Wallfahrtsstätte Ainhofen:Das ewige Wunder

Zur Kirche der Unbefleckten Empfängnis Mariä in Ainhofen pilgern die Gläubigen seit 500 Jahren. Am Montag wird das Jubiläum gefeiert

Von Sonja Siegmund

"Das bairisch Volk ist geistlich, schlicht und gerecht, läuft gern kirchferten, hat auch viel kirchfahrt...", heißt es in der um 1530 entstandenen Chronik des bayerischen Geschichtsschreibers Johannes Thurmair, genannt Aventinus. In dieser Charakterisierung wird auch das rege Wallfahrtsleben, insbesondere im 16. Jahrhundert, angesprochen, an welchem Bayern mit weithin berühmten, aber auch vielen kleinen Gnadenstätten großen Anteil hatte. Zu letzteren dürfte auch die Wallfahrt zur Kirche der Unbefleckten Empfängnis Mariä in Ainhofen gehören, die 2019 seit 500 Jahren besteht. Mit einer Vesperandacht in der Klosterkirche Indersdorf und einem Festgottesdienst in Ainhofen wird am Montag, 3. Juni, dieses Jubiläum gefeiert.

Im üblichen Sprachgebrauch wird unter "Wallfahrt" der Besuch geheiligter Stätten in gewissen Nöten und Anliegen verstanden. "Kirchfahrten" oder "Kreuzgänge" werden Wallfahrten von Dorf- und Pfarrgemeinden oder auch von mehreren Nachbardörfern bezeichnet, bei bestimmten, das Gemeinwohl betreffenden Anlässen. Zumeist verpflichten sich die Wallfahrer für viele Jahre oder sogar für "ewige Zeiten" daran teilzunehmen. Unter "Bittgang" ist ein an bestimmten Tagen üblicher Rundgang um die Feldflur gemeint, um günstige Witterung, Verschonung vor Unwetter und um eine gute Ernte zu bitten. Die frühesten, seit dem vierten Jahrhundert überlieferten Wallfahrten sind die Pilgerfahrten zu den heiligsten Stätten in Jerusalem und Bethlehem, zum Petersdom in Rom und zum Grab des Apostels Jakobus nach Santiago de Compostela. Der erste Wallfahrtskult im heutigen Bayern zum Grab der heiligen Afra in Augsburg ist Mitte des sechsten Jahrhunderts belegt.

Eine der Muttergottes geweihte Kirche in Ainhofen wurde erstmals 1229 als zu Indersdorf gehörend erwähnt. In den Urkunden des Augustiner-Chorherrenstifts wird das Gotteshaus allerdings erst 1458 genannt. Die Seelsorge der Ainhofener übernahmen Vikare aus dem Kloster bis zu dessen Auflösung 1783. Gegenstand der Verehrung ist eine archaisch anmutende, kultbildhafte Skulptur mit nur 39 Zentimetern Höhe.

Die aus Weidenholz geschnitzte Gottesmutter gilt als das älteste Marien-Gnadenbild der Erzdiözese München-Freising. Dem Stil entsprechend dürfte die um 1130 geschaffene Skulptur der milchspendenden Muttergottes ("Maria lactans") im Süden Deutschlands entstanden sein. Für die Vermutung spricht auch die Tatsache, dass dieser Typus der Maria lactans hier öfters vorkommt.

Wallfahrtsstätte Ainhofen: Der Legende nach ließ sich die Maria lactans nicht aus der Kirche entfernen.

Der Legende nach ließ sich die Maria lactans nicht aus der Kirche entfernen.

(Foto: Toni Heigl)

Eine Ablassverleihung von 1458 berechtigt zu der Annahme, dass die Wallfahrt bereits um 1450 bestanden hat. Nach der Überlieferung soll die Verehrung aber erst 1519 durch ein Wunder ausgelöst worden sein. Über dieses Wunder berichtet die Penzl-Chronik von 1745, die sich auf eine Erzählung im "Marianischen Atlaß" von 1673 beruft. Danach sollte der Hilfspfarrer Vitus die Gnadenfigur in eine Maler-Werkstatt bringen. Doch die kleine Skulptur ließ sich zwar noch aus der Kirche, nicht aber über den Friedhof hinaus tragen. Wie von einer unsichtbaren Kraft seien die Träger zurückgehalten worden. Unter den Zuschauern sei auch ein Priester gewesen, der eine Messe in Ainhofen zelebrieren sollte. Als alle Versuche fehlschlugen, habe der Gottesmann sich daran erinnert gehört zu haben, dass, wenn man Frauen an der Brust berühre, diese hochsprängen und so fortbewegt werden könnten. Danach solle er ein Messer herausgezogen und begonnen haben, in die Brust der Marienfigur zu stechen. Im selben Augenblick sei ein Schleier über dessen Augen gezogen und der Priester erblindete. Worauf die erschrockenen Zuschauer das Gnadenbild unverzüglich wieder in die Kirche zurückbrachten.

Diese Wundernachricht verbreitete sich schnell und ließ die Wallfahrt zur Ainhofener Jungfrau erheblich ausweiten. Nach einer anderen Überlieferung habe sich das Gnadenbild bei einer Prozession nicht aus dem Friedhof hinaustragen lassen. Eine weitere Legende berichtet, dass die Figur auf einem Pferdefuhrwerk in die Klosterkirche von Indersdorf gebracht werden sollte. Pferde und Wagen seien indes auf der ersten Anhöhe stehen geblieben und konnten nicht mehr fortbewegt werden. Allen Legenden gemeinsam ist wohl die Aussage, dass Wallfahrtsort und -bild nicht getrennt werden sollen. Zurückgehen dürften diese Erzählungen auf die Bilderstürme in der Anfangszeit der Reformation. Damals könnte es Bestrebungen gegeben haben, das von Wallfahrern kultisch verehrte Gnadenbild vom Altar zu entfernen.

Welche bedeutsame Rolle im religiösen Leben das Wallfahren mit seinen vielfältigen Bräuchen gespielt hat, zeigt die wachsende Zahl der oft weit entfernten Gnadenstätten. Die Aufklärung Ende des 18. Jahrhunderts brachte für die zahlreichen Wallfahrten, Kreuz- und Bittgängen indes einschneidende Beschränkungen. So untersagten drei kurfürstliche Generalmandate zwischen 1785 und 1804 Wallfahrten an weiter entfernte Orte und viele Bittgänge. Auch die Einstellung der Geistlichkeit zur Wallfahrt und den damit verbunden Kulten war nicht immer nur positiv. Bereits im Spätmittelalter kritisierten die Kirchenoberen die gestiegene Wundersucht des Volkes, abergläubische Praktiken sowie übermäßige Zechereien in den Gasthäusern und Pilgerherbergen. Insbesondere aus dem Dachauer Land sind Klagen der Bauern wegen Arbeitsausfällen infolge mehrtägiger Wallfahrten ihrer "Ehalten", also ihrem Gesinde, belegt.

Trachtenwallfahrt

Gläubige strömen zur Marienstatue nach Ainhofen - seit 500 Jahren.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die heute zum Pfarrverband Indersdorf zählende Kirche in Ainhofen wurde aufgrund des verstärkten Wallfahrerstroms von 1682 bis 1688 um mehr als 18 Schuh - das entspricht 5,20 Meter - verlängert. Bis heute hängen im Altarraum und unter der Empore zahlreiche Votivbilder zum Dank für die Errettung von Menschen und Tieren vor Gefahren. Das älteste Bild wurde um 1650 für ein "Knäbel mit einem Brichl oder Leibschaden" gestiftet. Andere Votivbilder spendeten dankbare Gläubige für jungfräulichen Beistand bei Krankheiten, Unglücksfällen oder Kriegsnöten. Unter all den bildlichen Danksagungen sind auch zwei Votivbilder der Gemeinden Indersdorf um 1800 und Langenpettenbach von 1945. Noch heute pilgern Indersdorfer Gläubige alljährlich nach Ainhofen zum Dank für die Bewahrung der Ortschaft vor den Franzosenkriegen Ende des 18. Jahrhunderts.

Die Jubiläumsfeier am Montag, 3. Juni, mit Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, Administrator des Patriarchates von Jerusalem und Ordensbruder der Franziskaner, beginnt um 17.30 Uhr mit einer feierlichen Vesper in der Klosterkirche Indersdorf und anschließendem Stehempfang im Sakristeigang. Von 19.30 Uhr an wird eine Pontifikal-Messe in der Wallfahrtskirche Ainhofen gefeiert.

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