals. Acht Leute, die Gruppe Glonn Stars mit Freunden, haben am Freitag im Gut Sulzemoos zur Uraufführung des Musicals eingeladen. Musik und Text sind Eigenkreationen: Reinhold Klein schrieb den Text, auf dessen Grundlage Jürgen Offermann die Musik komponiert hat.

Pop, Jazz und Elemente der Volksmusik

Das Musical, eine Abwandlung der Oper und Operette, wurde in den 1920er Jahren entwickelt und findet heutzutage immer mehr Eingang in die großen deutschen Schauspielhäuser. In zwei Akten werden Gesang, Schauspiel, Tanz und Musik vermischt. Nicht immer orientiert man sich am Stil der Oper, mittlerweile führen zahlreiche Pop- und Rock-Musicals das Genre an. Auch das Musical "Räuber Kneissl Revival" geht eher in die Richtung Pop, Jazz, und nicht zuletzt finden sich auch Elemente der Volksmusik wieder.

Die Geschichte des modernen Räuber Kneissl haben die "Glonn Stars" mit zwei Parallelgeschichten aufgezogen. Das Stück beginnt mit der Hinrichtung Kneissls, nach dem Tod erlebt er einen Traum, in dem er in die heutige Zeit katapultiert wird. Damit er nicht allein ist, hat er eine Fee und seine geliebte Mathilde bei sich. Doch Wilderei, damit kommt man heutzutage nicht mehr weit. Kneissl spezialisiert sich auf Datenklau und Spitzelei, und erfüllt sich mit Wladimir Putins Hilfe durch Wahlmanipulation seinen Traum: Er wird Ministerpräsidenten, wenig später zum Bundeskanzler.

Kurze Moritaten

Reinhold Klein selbst singt und spielt die Hauptrolle des Mathias Kneissl, der im Bariton gesungen wird. Stets an seiner Seite Birgit Battran im Sopran als Mathilde und Marliese Zech im Sopran als seine gute Fee. Zwischen den einzelnen Szenen wird die wahre Geschichte des Räubers Kneissl in kurzen Moritaten von Toni Fischer im Tenor nachgesungen. Die Moritat ist eine Art Nachrichtenüberbringung, die hier mit einem volksmusikalischen Charakter vertont wird. Die gesungenen Passagen von Kneissl selbst, auch von Mathilde und der Fee gehen in der Musik in eine modernere Richtung. Teilweise erkennt der ein oder andere in den Stücken der Fee Abwandlungen bereits weltbekannter Musicals wieder. Wer "Memory" aus dem Musical "Cats" kennt, dürfte beim Stück "Nacht ist's" im ersten Akt geschmunzelt haben. Singen die Schauspieler der "Glonn Stars" mehrstimmig, erkennt man ihre gesangliche Qualität. Teilweise rein vokale Passagen werden klar und sauber dreistimmig gesungen. Im zweiten Akt wird die Musik flotter, die Moritat-Passagen behalten ihren volkstümlichen Charakter. Sogar die amerikanische Nationalhymne wird angestimmt, als der moderne Kneissl Donald Trump einen Besuch abstattet. Leider wirkt Trumps Erscheinung im Stück deplatziert, nicht wirklich ist ein Zusammenhang erkennbar. Doch in aller Munde ist Trump, so musste er anscheinend auch Eingang in das Musical finden.

Damit die Zuschauer nicht den Faden verlieren, erzählt Franziska Schönherr als Sprecherin die Zwischenpassagen. Gesanglich sind die einzelnen Schauspieler gut, für ein Musical würde noch der Tanz fehlen, auch das Schauspiel an sich kommt ein wenig zu kurz an diesem Abend. Doch mit Charme und Witz überzeugen die "Glonn Stars" die Besucher. Das Publikum beobachtet nicht nur gebannt das Treiben auf der kleinen Bühne, es ist auch selbst gefordert. Mit dem Publikumschor eröffnen die Zuschauer selbst den ersten und zweiten Akt. Belohnt werden die Glonn Stars am Ende mit einem begeisterten Applaus.

Weitere zwei Vorstellungen sind bereits ausverkauft; nur für eine zusätzliche Aufführung am Sonntag, 9. April um 19 Uhr gibt es noch Karten.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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