Klimaschutz steht auf der Prioritätenliste der Politik längst nicht mehr ganz oben – und laut Umfragen ebenso wenig für die Bürger. Das zeigt sich im Karlsfelder Bürgerhaus bei einer Informationsveranstaltung über die Wärmeplanung der Gemeinde. Der Festsaal ist randvoll bestuhlt, doch es sind kaum 50 Interessierte, die sich über die Transformation der Wärmeversorgung hin zur Treibhausgasneutralität informieren wollen. So klärt Vizebürgermeister Stefan Handl (CSU) gleich zu Beginn die Besucher auf, dass die mehr als 500 Stühle nicht auf übertriebenen Optimismus im Rathaus zurückzuführen seien. Die sind nur bereits für eine Großveranstaltung am folgenden Abend aufgestellt.
Doch einen gewissen Optimismus spürt man im Rathaus schon. Etwa als Handl in seiner Begrüßungsrede erklärt: „Wir sind uns alle einig, dass wir umdenken müssen.“ Er erinnert an die vielen vollgelaufenen Keller in Karlsfeld vor einem Jahr und betont: „Wir haben Verantwortung für die nächste Generation.“ Handl wie auch die Klimaschutzbeauftragte der Gemeindeverwaltung, Franziska Reitzenstein, weisen nicht ohne Stolz darauf hin, dass der Wärmeplan bereits in diesem Sommer fertig sein werde, obwohl man doch bis 2028 Zeit dafür gehabt hätte.
Kann MAN mit seinem Geothermie-Projekt auch Karlsfeld mit Fernwärme versorgen?
Wie die Wärmeplanung entwickelt wurde und zu welchen Ergebnissen man dabei gekommen sei, legt Sebastian Weck-Ponten von der Firma „energielenker projects GmbH“ in seinem Vortrag dar. Dabei macht er macht gleich einmal deutlich, dass es „keine einklagbaren Rechte und Pflichten“ gebe und dass es sich um „eine erste Orientierungshilfe, keine Detailplanung“ handle. Zunächst habe die Firma eine Datenerhebung und Bestandsanalyse der Gebäudesituation in Karlsfeld vorgenommen. Wenig überraschend dürfte sein, dass 76 Prozent der erfassten 4344 Gebäude Einfamilienhäuser sind. Aktuell wird in der Gemeinde zu 73 Prozent mit fossilen Energieträgern geheizt, doch als erfreulich betrachtet Weck-Ponten, dass Fernwärme aus dem Holzhackschnitzel-Heizkraftwerk mit 17 Prozent nach Gas und Öl bereits an dritter Stelle liegt und erneuerbare Energien immerhin neun Prozent ausmachen.

Auf verschiedenen auf Leinwand projizierten Karten zeigt Weck-Ponten beispielsweise auf, wo der höchste Wärmebedarf zu finden ist. Wenig erstaunen mag, dass, wie auf Ortsplänen deutlich zu erkennen ist, das Netz der Gasleitungen wesentlich dichter ist als das der in Karlsfeld erneuerbar erzeugten Fernwärme. Dann stellt der Experte dar, welche Potenziale in Karlsfeld für erneuerbare Energie vorhanden sind. Hinter Wärmepumpen, deren Leistungsfähigkeit als unbegrenzt gilt, liegt Solarthermie mit 839 Gigawattstunden – 14 davon auf Dächern, 825 auf Freiflächen – auf Platz zwei, gefolgt von 73 bis 90 Gigawattstunden aus Tiefengeothermie und 14 Gigawattstunden aus Biomasse. Ein noch weiter steigendes Potenzial für Wärmenetze bescheinigt Weck-Ponten der Gemeinde Karlsfeld, denn schon bald könne die MAN mit ihrem Geothermie-Claim Karlsfeld-Nord nicht nur den eigenen Betrieb, sondern auch die benachbarte Kommune mit Fernwärme versorgen. Er sieht daher gute Chancen für Karlsfeld, bis 2045 ohne fossile Energieträger auszukommen und damit bei der Wärmeversorgung treibhausgasneutral zu werden.
„Wir warten auf die Geothermie“
Eine Besucherin meldet sich und beklagt, man habe ihr bei der Gemeinde gesagt, dass derzeit ein Anschluss ans Fernwärmenetz nicht möglich sei. Da ergreift Martin Eberle, der Leiter der Gemeindewerke, das Wort. Momentan sei das Potenzial der Fernwärme ausgereizt, daher gebe es einen Anschluss-Stopp. „Wir warten auf die Geothermie“, erklärt er.
Im zweiten Vortrag des Abends liefert Thomas Bugert, Energieberater bei der Verbraucherzentrale Bayern, Informationen für Hausbesitzer, was sie in Zukunft in Bezug auf ihre Heizung erwartet und was sie am besten machen sollen. „Weg von fossiler Energie, hin zu erneuerbarer“, rät er. Denn, so betont er, bis 2045 werden die Preise für Öl und Gas kräftig ansteigen, während die Kosten etwa für den Strom, der für Wärmepumpen gebraucht wird, stabil bleiben. Anders als in den Horrorgeschichten über das Gebäudeenergiegesetz der Ampelregierung verbreitet, erläutert Bugert: „Laut Gesetz bleiben fossile Heizungen im Bestand bis 2044 erlaubt. Wenn sie kaputtgehen, müssen sie durch Anlagen ersetzt werden, die zu 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden.“ Von 2028 an werde das auch für Neubauten Pflicht. Klarer Favorit Bugerts für den Umstieg auf klimafreundliches Heizen ist die Wärmepumpe. Dafür gebe es zudem noch erhebliche Förderungen des Bundes, die bis zu 70 Prozent der Anschaffungskosten betragen könnten.