Süddeutsche Zeitung

Wachstum in Schwabhausen:Grundbesitz verpflichtet

Schwabhausen will moderat wachsen und einen Grundsatzbeschluss zur Wohnbaulandentwicklung fassen

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Die Gemeinde Schwabhausen soll wachsen. Zwar nicht zu viel, aber doch immerhin um ein Prozent der aktuellen Bevölkerung pro Jahr. In zehn Jahren würde das etwa 600 Bürger mehr bedeuten. Jetzt geht es der Gemeinde darum, den Bevölkerungszuwachs in bestimmte Bahnen zu lenken und hierfür ein entsprechendes Instrumentarium zu schaffen. Dieses soll ein Grundsatzbeschluss zur Wohnbaulandentwicklung liefern. Der Gemeinderat hat deshalb bereits im Mai einen Anwalt beauftragt, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln. In der jüngsten Sitzung des Rats wurde dieses vom Max Reicherzer, einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht, vorgestellt.

Es sind primär zweierlei Ziele, welche die Gemeinde in dieser Sache verfolgt. Sie möchte zum einen einer Überalterung der Bevölkerung vorbeugen und den Wegzug junger Leute verhindern, die einen eigenen Hausstand gründen wollen, in Schwabhausen aber nicht genügend Möglichkeiten hierfür finden. Und zum anderen will man langfristig auch eine "ausgewogene Bevölkerungsstruktur" erhalten, heißt es in dem Papier, über das der Gemeinderat jetzt diskutierte. Konkret: Nicht nur Wohlhabende, die sich den Bau eines eigenen Hauses oder den Kauf einer Wohnung leisten können, sollen im Ort Chancen bekommen, sondern auch diejenigen, die finanziell weniger gut gestellt sind. Deshalb ist auch der Bau von Miet- oder Sozialwohnungen angedacht.

Außerdem wird angestrebt, dass die Folgekosten des Bevölkerungswachstums von denjenigen bezahlt werden, die von Baulandausweisungen profitieren. Für zusätzliche Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kindergärten, die Kapazitätserweiterung der Wasserversorgung oder der Abwasserentsorgung sollen mithin weitgehend die Eigentümer der neu auszuweisenden Flächen aufkommen.

Laut dem vorgelegten Konzept ist vorgesehen, dass die Ausweisung neuen Baulands an die Zustimmung der Verkäufer zu einem Modell gebunden ist, wonach die Gemeinde 40 Prozent der Fläche zum gutachterlich festgelegten Preis von Bauerwartungsland oder unter Umständen auch noch günstiger aufkauft, während die restlichen 60 Prozent beim Verkäufer verbleiben. Der muss sich verpflichten, öffentliche Erschließungsflächen, Grün- und Ausgleichsflächen innerhalb des Planungsgebiets unentgeltlich an die Gemeinde zu übertragen. Außerdem soll er die Kosten für die Erschließung anteilig übernehmen.

Aber auch eine zeitliche Bindung für die Nutzung der neu ausgewiesenen Flächen ist geplant: Der Grundbesitzer soll vorab dazu verpflichtet werden, seine Parzellen binnen einer bestimmten Frist - etwa von fünf Jahren - entweder selbst zu bebauen oder an Bauwillige zu verkaufen. Bei der Vertragsgestaltung könnte laut dem Entwurfskonzept allerdings die familiäre Situation des Grundbesitzers berücksichtigt werden. So könnte dann, wenn noch kleinere Kinder da sind, einer längeren Zeitspanne bis zur tatsächlichen Nutzung zugestimmt werden. Leer ausgehen würden möglicherweise jedoch Nachkommen, die sich erst später im Leben für eine Ansiedlung im Heimatort entscheiden.

Dort, wo es um die Ausweisung nur einer kleinen Fläche geht, soll auf einen gemeindlichen Zwischenerwerb verzichtet werden und statt dessen andere vertragliche Mittel greifen. Für den Fall, dass Baurecht nur für eine Wohneinheit entsteht, soll ein städtebaulicher Vertrag die Selbstnutzung oder aber die Vermietung nach sozialen Kriterien an die örtliche Bevölkerung regeln - möglicher Weis ganz konkret durch eine Mietdeckelung.

Wie aber sollen Fälle behandelt werden, wo etwa in einem Gebäude mehrere Wohneinheiten, beispielsweise durch eine Einliegerwohnung, oder zwei Doppelhaushälften entstehen? Diese und ähnliche Fragen wurden in der Diskussion der Gemeinderäte aufgeworfen. Grundsätzliche Bedenken gegen sehr starke Einschränkungen der Grundverkäufer äußerte etwa Georg Sonnenberger (FWS): Grundbesitzer müssten über ihr Eigentum de facto auch verfügen können. Wolfgang Hörl (BBA) gab demgegenüber zu bedenken, dass es "ganz ohne Bindungen" wohl schwierig werde. Baulücken in neuen Baugebieten etwa würden dazu führen, dass der gesamte Bereich aussehe wie "ein Gebiss ohne Zähne".

Bürgermeister Josef Baumgartner (FW) plädierte dafür, einen "Mittelweg" zu suchen: "Mit Bindung wollen private Grundeigentümer vielleicht nicht verkaufen und ohne sie bekommen wird Baulücken", fürchtet er. Eine "ultimative Lösung" gebe es derzeit nicht.

Der mit der Konzeptausarbeitung beauftragte Anwalt wird deshalb mehrere umstrittene Passagen des vorgelegten Entwurfs überarbeiten und unterschiedliche Varianten zur Diskussion stellen. Laut Zusage des Bürgermeisters soll über das Konzept noch innerhalb dieses Jahres entschieden werden.

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Quelle:
SZ vom 23.07.2019
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