Süddeutsche Zeitung

Wider das Vergessen:Max Mannheimers Vermächtnis

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Dachau und die polnische Stadt Oświęcim verbindet eine schreckliche Vergangenheit. Der Musiker Jürgen Rothaug möchte daran erinnern und stellt nach dem Debüt in Dachau auch ein Gedenkkonzert für das ehemalige KZ Auschwitz auf die Beine

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau/Oświęcim

Der Musiker und Sänger Jürgen Rothaug, ehemals Lehrer an der Realschule Dachau, dann Dozent an der katholischen Universität Eichstätt, veranstaltet seit vielen Jahren in Dachau aufsehenerregende Konzerte mit außergewöhnlichen Programmen und erschließt dabei neue Möglichkeiten für musikalische und szenische Aufführungen an Örtlichkeiten, die vorher nie für derartiges in Betracht gekommen waren. Sein beeindruckendes Konzert in der aufgelassenen MD-Papierfabrik Dachau vom Juni 2016 hat nun eine Spätfolge von ungeahntem Ausmaß. Die zweite Aufführung dieses ergreifenden Holocaust-Gedenkkonzerts konnte damals noch der hochbetagte, inzwischen verstorbene Auschwitz-Überlebende und Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, Max Mannheimer, besuchen. Er war zutiefst beeindruckt und dankte Jürgen Rothaug unter Tränen. Dabei regte er an, dieses Konzert im ehemaligen KZ und Vernichtungslager Auschwitz zu wiederholen und machte durch seine überragende Persönlichkeit auch den Weg dafür frei. Welche Initiativen dafür ergriffen und welche Hindernisse überwunden werden mussten, sei hier nicht im Einzelnen aufgeführt. Jetzt aber ist es soweit.

Am Sonntag, 30. September, findet Rothaugs Gedenkkonzert, ausgestattet mit dem gleichen Programm wie damals, in der Kirche St. Josef in Oświęcim statt. In dieser Kirche in Oświęcim hat auch der berühmte Komponist Jan Penderecki bereits mehrfach konzertiert. Wie in Dachau singt das "Ensemble Cantori", außerdem spielen die "Musici Cantori". Die Solisten sind Carina Ellerhoff, Annette Thomas, Irmi Fröch, Michael Nauderer und Oliver van Meerendonk. Außerdem treten noch drei Roma-Musiker auf, die zusammen mit den Dachauer Solisten und Ensembles ebenfalls "ein Zeichen setzen" wollen. Schirmherren dieses Konzerts sind die Landräte von Dachau und Oświęcim, Stefan Löwl (CSU) und Zbigniew Starzec (PiS). Die Dachauer Solisten und Ensembles treten am 30. September nicht nur in der Kirche St. Josef in Oświęcim auf, sie singen und musizieren bereits vormittags um elf Uhr während eines Gottesdienstes in der Franziskanerkirche in Harmeze bei Oświęcim.

Am nächsten Tag besuchen die Dachauer die Gedenkstätte Birkenau und singen dort das "Dachau-Lied". Dafür war eine Sondergenehmigung erforderlich, die sie schließlich auch erhalten haben. Die Fahrt nach Oświęcim, vom Samstag, 29. September, bis Mittwoch, 3. Oktober, wurde ermöglicht durch die fachliche Betreuung und Koordinierung der Planung von Bernadetta Czech-Sailer sowie die inhaltliche und finanzielle Unterstützung des Landrats Stefan Löwl. Auch das "Polen Referat", der Kulturausschuss des Landkreises Dachau, das Sponsoring der Sparkasse Dachau, der VR-Bank Dachau, der Stadt Dachau sowie verschiedenen Firmen haben ihren Teil dazu beigetragen, wofür sich der Künstlerische Leiter Jürgen Rothaug herzlichst bedankte. Dieses Konzert in Auschwitz ist die Realisierung des Wunsches und der Bitte von Max Mannheimer, der bei dem Holocaust-Gedenkkonzert in Dachau gesagt hatte: "Dieses Konzert müsst ihr in Auschwitz aufführen!" Jetzt setzen Jürgen Rothaug und seine Ensembles jenen Wunsch von Max Mannheimer um, sozusagen in Gedenken an sein Vermächtnis. Sie sehen ihr Konzert in Oświęcim auch "als Friedenskonzert, zum Gedenken an die Menschen in den Konzentrationslagern und für ihre Zeit des Weiterlebens - als Zeit-Zeugen-Kontakt" sowie "als Austausch-Kontakt mit polnischen Vertretungen und Institutionen", etwa der Jugendbegegnungsstätte Auschwitz.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2018
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