Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Wege des Herrn:Den Frommen auf der Spur

Wer sich auf eine spirituelle Wanderung begeben will, muss nicht auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela laufen. Eine neue SZ-Serie zeigt, dass es auch rund um München eindrucksvolle Pilgerstrecken gibt

Von Karin Kampwerth

"Hat Hape Kerkeling den Jakobsweg ruiniert?", fragte 2007 ein Jahr nach Erscheinen des millionenfach verkauften Bestsellers "Ich bin dann mal weg" das SZ-Magazin ketzerisch. Denn der Wanderbericht des Entertainers über den 800 Kilometer langen "Camino Francé" durch den Norden Spaniens zum Grab des Heiligen Jakob in Santiago de Compostela hat einen regelrechten Pilger-Boom ausgelöst. Bilder vom Schlangegehen auf dem klassischsten aller Jakobswege sind seither keine Seltenheit. Der Wunsch nach innerer Einkehr und Entschleunigung kann im Trubel schon einmal untergehen.

Dabei geht es beim Pilgern nicht zuerst um einen "Frömmigkeitsdienst", wie der Tölzer Pastoralreferent und Pilgerbegleiter Herbert Konrad sagt. Auf die Wanderschaft mache man sich, um die spirituelle Kraft zu erleben. Dazu muss man weder nach Spanien noch nach Portugal reisen, wo die beliebtesten Jakobswege verlaufen. Es reicht, die S-Bahn nach Ebenhausen-Schäftlarn oder nach Dachau zu nehmen oder mit der U-Bahn zum Sendlinger Tor zu fahren, ein paar Minuten zur Jakobskirche am Unteren Anger zu laufen und von dort aus zu starten. Denn auch durch Oberbayern zieht sich ein Netz von Jakobswegen. Die schönsten in der Region einschließlich anderer Pilgerwege stellt die SZ in einer täglichen Serie bis einschließlich Samstag, 22. Juni vor. "Im Prinzip beginnt der nächste Jakobsweg nämlich vor der eigenen Haustür", sagt die Weyarner Pilgerbegleiterin Susanne Schwarzenböck. Denn seit Hape Kerkelings Werbewerk engagierten sich viele Ehrenamtliche, um die alten Jakobswege entlang der Jakobskirchen wieder auszuschildern. Schwarzenböck arbeitet für das Bayerische Pilgerbüro in München, das Reisen auf Jakobswegen anbietet und auch über die Voraussetzungen für die spirituelle Wanderschaft informiert. Auf der Webseite heißt es etwa, dass für die Ausrüstung ähnliche Regeln gelten wie für das Wandern in den Bergen. Es brauche Schutz vor Sonne und Kälte und die Dinge des täglichen Bedarfs sollten den Rucksack nicht zu schwer machen. Ganz weltlich wird empfohlen, bei Körperpflegemitteln Kleinpackungen zu nutzen. Als Faustregel geben die Profi-Pilger aus: "Der gepackte Rucksack, einschließlich der gefüllten Getränkeflaschen, soll zehn Kilo bei Männern nicht überschreiten. Bei Frauen ist es ratsam, unter diesen zehn Kilo zu bleiben."

So viel müssen die Wanderer auf den Wegen rund um München nicht mitschleppen, denn die Routen sind im Schnitt nicht länger als 20 bis 25 Kilometer. Geübte Wanderer schaffen das an einem Tag. Wer mit mehr Muße oder auch mit kleineren Kindern oder älteren Leuten unterwegs ist, übernachtet zwischendrin. Für Susanne Schwarzenböck bedeuten die Jakobswege in der Region einen guten Einstieg, um sich irgendwann auf eine der großen, bekannten Routen zu machen. Wobei es den einen richtigen Weg nicht gebe. "Aber viele wollen dann doch einmal in Santiago de Compostela ankommen", weiß die Reiseleiterin, die sich im Frühling und Sommer gut einmal im Monat auf Wanderschaft begibt. Nächste Woche geht es schon wieder mit einer Gruppe Richtung Spanien. Besonders freut sich Schwarzenböck aber auf eine ganz neue Route, die sie demnächst abwandern will: Der Marienweg, der über 132 Kilometer von Maria Schmolln in Österreich nach Altötting führt.

