Süddeutsche Zeitung

Vorpremiere im Wirtshaus am Erdweg:Wort gehalten

Monika Gruber kommt, wie bei der Verleihung des Tassilopreises versprochen, ins Wirtshaus am Erdweg und probiert vor 160 Leuten ihr neues Programm aus. Die Begeisterung ist auf beiden Seiten groß

Von Benjamin Emonts, Erdweg

Der Abend des 11. Juli 2016 ist immer noch unvergessen. Die wohl berühmteste Kabarettistin Bayerns, Monika Gruber, hatte dem Erdweger Kulturverein vor mehr als 300 Zuschauern einen von drei Tassilo-Hauptpreisen der Süddeutschen Zeitung verliehen. Sie würdigte damit die engagierten Bürger, die die historische Tafernwirtschaft in Erdweg renoviert und kulturell belebt hatten. Noch auf der Bühne fragte der Moderator die Kabarettistin, ob sie nicht auch mal Lust hätte, in so einem tollen Wirtshaus zu spielen. Gruber sagte nur "freilich kimm i" - und kam aus der Nummer nicht mehr heraus. Fast 17 Monate später ist es tatsächlich so weit: Die große Monika Gruber tritt auf die kleine Erdweger Bühne. Und die Leute sind so richtig begeistert.

Der Hype um den Auftritt der Kabarettistin in der kleinen 6000-Einwohner-Gemeinde war von Anfang an riesig. Der Erdweger Kulturverein konnte sich vor Kartenanfragen kaum retten. Zum freien Verkauf aber standen aus Platzgründen nur 160 Karten. Sie sollten verteilt werden nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. So lautete die Bedingung von Grubers Management.

An den turbulenten Vorverkaufstag, einen Samstag, erinnert sich eine Frau aus dem Nachbarort Oberroth, die nun glücklich im Publikum sitzt. Am besagten Morgen sei sie schon um kurz nach fünf aufgestanden, obwohl der Vorverkauf erst um zehn Uhr beginnen sollte. Gegen sechs Uhr fand sie sich dann vor dem Erdweger Wirtshaus auf Platz 37 der Warteschlange wieder. Einige Fans, so wird erzählt, sollen schon nachts angereist sein und in ihren Autos geschlafen haben, um ganz vorne zu stehen. Bilder zeigen eine lange Schlange und Wartende, die Prosecco schlürfen und sich auf mitgebrachten Liegestühlen die Wartezeit vertreiben. Die 160 Karten waren nach nur sieben Minuten vergriffen. Zurück blieben viele enttäuschte Bürger aus der Gemeinde Erdweg, die den Auftritt in ihrer Heimat allzu gerne gesehen hätten. Zwei Mitglieder des Erdweger Kulturvereins sollen aus Verärgerung sogar aus dem Verein ausgetreten sein.

40 Minuten vor Beginn von Grubers Auftritt bildet sich bereits eine lange Schlange durch das gesamte Treppenhaus bis zehn Meter vor die Wirtschaft. An den Nummernschildern der parkenden Autos lässt sich unschwer erkennen, dass die Fans aus der ganzen Region kommen, aus München, Augsburg, Starnberg, Aichach, Ebersberg, sogar aus Rosenheim. Grubers langjähriger Manager Egon Bauer macht kurz vor dem Auftritt die Ansage, dass die Presse über die Vorstellung nichts schreiben dürfe. Nach zwei Auftritten in Traunstein und Fürth spielt Gruber ihr neues Programm "Wahnsinn" erst zum dritten Mal, es handelt sich um eine sogenannte Vorpremiere, bei der Künstler vieles noch einstudieren und ein Gefühl dafür bekommen wollen, was gut beim Publikum ankommt. Vorab soll deshalb nicht allzu viel an die Öffentlichkeit gelangen. Gruber selbst scheint es nicht ganz so eng zu sehen: Man dürfe schon "ein bissal was" schreiben, beschwichtigt sie den Reporter.

Die 46-Jährige ist zu dem Zeitpunkt ziemlich nervös. Sie schreibt seit nunmehr vier Monaten an ihrem neuen Programm und sammelt seit einem Jahr Stoff, nachdem sie sich in Österreich eine zweijährige Auszeit genommen hatte. Jetzt tippelt sie aufgeregt hin und her und fährt sich immer wieder durch die Haare. Bei den ersten Vorführungen sei die Nervosität immer am größten, "egal wie groß das Publikum ist", sagt Gruber. "Da denkst du: Es lacht keine Sau." Aber das passiert natürlich nicht. Die Zuschauer im restlos ausverkauften Tafernsaal bereiten der Erdingerin einen warmen Empfang und springen sofort an auf ihre Gags.

Gruber lässt die Vorgeschichte des Auftritts in Erdweg nochmals Revue passieren. Ihr Manager habe damals zu ihr gesagt: "Was hast'n wieder alles versprochen?" Das sofort begeisterte Publikum erlebt die Gruberin so, wie man sie kennt: derb, grantig, energiegeladen, und manchmal auch nachdenklich. Die Erdingerin schimpft fast zwei Stunden lang über all die Sachen, die sie so aufregen und narrisch machen in einer immer verrückter werdenden Welt, auf der es immer weniger zum Lachen gebe. Sie echauffiert sich über den elterlichen Kontrollwahn, über Veganer und die Arroganz der akademischen "Gscheidhaferl".

Ihre Vorliebe für Wein und Prosecco hat die Gruberin freilich behalten. Sie verrät, immer noch Single zu sein, und lässt sich ausgiebig über Männer aus, die durch Frauen immer mehr verweichlicht würden. Weil man seinen Mitmenschen viel öfter etwas Gutes tun sollte, erzählt sie einem jungen Pastor im Beichtstuhl von einem erotisch-derben Erlebnis an einem Kiesweiher. Eine Frau in der ersten Reihe lacht sich irgendwann derart kaputt, dass Gruber kurz innehalten muss. "Ist alles gut bei Ihnen", fragt sie und löst damit im ganzen Saal schallendes Gelächter aus.

Nachdenklich wirkt Gruber, wenn es um Politik geht, insbesondere um Einwanderungspolitik. Sie spricht über ihre eigene Angst seit den Terroranschlägen von Paris im November 2015. Niemand wisse mehr, sagt sie, wer eigentlich ins Land komme. Gruber will, dass diese Ängste ernst genommen und nicht leichtfertig als "rechts" abgestempelt werden. Der Politik macht sie den Vorwurf, den Terroristen Anis Amri, der in Berlin mehrere Menschen mit einem Lastwagen überfuhr und zwölf tötete, nicht früher abgeschoben zu haben, obwohl man wusste, dass er kriminell war.

Das Publikum applaudiert und ist begeistert von Grubers Auftritt, fast 100 Fans holen sich hernach noch ein Autogramm. Ein Mann aus Markt Schwaben, der keine Karte bekommen hat, ist dafür extra eineinhalb Stunden mit der S-Bahn angereist. Die Vorsitzende des Erdweger Kulturvereins, Gesa Blaas, schwärmt später: "Das war von A bis Z ein gelungener Abend. Sogar als Nordlicht habe ich fast alles verstanden." - "Es war ein echtes Highlight für die Gemeinde", sagt der Erdweger Kulturreferent Manfred Kircher. Monika Gruber will dem nicht widersprechen. "Es war eine super Atmosphäre und eine ganz tolle Energie in dem Saal. Ich bin erleichtert."

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SZ vom 06.11.2017
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