Süddeutsche Zeitung

Wahlbeteiligung:Absage an die Politik

Die oft beklagte Politikverdrossenheit hat ihren Grund in der Politik selbst - auch auf kommunaler Ebene hat der zuweilen selbstherrliche Politikstil gerade der dominierenden CSU Vertrauen verspielt.

Von Helmut Zeller

Mit Blick auf die verheerend schlechte Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen im Landkreis muss man sagen: Die Politik insgesamt ist der Verlierer. Das zeigt eine einfache Rechnung. 42 Prozent von 111 000 Wahlberechtigten haben an der Stichwahl um den Posten des Landrats teilgenommen. Stefan Löwl (CSU) bekam 23 735 Stimmen - auf dieser Grundlage regiert der neue Landrat einen Landkreis mit 142 000 Einwohnern. Wer da noch über einen Wahlsieg sprechen mag, verkennt, dass die Kommunalpolitik den Kontakt zum Bürger - die so gerne beschworene Bürgernähe - längst schon verloren hat. Nun ist das Interesse an Kommunalwahlen und noch mehr an Stichwahlen geringer ausgeprägt als bei den großen Wahlen. Aber das kann nun wirklich kein Trost sein. Im ersten Wahldurchgang am 16. März beteiligten sich noch 54 Prozent, im Jahr 2008 waren es 59 Prozent, sechs Jahre davor 63 Prozent der Wahlberechtigten. Das ist ein deutliches Warnzeichen: für alle Parteien.

Man kann jetzt Wählerschelte betreiben. Tatsächlich ist es erschreckend, dass so viele Landkreisbürger die Möglichkeit zur politischen Teilhabe nicht nutzten, gerade diesmal. In Karlsfeld waren es gar nur 26 Prozent, die für oder gegen einen nach 37 Jahren erstmals möglichen Politikwechsel stimmten. Sicherlich fühlen sich viele Karlsfelder München näher. Doch die oft beklagte Politikverdrossenheit hat ihren Grund in der Politik selbst - auch auf kommunaler Ebene hat der zuweilen selbstherrliche Politikstil gerade der dominierenden CSU Vertrauen verspielt. Jetzt auch noch: MdL Kreitmair meint, der Wahlsieg Florian Hartmanns (SPD) in der OB-Stichwahl sei nicht der Wunsch der Dachauer Bevölkerung gewesen. Weil nur 40 Prozent wählten. Hartmann könnte erwidern: Na und, was wollt ihr mit Eurem Ein-Drittel-Landrat! Nötig wäre jetzt aber, dass sich alle Gedanken machen würden - über die generelle Absage des Wählers an die Politik.

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Quelle:
SZ vom 01.04.2014
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