Vor Landtagswahlen:Bundesweiter Appell gegen Geschichtsrevisionismus

Lesezeit: 2 Min.

Auch die KZ-Gedenkstätte in Dachau unterstützt den Appell. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ein breites Bündnis aus Gedenkstätten- und Museumsleitern warnt eindringlich vor den Gefahren für die Erinnerungskultur durch verzerrte Geschichtsbilder und verurteilt die Bedrohungen gegen den Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Rund 60 Vertreter von KZ-Gedenkstätten, Museen, Universitäten und Kirchen haben wenige Tage vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen in einem eindringlichen Appell vor Geschichtsrevisionismus und Diskriminierung gewarnt. Die Unterzeichner des gemeinsamen Schreibens, darunter auch die Leiter der KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg, beobachten mit Sorge eine Zunahme von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. „Die Stigmatisierung und Diffamierung von Minderheiten wie auch Gewalttaten haben längst erschreckende Ausmaße erreicht“, heißt es in einer Mitteilung, welche die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen veröffentlicht hat.

Dieses „bedrohliche Anwachsen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ basiere häufig auf rechtsextremen, völkisch-nationalistischen Vorstellungen von Politik und Gesellschaft, die mit revisionistischen Geschichtsbildern verbunden seien, heißt es darin weiter. Diese verzerrten Geschichtsbilder würden zum Teil „neonationalsozialistische Schattierungen“ aufweisen. „Der besorgniserregende Erfolg rechtsextremer Parteien und Gruppierungen gefährdet unsere vielfältige Kultur und Erinnerungslandschaft.“ Thüringen sei eines der Bundesländer, in denen diese Tendenz derzeit besonders deutlich zum Tragen kommen würde, so die Unterzeichner.

„Das schüchtert uns aber nicht ein, sondern wir werden weitermachen“

Diese verurteilen auch „aufs Schärfste“ die Bedrohungen gegen den Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner. Unbekannte hatten Wagners Konterfei auf eine Todesmarschstele in der Gedenkstätte Mittelbau-Dora geklebt, nachdem Wagner in einem Brief an thüringische Wähler dem rechtsextremen AfD-Landesverband um Spitzenkandidat Björn Höcke vorgeworfen hatte, die Erinnerung an die NS-Verbrechen tilgen zu wollen. Auch hatte Wagner eine Mail erhalten, in der ihm eine „Weimarer Montagsspaziergängerin“ geschrieben hatte, dass er wie ein verstorbener SPD-Landtagsabgeordneter auch noch seine „Strafe“ erhalten werde.

Jens-Christian Wagner und die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora beziehen immer wieder Stellung gegen Rechtsextremismus und Geschichtsrevisionismus. In einem Video, das die Organisation Campact auf der Plattform X veröffentlichte, sagt Wagner, Gedenkstätten würden regelmäßig von Rechtsextremen und Neonazis bedroht. „Das schüchtert uns aber nicht ein. Sondern wir werden weitermachen mit unserer quellengestützten, wissenschaftlich basierten Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen.“ Dies sei grundlegend für die demokratische Selbstverständigung.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt haben die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und die Friedrich-Schiller-Universität Jena die Website „Geschichte statt Mythen“ veröffentlicht. Dort wollen die beiden Einrichtungen darüber aufklären, wie Rechtsextreme versuchen, die Geschichte umzudeuten. Die Unterzeichner des bundesweiten Appells erklären ihre Unterstützung für dieses Engagement: „Es gehört zu den Grundaufgaben zeithistorischer Gedenkstätten und Erinnerungsorte, allen geschichtsrevisionistischen Bestrebungen entgegenzutreten und sich für die uneingeschränkte Geltung der Menschenrechte einzusetzen.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPorträt
:Einer mit Geschichte

Sein Elternhaus: vaterländisch. Seine Freunde: völkisch. Seine Mission: Erst Thüringen retten – und dann die ganze Nation. Wie aus dem Lehrer Björn Höcke Deutschlands bekanntester Rechtsextremist wurde – und wer ihm dabei geholfen hat.

Von Roman Deininger, Sebastian Erb, Jan Heidtmann, Léonardo Kahn, Lena Kampf, Roland Preuß, Hannes Vogel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: