Süddeutsche Zeitung

Westlich der Bahn:Karlsfeld hält an seiner Ortsplanung fest

Statt Gewerbeflächen will der Investor Erlbau westlich der Bahn 300 Wohnungen bauen. Die Gemeinde lehnt das strikt ab

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Viele Karlsfelder, die westlich der Bahn wohnen, sind frustriert. Lange schon hat man ihnen einen Lebensmittelmarkt versprochen, den sie einfach zu Fuß erreichen können. Doch es passiert einfach nichts. Woche für Woche müssen die Leute sich ins Auto setzen und zum Großmarkt fahren, um das Nötigste zu besorgen. Das ist ärgerlich, und so häufen sich die Anfragen im Rathaus. Viele sind nicht mehr zurückhaltend freundlich formuliert, sondern "unflätig", klagt der Wirtschaftsförderer der Gemeinde, Peter Freis. Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) kann die Ungeduld der Bürger sehr gut verstehen, aber leider wenig daran ändern. Denn das entsprechende Grundstück gehört nicht der Gemeinde, sondern der Erlbau GmbH. Und die hat offenbar ihre Pläne geändert.

Vor etwa einem halben Jahr hatte sich das Unternehmen mit seinen Ideen an die Gemeinde gewandt. Statt Büros, Einzelhandel und Gewerbe auf rund 40 000 Quadratmetern, wie es ursprünglich vereinbart und auch im Bebauungsplan festgelegt war, wollte die Erlbau nun etwa 300 Wohnungen auf dem früheren Eon-Areal errichten. Denn nur wenn mehr Leute in dem Gebiet westlich der Bahn wohnen, könne man einen Lebensmittelmarkt gewinnen, der dort eröffnet, argumentierte die GmbH. "Weitere Wohnungen werden wir aber nicht zulassen", lehnt Kolbe entschieden ab. "Das entspricht nicht den Planungszielen der Gemeinde." Vielmehr will man weiter an dem bisherigen Konzept festhalten, insoweit war sich der Gemeinderat einig.

Auch wenn der Bebauungsplan schon elf Jahre alt ist, soll er weiterhin gültig bleiben. "Die haben sich die Rosine herausgepickt und haben jetzt keinen Druck mehr, den Rest zu realisieren", ärgert sich Adrian Heim (Bündnis für Karlsfeld). "Aber wir sind uns einig, dass wir keinen Fußbreit zurückweichen." Die Gemeinderäte hoffen, dass der Druck der Erlbau-Kunden dazu führt, dass das Unternehmen sich doch bewegt, auch wenn es sich bisher darauf beruft, dass Lebensmittelgeschäfte kein Interesse an dem Standort hätten.

Wirtschaftsförderer Freis weiß, dass es Interessenten gibt: Jedes Jahr bekommt er bis zu 100 Anfragen von Firmen, die sich gerne an der S-Bahn ansiedeln wollen. Vom kleinen Laden bis zur 100 000-Quadratmeter-Lagerfläche sei alles dabei. Er habe die Anfragen an den Investor weitergeleitet, mehr könne er nicht tun, sagt er. Klar gebe es Lebensmittelmärkte, denen der Einzugsbereich westlich der Bahn zu klein sei, gibt er zu. Aber andere hätten trotzdem Interesse. Sie würden ihr Sortiment eben danach ausrichten. Zum Vertragsabschluss kam es aber nie. Über das Warum kann man nur spekulieren - vermutlich liegt es am Preis. Erlbau selbst wollte gestern keine Auskunft dazu geben.

Der Komplex für das Betreute Wohnen steht inzwischen. "Wir hätten nicht gedacht, dass es in dem Umfang errichtet wird", bemerkt Bauamtsleiter Günter Endres. Es nimmt ein Viertel der überbaubaren Gesamtfläche auf dem Erlbau-Gelände ein. Seit Monaten wird das Betreute Wohnen auf der Homepage des Unternehmens offensiv beworben - anscheinend mit Erfolg. Denn von den rund 250 Wohnungen sind bereits 180 bezogen. Es ist, wie man schon dem Internet entnehmen kann, das Hauptgeschäft des Investors.

Ganz anders steht es um die Restfläche. Auf der Homepage gibt es keinen Hinweis darauf, dass Einzelhändler, Büros oder andere Gewerbetreibende sich westlich der Bahn ansiedeln könnten. Auch auf der größten Messe für Immobilienvermarkter, der Expo Real in München, hat es offenbar keine Exposés hierzu gegeben. In der Gemeinde ist man darüber verärgert. Seit die Erlbau vor etwa drei Jahren das Gelände gekauft hat, klopft Freis immer wieder an, fragt nach - doch bislang ohne Erfolg. "Wir können den Eigentümer nicht zwingen innerhalb einer bestimmten Frist zu bauen."

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SZ vom 05.04.2018
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