Walter Gaudnek in Altomünster:Auf Heimatbesuch

Gaudnek im JUZ Altomünster

Walter Gaudnek (Mitte) zu Besuch im JUZ Altomünster.

(Foto: Horst Kramer)

Der Pop-Art-Künstler Walter Gaudnek, der mittlerweile in Amerika lebt, hat anlässlich seines 90. Geburtstags sein zweites Zuhause Altomünster besucht. Jugendliche haben ihm dort eine Schaufenster-Ausstellung gewidmet

Von Horst Kramer, Altomünster

Seine Schritte sind klein, er nutzt einen robusten Spazierstock, auf dem er sich beim Gehen abstützt. Doch dass sind die einzigen Anzeichen, dass der Pop-Art-Künstler Walter Gaudnek schon eine geraume Zeit auf dieser Erde verbracht hat. Ansonsten zeigt er sich bei seinem Besuch im Altomünsterer Jugendzentrum witzig, schlagfertig, interessiert und nachdenklich. Mit seinen langen Haaren, den abgetragenen Jeans, einem blauen Sweatshirt, der Baseball-Cap wirkt der Meister eher wie einer der coolen Beatniks aus den Romanen des Sechziger-Jahre-Kult-Schreibers Jack Kerouac ("On the Road"). Nur halt ein wenig älter. Kaum hat er sich auf einem alten Sofa niedergelassen, fragt er: "Wir sind doch per Du, oder?"

Der Anlass, der den seit Jahrzehnten in den USA lebenden Künstler zurück in seinen zweiten Heimatort Altomünster und in das dortige Jugendzentrum (JUZ) gebracht hat, ist sein 90. Geburtstag. Eine Gruppe von Jugendlichen hatte unter der Ägide des JUZ-Leiters Marlon Köhler und der Kulturreferentin Susanne Köhler ein Multimedia-Event zu Ehren des Malers auf die Beine gestellt: Bilder fotografiert, Texte geschrieben, sie vertont sowie eine Art Schnitzeljagd durch den Ort organisiert. In rund zwanzig Schaufenstern in der Altomünsterer Ortsmitte sind seit dem 1. Juli Werke Gaudneks ausgestellt. Mittels QR-Codes lassen sich dazu die Audios der Jugendlichen abrufen. Dafür wollte sich Gaudnek vor Ort bei den Macherinnen und Machern bedanken.

Dass sein Besuch mit diversen Reden verbunden sein muss, war Gaudnek vorher klar. So war er sichtbar erfreut, dass dieser offizielle Teil schon nach zwei kurzen Dankes- und Begrüßungsworten abgehandelt war: Erst dankte Susanne Köhler allen Beteiligten, dann schloss sich ihr Josef Steinhardt an, der Vorsitzende der Bürgerstiftung Altomünster, die das Projekt finanziell unterstützt hat. "Was, das war's schon?", kommentierte Gaudnek mit einem gespielten Erleichterungsseufzer.

Es folgte ein loses Gespräch, sehr ungezwungen. Sein Alter beschäftigt ihn eigentlich nie: "Wenn mich jemand nach dem Alter fragte, antwortete ich meist: Ich bin 1931 geboren, rechnen Sie es sich selber aus." Erst als er seine Lehrtätigkeit vor rund anderthalb Jahren beendete, bekam er einen Schreck über die vergangene Zeit und seine Zukunft. Aber nur kurz. "Als Künstler denkt man immer an das nächste Werk", berichtet er. "Ich jetzt gerade an das übernächste", legt er mit einem Augenzwinkern nach.

Vernissage Gaudnek

Neben der Ausstellung in Gaudneks zweiter Heimat sind Werke des Künstlers derzeit auch in der Schalterhalle der Sparkasse in Dachau zu sehen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Das zehnköpfige Macherinnen- und Macher-Team der Schaufenster-Vernissage war durch vier regelmäßige JUZ-Gänger vertreten: Nilayla Lober, 12, Florentina Ofer, 13, Adrian Jesic, 16, und Simon Mederer, 18. Alle vier hatten Audios eingesprochen, Adrian Jesic zudem einige der Bilder fotografiert; die Mädchen managten das Medien-Projekt zusammen mit Marlon Köhler.

Das Quartett war sichtlich beeindruckt von dem Mann, den sie bis dato nur durch seine Werke kannten, die unter anderem in der Altomünsterer Grund- und Mittelschule, im Rathaus oder auch der Sparkasse hängen. Etwa bei einer Aussage wie: "Ich bin Altomünster verpflichtet und will das zurückgeben, was mit der Ort gegeben hat: eine Heimat." Gaudnek erzählt von seinem Heimatort Fláje (deutsch: Fleyh), ein winziges Dorf im tschechischen Riesengebirge nahe der Grenze zu Deutschland. Er berichtete von der Flucht der Familie nach dem Zweiten Weltkrieg nach Westen und der schlussendlichen Ankunft in Altomünster. Gaudneks Mutter und Schwestern sind dort begraben. Die Jugendlichen hörten gebannt zu. Sich direkt an den Künstler zu wenden, trauten sie sich nicht. Gaudnek dankte ihnen zwar gleich zu Anfang, wartete dann aber ab, welchen Ablauf sich die Organisatoren ausgedacht hatten. Die wiederum wollten den 90-Jährigen offenbar nicht zu lange in Anspruch nehmen. So kam es zu keinem echten Dialog der Generationen. Dabei war Gaudnek zu jeder Aktion bereit. Bei den anschließenden Fotos für Presse und Gemeinde übernahm er die Leitung, nahm selber unterschiedliche Posen ein - "Fotos müssen immer anders sein" - und animierte die Umstehenden zum Mitmachen.

Nur einmal im Laufe des Nachmittags wurde er streng. Sabine Köhler und Siegfried Surek, der Leiter des Altomünsterer Gaudnek-Museums, hatten ein großes Digitalisierungsprojekt der in Gaudneks Atelier gelagerten und im Museum ausgestellten Werke vorgeschlagen. Gaudnek reagierte skeptisch: "Bilder sind empfindlich", stimmte dann aber doch der Aufnahme von rund einem Dutzend ausgewählter Werke zu.

An den SZ-Reporter gewandt, meinte Gaudnek: "Eigentlich sind wir Kollegen. In den Fünfzigerjahren berichtete ich für die Augsburger Allgemeine vom Lokalgeschehen in Schrobenhausen." So wollte er eines Tages den bekannten Kabarettisten Werner Finck (1902 - 1978) nach einem Auftritt interviewen, wurde aber nicht in den Saal gelassen. "Da habe ich mich einfach durch den Hintereingang rein geschlichen und doch mit ihm gesprochen", grinst Gaudnek. Vermutlich war er mit Finck auch gleich per Du.

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