Kommunalpolitik:Die Lichtgestalt der Landkreis-SPD geht

SPD Unterbezirk

Wehmut sieht anders aus: Hubert Böck (rechts) schenkt seinem Vorgänger Martin Güll zum Abschied das Buch "99 x Franken wie Sie es noch nicht kennen". Schließlich will Güll in die nordbayerische Region umziehen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Zehn Jahre lang war er Kreisvorsitzender der SPD. Nun hat Martin Güll sein Amt niedergelegt. Der starke Mann der Sozialdemokraten heißt jetzt Hubert Böck.

Von Thomas Radlmaier, Markt Indersdorf

Als für die SPD im Landkreis Dachau eine neue Zeitrechnung beginnt, bestimmt Martin Güll ein letztes Mal die Richtung der Genossen. Die Sozialdemokraten haben an diesem Mittwochabend im Gasthaus Doll in Ried bei Markt Indersdorf soeben Hubert Böck mit 98 Prozent der Stimmen zu Gülls Nachfolger gewählt, der nach zehn Jahren sein Amt als Kreisvorsitzender niederlegt. Jetzt stellt sich die neue SPD-Spitze vor einem Plakat zum Pressefoto auf. Leichter gesagt, als getan. Nicht jeder im neuen Vorstand findet sofort seine Position. Güll, der Kampagnen-Profi, hilft und verweist alle Mitglieder auf ihre Posten. "Der Hubert muss in die Mitte", sagt er. Links und rechts von Böck platziert Güll die beiden stellvertretenden Vorsitzenden, Martina Tschirge und Florian Heiser. Dann schreitet er zu den Fotografen, die die Kameras blitzen lassen.

Martin Güll, die Lichtgestalt der Landkreis-SPD, verschwindet aus dem Fokus. Jetzt stehen andere im Blitzlichtgewitter.

Martin Güll, die Lichtgestalt der Landkreis-SPD, verschwindet aus dem Fokus

Die Dachauer Sozialdemokraten erleben an diesem Abend den Abgang eines Vorsitzenden, der den Unterbezirk so geprägt hat wie kaum ein anderer zuvor. "Eine Ära geht zu Ende", sagt der Landtagsabgeordnete Florian Ritter. Die meisten würden 30 Jahre brauchen, um sich diesen Satz zu verdienen. Güll habe das in zehn Jahren geschafft.

Güll kann auf eine Karriere zurückblicken, die fast filmreif ist. Er kam vor mehr als einem Jahrzehnt als krasser Quereinsteiger in die Politik. Er war Rektor der Indersdorfer Hauptschule, bis ihn die Genossen fragten, ob er für sie für den Landtag kandieren wolle. 2008 zog er überraschend in das Landesparlament ein und profilierte sich als Bildungsexperte, oder wie Ritter sagt, als "unumstrittener Führer der Opposition in der Bildungspolitik". 2009 wählten ihn die SPD-Mitglieder im Landkreis zu ihrem Vorsitzenden. Bei der Kommunalwahl 2014 erreichte Güll einen Achtungserfolg, als er Landrat werden wollte und nur knapp scheiterte. Bei der vergangenen Landtagswahl verlor er schließlich nach zehn Jahren sein Mandat und kündigte anschließend an, sich komplett aus der Politik zurückziehen zu wollen. Bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr will er weder für den Kreistag noch für den Gemeinderat in Hilgertshausen kandidieren. Der 65-Jährige plant stattdessen, sich in Franken zur Ruhe zu setzen.

Martin Güll: "Politik ist eine Aufgabe auf Zeit. Meine Zeit ist abgelaufen"

Jetzt aber steht der Grandseigneur der SPD ein letztes Mal als Kreisvorsitzender am Rednerpult und sagt: "Politik ist eine Aufgabe auf Zeit. Meine Zeit ist abgelaufen." Er habe "schöne und hochinteressante" zehn Jahre erleben dürfen. Güll mahnt auch zum Abschied. Die Zahl der Mitglieder sei von 650 im Jahr 2010 auf heute 500 gesunken. Auch deshalb sei es notwendig gewesen, die Ortsvereine Markt Indersdorf, Bergkirchen, Altomünster und Schwabhausen zusammenzulegen. "Wir müssen uns neu aufstellen und noch mehr nach außen gehen", sagt Güll. Die Sozialdemokraten sollten den Menschen zeigen: "Wir sind wieder da." Insgesamt sei aber seine Bilanz "so schlecht nicht" gewesen. Daher gehe er jetzt mit einem "lachenden Auge". Die 42 Sozialdemokraten im Saal klatschen und klatschen und klatschen, bis Güll abwinkt und sagt: "Langt scho, das geht alles von meiner Lebenszeit ab." Gülls Lockerheit zeigt, dass da einer mit sich im Reinen ist und weiß, wann es Zeit ist, anderen das Ruder zu überlassen.

Der starke Mann der Landkreis-SPD heißt jetzt Hubert Böck. Der 53-Jährige aus Markt Indersdorf ist der Wunschkandidat der Parteispitze. Und auch bei der Basis kommt der zweifache Familienvater gut an. Alle Delegierten stimmen bei der Wahl für ihn. Es gibt eine Enthaltung - man kann davon ausgehen, dass sich Böck selbst enthalten hat. Der zweite Bürgermeister von Markt Indersdorf gilt in der SPD als Macher und jemand, der Menschen zusammenführen kann. Er sei, sagt er, vor 13 Jahren in die Lokalpolitik gegangen, weil in Markt Indersdorf vieles in der Kinderbetreuung gefehlt habe. "Das hat mich damals geärgert. Und auch im Unterbezirk gibt es Sachen, die mich ärgern." Er hoffe auf die Unterstützung der SPD-Mitglieder. "Dann rocken wir die nächsten zwei Jahre."

Die Genossen wählen Martina Tschirge mit 93 Prozent erneut zur stellvertretenden Vorsitzenden. Florian Heiser bekommt ebenfalls einen Stellvertreterposten. Arlette Amend (Kassierin), Stefan Brix (Schriftführer), Max Eckardt (Organisationsbeauftragter) und Sophia Kyriakidou (Bildungsbeauftragte) komplettieren den geschäftsführenden Vorstand der Landkreis-SPD. Sie alle sind jetzt im Saal eng zusammen gerückt und schauen in die Kameras der Fotografen. Martin Güll betrachtet die Szenerie im Hintergrund und lacht. Wehmut sieht anders aus.

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