Es muss nicht immer ein Jakobsweg sein, sagt auch der Tölzer Pastoralreferent Herbert Konrad. Denn der Sebastianiweg von Wasserburg nach Ebersberg, der Sankt Rasso-Weg zwischen Ammer- und Starnberger See oder der Martinsweg durchs Erdinger Land erfüllen genauso, was sich Pilger erwarten: Ruhe, Natur, Stille, Begegnungen mit anderen und sich selbst. Jakobswege seien aber nun einmal bekannter, weil man sich hier in einer großen Community befinde und es eine Menge Literatur dazu gebe, sagt Konrad. Dabei seien die Pilgerwege in der Region nicht so überlaufen, "und die Einladung zur Entschleunigung in der Natur ist größer". Für Susanne Schwarzenböck steht unabhängig von der Strecke das miteinander Gehen und miteinander Schweigen im Mittelpunkt des Pilgerns. Dazu kommen die spirituellen Impulse, der Duft der Pflanzen und die nicht aufgesetzten Gesprächsrunden, wie sie sagt. Dass der Rhythmus des ruhigen Gehens sich auch neurologisch auswirke, sei in vielen Studien nachgewiesen. Es gebe Menschen, die beim Pilgern das erste Mal seit Jahren wieder eine Beichte ablegen würden. Oder aber Dinge ansprechen, die sie jahrelang nicht ausgesprochen haben. "Man kommt eben in einen anderen Modus", schwärmt Schwarzenböck, "in den Modus der Muße".

Diese Pilgerwege werden in den nächsten Wochen in der SZ-Serie "Wege des Herrn" vorgestellt:

Jakobsweg in München

  • Start: Mariensäule am Marienplatz oder Provinzialat der Armen Schulschwestern, Unterer Anger 2
  • Ziel: Kloster Schäftlarn
  • Länge: 24 Kilometer
  • Gehdauer: Fünfeinhalb Stunden
  • Kinderwagentauglich: Ja
  • Fahrradtauglich: Ja
  • Anschauen: Andachtsstätte "Marienklause", Georgenstein, Kloster Schäftlarn
  • Pause machen: Gaststätte Brückenwirt hinter der Grüwalder Brücke

Jakobsweg Isar-Loisach-Leutascher Ache-Inn (Tölz-Wolfratshausen)

  • Start: Kloster Schäftlarn
  • Ziel: Eurasburg
  • Länge: 22 Kilometer
  • Gehdauer: Fünf Stunden
  • Kinderwagentauglich: Ja
  • Fahrradtauglich: Ja
  • Anschauen: Kirche St. Benedikt; die denkmalgeschützte Huf- und Wagenschmiede Gelting
  • Pause machen: Landgasthof "Alter Wirth" in Gelting

Münchner Jakobsweg im Landkreis Starnberg

  • Name: Münchner Jakobsweg
  • Start: Schäftlarn
  • Ziel: Andechs
  • Länge: 30 Kilometer
  • Gehdauer: Sieben Stunden
  • Kinderwagentauglich: Ja (für Sportliche)
  • Fahrradtauglich: Ja
  • Anschauen: Kloster Schäftlarn, der Starnberger See, JVA Rothenfeld, Kloster Andechs
  • Pause machen: Maisinger See; Klostergasthof oder Bräustüberl in Andechs

Maria Hilf-Wallfahrtsweg im Landkreis Freising

  • Start: Au, Mainburger Straße 6
  • Ziel: Haarbach
  • Länge: 4,3 Kilometer
  • Gehdauer: Eine Stunde
  • Kinderwagentauglich: Nein
  • Fahrradtauglich: Ja
  • Anschauen: Die Kapelle Maria Hilf aus dem Jahr 1811 mit vielen Votivtafeln und Kerzen von Gläubigen, die dort Hilfe gesucht haben.
  • Pause machen: Gasthaus Spitzer in Osterwaal, Lohweg 10

Klausenweg von Herzog Wilhelm V. im Landkreis München

  • Start und Ziel: Altes Schloss Schleißheim, Maximilianshof 1
  • Länge: 17,6 Kilometer
  • Gehdauer: Vier Stunden
  • Kinderwagentauglich: Ja
  • Fahrradtauglich: Ja
  • Anschauen: Neun Tafeln mit Informationen zu den früheren Klausen; Renatuskapelle neben Schloss Lustheim
  • Pause machen: Schlosswirtschaft "Alm" mit Biergarten, Maximilianshof 2; Waldrestaurant Bergl mit Biergarten

