Widersprüchliche Zeugenaussagen:Drogenverkauf bleibt im Dunkeln

Lesezeit: 2 min

Amtsgericht stellt Verfahren gegen jungen Mann ein, verurteilt ihn aber wegen illegalen Waffenbesitzes

Von Renate Zauscher, Dachau

Wer hat wem am 29. Oktober letzten Jahres am Sparkassenplatz in Dachau Marihuana verkauft? Oder wurde an diesem Tag in der dortigen Tiefgarage lediglich Haschisch aus Eigenbesitz geraucht und es kam gar nicht zu einem Verkauf der Droge? In einer Verhandlung vor dem Dachauer Amtsgericht, bei der diese Fragen im Mittelpunkt standen, blieb der Sachverhalt weitgehend im Dunkeln. Das Verfahren musste deshalb zumindest im wichtigsten Punkt der Anklage eingestellt werden.

Vor Richter Daniel Dorner stand ein 20-Jähriger, dem zweierlei vorgeworfen wurde: Zum einen der Verkauf von einem Gramm Marihuana an einen anderen Jugendlichen und zum anderen der Besitz eines Schlagrings. Die Polizei hatte diesen in der Wohnung, in der der Angeklagte mit seinem Vater und seiner Freundin lebt, vorgefunden, ebenso einen "Crusher" aus dem Besitz der Freundin, mit dem man Marihuana zerkleinert.

Nach der Verlesung der Anklage durch Staatsanwalt Steffen Kill nahm der Verteidiger des Angeklagten, Ronny Raith, kurz Stellung zu den Vorwürfen. Der Besitz des Schlagrings werde von seinem Mandanten eingeräumt, der sich auch mit dessen "form- und ersatzlosen Einziehung" einverstanden erkläre. Den Vorwurf allerdings, er habe aus einem von ihm mitgeführten Beutel mit zirka 50 Gramm Inhalt ein Gramm Marihuana an einen Jugendlichen verkauft, bestreite sein Mandant. Mit Hilfe zweier Zeugen, einer von ihnen der in Frage kommende Käufer, versuchte Richter Dorner Licht ins Dunkel der Sache zu bringen. Details zum Geschehen an jenem Nachmittag im vergangenen Oktober fielen dem jungen Mann im Zeugenstand allerdings erst ein, nachdem ihm Richter Dorner klargemacht hatte: "Sie machen sich auch dann strafbar, wenn Sie sich nicht genug anstrengen, sich zu erinnern." Daraufhin berichtete der Zeuge von einer S-Bahnfahrt, die eigentlich nach München führen sollte, dann aber in Dachau unterbrochen wurde, von einem Treffen mit anderen Jugendlichen erst am Spielplatz hinter dem Bahnhof, dann auch in der Bahnhofsunterführung, und schließlich von gemeinsam gerauchten Joints in der Tiefgarage am Sparkassenplatz. Wer dabei wem etwas verkauft haben könnte, dazu konnte oder mochte keiner der beiden 16-jährigen Zeugen Erhellendes mitteilen - auch dann nicht, als Richter Dorner sie mit früheren Aussagen bei der Polizei konfrontierte und auf Widersprüche hinwies. "Es passt alles nicht zusammen - haben Sie bei der Polizei etwas Falsches gesagt oder heute?", wollte der Richter bei der Anhörung des als Käufer in Frage kommenden Jugendlichen wissen, gegen den so wie gegen den anderen Jugendlichen bereits früher in der Sache ermittelt worden war. Ihre Verfahren waren zuletzt eingestellt worden. Auch nach einer kurzen Unterbrechung der Verhandlung für eine Unterredung mit seinem Verteidiger blieb der Angeklagte bei seiner Aussage. Eine Befragung weiterer Zeugen hielten Richter wie Staatswalt für "nicht zielführend". Eine Einstellung des Verfahrens, für die sich auch Verteidiger Raith eingesetzt hatte, schien Richter Dorner der folgerichtige Schritt angesichts der unklaren Sachlage.

Das galt allerdings nur für den Tatvorwurf des Marihuana-Verkaufs, nicht für den des illegalen Waffenbesitzes, zumal der Angeklagte nicht zum ersten Mal vor Gericht stand. Er beteuerte jedoch, den Schlagring als Geschenk erhalten zu haben. Nie habe er daran gedacht, damit jemanden anzugreifen. Das Geständnis des Angeklagten in der Sache wurde zu seinen Gunsten gewertet, ebenso seine Bereitschaft, den Schlagring abzugeben. Einig waren sich Staatsanwalt und Richter mit dem vom Jugendamt gestellten Jugendgerichtshelfer Karl Hartmann, dass der zur Tatzeit 19-Jährige nach Jugendrecht verurteilt werden sollte, da bei ihm eine "Reifeverzögerung" festgestellt werden müsse. Die Ableistung von Sozialstunden sah man als die "erzieherisch" beste Sanktion für das, was der Verteidiger als Tat mit einem "Unrechtsgehalt am absolut untersten Rand" bezeichnete. "Noch weniger an Strafbarkeit ist nicht denkbar". Auch mit Blick auf die geplante Ausbildung des jungen Mannes bat Raith um Milde.

Richter Dorner entschied sich für ein Strafmaß von 32 Sozialstunden. Außerdem muss der Angeklagte, der über entsprechende Einkünfte verfügt, die Gerichtskosten tragen. Der junge Mann nahm das Urteil auf Anraten des Verteidigers sofort an.

© SZ vom 22.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: