Wasserturm:"Anders würde ich es gar nicht aushalten"

Ehrenmitgliedschaft

Karin-Renate Oschmann bei ihrer Ernennung zur Ehrenvorsitzenden des Fördervereins Dachauer Wasserturm. In ihrer Dankesrede lässt sie die Jahre seit der Gründung 1998 Revue passieren.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Karin-Renate Oschmann, Mitbegründerin des Dachauer Wasserturms, ist jetzt zur Ehrenvorsitzenden des Vereins ernannt worden. Im Juni dieses Jahres hat sie sich zurückgezogen - doch sie sprudelt vor Ideen und will sich weiter einmischen

Interview von Anna-Elisa Jakob

Am Donnerstagabend ernannte der Verein des Dachauer Wasserturms Karin-Renate Oschmann zur Ehrenvorsitzenden. Am Morgen nach der Feier sitzt die 82-Jährige bei einer Tasse Kaffee an ihrem Küchentisch, vor sich eine Chronik der Geschichte des Wasserturms seit 1998, und lässt ihre lange Zeit als dessen Vorsitzende Revue passieren. Sie spricht dann lieber im "Wir"-Ton und möchte unbedingt die Namen von Sepp Baur und Rosa Rühl, beide ebenfalls Gründungsmitglieder, genannt wissen. An ihrer Wand hängt ein Schwarz-Weiß-Druck mit dem Abbild des Wasserturms, ein Werk des Dachauer Künstlers Günther Urban - der auch eine bedeutende Rolle in den Anfängen des Wasserturms spielte, wie sich im Gespräch noch zeigen wird. Oschmann erzählt von der Aufbruchsstimmung jener Tage und warum sie sich heute auch Sorgen um die Zukunft des "Turms" macht. Fragt man sie nach der Ich-Version der Geschichte, dem Persönlichen, zeigt sie auf ihr Sofa. Manchmal, sagt sie dann, sitze sie hier, schaue auf den Apfelbaum in ihrem Garten und sei vollkommen zufrieden.

SZ: Frau Oschmann, wenn Sie eine Retrospektive über Ihre Zeit als Vorsitzende des Dachauer Wasserturms kuratieren sollten: Welche Bilder aus 21 Jahren dürften hier nicht fehlen?

Karin-Renate Oschmann: Na ja, das erste wäre die offizielle Gründungsversammlung 1998, mit zehn Leuten im damaligen Café Teufelhart. Von den zehn Leuten sind übrigens heute noch sechs aktiv im Turm.

Können Sie sich noch an die Stimmung erinnern?

Ja, alle waren hochbegeistert. Wir haben gleich die Ämter verteilt...

... und Sie sind zur Vorsitzenden des neu gegründeten Fördervereins ernannt worden.

Richtig. Die erste Veranstaltung von uns war ganz toll, ein Tag der offenen Tür im Wasserturm. Es hatte gerade geschneit und der Turm war noch so anders, man musste verschlungene Wege gehen, bis man ganz oben war. Die Leute sind hineingeströmt - natürlich nicht, weil sie diesen komischen Verein kennenlernen wollten, sondern weil sie offiziell noch nie im Wasserturm waren, vielleicht nur mal als junge Leute durch irgendeine offene Tür gekrochen waren. Es war ein großes Gedränge. Das war eigentlich furchtbar, aber es war schön. Und es war mit Sicherheit der Knackpunkt, an dem wir gesehen haben, dass sich hier etwas machen lässt. An einen Umbau hat erst einmal keiner gedacht.

Wie ging es dann weiter?

Wir haben harmlos angefangen, mit einer Walpurgisnacht. Die erste richtige Kunstausstellung, die liegt mir auch sehr am Herzen, das war mit Monika Siebmanns und Günther Urban. Monika Siebmanns hat hier "Rundungen" ausgestellt, also zum Beispiel diese Kugel da draußen (zeigt auf eine kupferfarbene Kugel in ihrem Garten).

Warum ist Ihnen ausgerechnet diese Ausstellung heute, nach so vielen Jahren, noch so wichtig?

Weil es unsere erste richtige Kunstausstellung war. Es war ja alles mühselig, wir hatten damals bestimmt noch keine Tische und Stühle und mussten alles nach oben tragen. Doch es war schon damals so, wie soll ich sagen - die Mühen fielen nicht auf. Man hatte ein Ziel, also trug man eben seinen Tisch nach oben oder seine Werkstücke. Wir haben auch Märkte im Turm veranstaltet. Alles war unverkrampft, alles war Begeisterung. Auch die Aussteller fanden das schön, bis sie irgendwann gemerkt haben, dass man nicht so viel verkaufen konnte. Dann haben sie sich untereinander Dinge abgekauft: "Du gibst mir ein Schmuckstück, ich kaufe von dir Marmelade..."

Welche Herausforderungen kamen von da an auf Sie zu?

Rosa Rühl, Gründungsmitglied des Wasserturms und geübte SPD-Politikerin, hatte von Anfang an gesagt, dass wir kein Geld von der Stadt wollten. Doch wie sollten wir an Geld kommen? Für den Tag der offenen Tür hatte Günter Urban einen Linolschnitt vom Wasserturm angefertigt, und die Drucke waren in Nullkommanix verkauft. Sie kosteten auch nur zehn Mark. Aber mit hundert verkauften Stücken ergab das schon mal eine ganze Menge. Beim allerersten Gründungstreffen hatte ja jeder noch sein Portemonnaie gezückt und gesagt: "Na gut, ich gebe mal zwanzig Mark dazu."

Im ersten Jahr habe ich mich um die Kasse gekümmert - doch das ging schief, da ich mich mit Buchhaltung gar nicht auskannte. Rosa hat das später übernommen, sie ist perfekt darin. Später hatte sie die Idee, Kunstauktionen zu veranstalten, und das hat uns wirklich über die Runden gebracht. Wir brauchten ja sowieso nur Licht für Strom, Heizkörper haben wir irgendwann einbauen lassen, Klos hatten wir keine. Ach ja, als die Klos endlich da waren, das war eine tolle Sache.

Die kamen mit dem späteren Umbau des Wasserturms?

Nein, das war erst später. 2003 war die lange Umbauphase, von da an führte die Treppe endlich bis in das oberste Stockwerk. Das war fünf Jahre nach der Gründung und ein großer Einschnitt: Unser erster Vertrag mit der Stadt war abgelaufen und wir haben einstimmig für eine Fortsetzung gestimmt. Das war schön: Unser Gremium war immer harmonisch.

Nun noch einmal zu Ihnen: Was hat Sie über mehr als zwanzig Jahre hinweg angetrieben weiterzumachen?

Es hat mir Spaß gemacht.

So einfach?

Ja, ich rede gerne mit Menschen. Wenn ich oben Aufsicht hatte, mussten immer irgendwelche Besucher - und es waren ja nicht immer viele Besucher, manchmal nur ein Pärchen auf einmal - eine halbe Stunde mit mir reden. Aber sicher, das Wort ist bei der Feier am Donnerstagabend gar nicht gefallen, weil es mir auch nicht so bewusst war: Ich habe auch weitergemacht, weil ich stolz darauf bin, was wir geschafft haben.

Als im Juni Gudrun Ullrich zur neuen Vorsitzenden gewählt worden ist, haben Sie ihr zugesichert, Sie weiterhin tatkräftig zu unterstützen. Ganz ehrlich, können Sie sich wirklich von der Arbeit am Wasserturm verabschieden?

Nein, aber nun bin ich ja Ehrenvorsitzende. Sepp Baur hat gesagt, ich kann weiterhin zu jeder Sitzung kommen.

Aber Sie haben den Vorsitz doch abgegeben, um mehr Zeit zu haben?

Für die Familie, genau. Die Familie wächst, ich habe acht Kinder und im April bekomme ich das dritte Urenkelkind. Aber nun kann ich unverbindlich zum Wasserturm gehen - das ist viel besser, weil ich dafür dann keine Familientermine verschieben muss.

Sie werden sich also künftig nicht raushalten?

Nein, ganz ehrlich, das könnte ich auch nicht. Was mir auch noch fehlt am Wasserturm: Wir machen zwar viele Projekte mit Kindern, aber ich würde gerne wieder mehr Schüler und junge Erwachsene involvieren. Um sie mit dem Wasserturm vertraut zu machen, auch in der Hoffnung, dass sie später mal - wenigstens als Besucher - vorbeikommen.

Machen Sie sich Sorgen darum, dass sich kein Nachwuchs für den Wasserturm findet?

Sorgen mache ich mir nicht, aber ich denke darüber nach. Die Ausstellungen sind nicht so toll besucht. Wenn es ein aktiver Künstler ist, kommen auch viele Leute - zur Vernissage. Aber danach sitzt man da alleine in der Aufsicht und kann zum Fenster rausgucken.

Was meinen Sie, woran liegt das?

Das weiß ich nicht. Die Dachauer gehen nicht hin, die meisten sind Zufallsbesucher aus dem Schlossgarten. Die Dachauer Kunstinteressierten sind voll ausgefüllt, sie gehen in die KVD, die Gemäldegalerie, die städtischen Einrichtungen, und erst dann kommen wir. Es gibt zu viel.

Trotzdem haben Sie den Wasserturm im Laufe der Jahre zu einer Institution der Dachauer Kunstszene aufgebaut. Was fehlt ihm heute und wie könnte er noch attraktiver werden?

Ich würde vielleicht gerade an die Anfänge zurückkehren, zum Beispiel zur Walpurgisnacht. Wir haben damals mehr Feste gefeiert. Das habe ich nun zwar nicht mehr zu bestimmen, aber solche Ideen werde ich weiter einfließen lassen. Anders würde ich es gar nicht aushalten.

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