Münchner Jakobsweg im Landkreis Dachau

  • Start: St. Jakobus in Vierkirchen
  • Ziel: St. Jakob in Dachau
  • Länge: 23 Kilometer
  • Gehdauer: Sieben Stunden
  • Kinderwagentauglich: Nein
  • Fahrradtauglich: Ja
  • Anschauen: Heilwasserbrunnen und Wallfahrtskirche Mariä Verkündigung in Mariabrunn; Dachauer Schloss mit Hofgarten
  • Pause machen: Klosterwirt Schönbrunn mit Biergarten, Röhrmoos; Schlosswirtschaft Mariabrunn mit idyllischem Biergarten, Gut Mariabrunn

Sebastianiweg im Landkreis Ebersberg

  • Start: Alte Innbrücke in Wasserburg
  • Ziel: Stadtpfarrkirche St. Sebastian in Ebersberg
  • Länge: 29 Kilometer
  • Gehdauer: Sechs Stunden
  • Kinderwagentauglich: Nein
  • Fahrradtauglich: Ja
  • Anschauen: Historische Altstadt Wasserburg; Kapelle zum Dank der Heiligen Maria bei Lutzhäusl (Pfaffing)
  • Pause machen: Pfaffinger Hof, Pfaffing; Gasthof Ramsl, Steinhöring

Rasso-Pilgerweg im Landkreis Fürstenfeldbruck

  • Start: Bahnhof Herrsching
  • Ziel: Wallfahrtskirche St. Rasso Grafrath
  • Länge: 15 Kilometer
  • Gehdauer: Vier Stunden
  • Kinderwagentauglich: Nein
  • Fahrradtauglich: Nicht für Rennräder
  • Anschauen: Wallfahrtskirche St. Rasso in Grafrath
  • Pause machen: Griechische Taverne "Athinas" mit Biergarten; Gasthof zur Post, Grafrath

Drei Etappen des "Martinusweg - Via Sancti Martini" im Landkreis Erding

Erste Etappe

  • Start: Langenpreising
  • Ziel: Langengeisling
  • Wegstrecke: 15 Kilometer
  • Gehdauer: Vier Stunden
  • Kinderwagentauglich: Nein
  • Fahrradtauglich: Ja
  • Anschauen: Die barocken St. Martins-Kirchen in Langenpreising, Lohkirchen und Langengeisling. Der Thenner See ist ein toller Badesee mit einer sehr guten Kiosk-Gastronomie.
  • Einkehren: Gasthof Pfanzelt in Langengeisling, Alte Römerstraße 169, Erding, Telefon 08122/892456

Zweite Etappe

  • Start: Langengeisling
  • Ziel: Oberding
  • Wegstrecke: 13 Kilometer
  • Gehdauer: Dreieinhalb Stunden
  • Kinderwagentauglich: Nein
  • Fahrradtauglich: Ja
  • Anschauen: Die Stadtpfarrkirche St. Johannes in Erding, ein Musterbeispiel der spätgotischen Landshuter Bauschule mit einem überlebensgroßes Chorbogen-Kreuz von Hans Leinberger
  • Einkehren: Brauerei-Gasthof zur Post, Friedrich-Fischer-Straße 6, Erding, Telefon 08122/999 801 06

Dritte Etappe

  • Start: Oberding
  • Ziel: Marzling
  • Wegstrecke: 19 Kilometer
  • Gehdauer: Fünf Stunden
  • Kinderwagentauglich: Nein
  • Fahrradtauglich: Ja
  • Anschauen: Die St. Martins-Kirche in Niederding mit ihren herrlichen Rokoko-Altären und der außergewöhnlichen Schiffskanzel des Bildhauers Christian Jorhan: Vorne sitzt Jesus, Petrus rudert und Andreas steuert
  • Einkehren: Pizzeria da Vito, Isarstraße 36, Marzling, Telefon 08161/910 021 06

Mehr Infos zum Pilgern in der Region: www.erzbistum-muenchen.de/spiritualitaet/pilgern

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4481709
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.06.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.