Vor dem Amtsgericht:Gedränge auf der Anklagebank

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Sechs Männer sollen am Ernst-Reuter-Platz in Dachau drei Opfer mit Faustschlägen und Tritten übel zugerichtet haben. Dieser Version der Zeugen widersprechen die Verteidiger aber vehement. Der Prozess wird fortgesetzt

Von Benjamin Emonts, Dachau

Es ist Sonntagnacht, ein Uhr, als drei Sportwagen am Ernst Reuter-Platz in Dachau vorfahren und ein Dutzend Männer aus ihnen springen. Nach einer kurzen Beleidigung prügeln sie unversehens auf drei junge Männer auf dem Bordstein ein. Sie verpassen ihnen Faustschläge und Tritte, obwohl diese wehrlos am Boden liegen. Beobachter filmen den Tumult und posten ihn später im Internet. So lautet die Version der drei jungen Männer, die offenbar angegriffen und später mit Schädelprellungen und etlichen Blutergüssen ins Dachauer Klinikum gebracht wurden.

So groß wie der Tumult in jener Nacht im Mai 2016 gewesen sein muss, so groß ist jetzt der Auflauf am Schöffengericht Dachau, an dem der Vorfall strafrechtlich aufgearbeitet wird. Die Geschädigten erkannten sechs der Angreifer und meldeten sie später der Polizei. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II dauerten eine Weile an. Jetzt müssen sich die sechs Dachauer, die zwischen 22 und 28 Jahre alt sind, wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verantworten.

Ein Prozess mit sechs Angeklagten ist am Amtsgericht schon räumlich eine Herausforderung. Die sechs Beschuldigten und deren Verteidiger sitzen dicht gedrängt; am Ende des Stühlerückens nimmt einer der Verteidiger sogar im Zeugenstand Platz. Die Befragung der sechs Angeklagten verläuft dagegen ausgesprochen flott. Nur einer der Männer, der am Tatort gar nicht dabei gewesen sein will, macht eine Aussage. Alle anderen schweigen zu den Vorwürfen und lassen von ihren Verteidigern erklären, unschuldig zu sein.

Ein Zeuge wird von den Anwälten zweieinhalb Stunden verhört

Umso mehr Zeit nimmt die Vernehmung der mutmaßlichen Opfer in Anspruch. Ein 20-jähriger Dachauer wird von den Verteidigern mehr als zweieinhalb Stunden ins Verhör genommen. Amtsrichter Daniel Dorner unterbricht sie dabei immer wieder oder beanstandet deren Fragen. Die Verteidiger reagieren wütend. "Sie quatschen mir jetzt nicht mehr rein. Ich finde das unmöglich", sagt einer der Advokaten. Dessen Kollege fordert gar, den Prozess kurz zu unterbrechen, weil er so nicht weiter verhandeln wolle.

Die Zeugenaussagen der drei Opfer decken sich in den wesentlichen Vorwürfen. Auslöser der ganzen Auseinandersetzung war demnach eine Chat-Unterhaltung zwischen zwei der Zeugen und einer jungen Frau, die mit beidseitigen Beleidigungen geendet haben soll. Einer der Angeklagten soll daraufhin bei einem der Zeugen angerufen und ihn wüst beschimpft haben. Um den Konflikt zu klären, wollten sich die Männer um ein Uhr an einer Tankstelle treffen. Die drei Zeugen suchten den Treffpunkt auf und gingen zurück in Richtung Dachau-Ost, als sie niemanden vorfanden. Am Ernst-Reuter-Platz fuhren dann die drei voll besetzten Autos vor. Die Männer, die herauskamen, sollen allesamt elegant gekleidet gewesen und von einer Feier gekommen sein.

Den ersten Faustschlag, das behaupten alle Zeugen, soll der 28-jährige Angeklagte abgegeben haben. Ihrer Aussage zufolge stürzten sich die Männer regelrecht auf sie. "Es wurde von allen Seiten auf mich eingeschlagen", beteuert ein 21-jähriger Dachauer. Sein Freund erinnert sich: "Ich lag am Boden und habe mich geschützt. Sie haben auf meinen Hinterkopf geschlagen und meinen Körper getreten. Ich habe nur noch gedacht: Wann ist es endlich vorbei."

Schädelprellungen, zahlreiche Blutergüsse, Schürfwunden, Prellungen der Wirbelsäure und ein kaputter Zahn

Die meisten der Schläge und Tritte können die Männer allerdings niemandem zuordnen, weil sie mit dem Bauch auf dem Boden gelegen waren und sich schützten. Einig sind sie sich, dass ein anderer 28-jähriger Angeklagter einem der Zeugen mit einem Faustschlag einen Zahn abgeschlagen hat. Einen weiteren Faustschlag ordnen sie einem 25-jährigen Angeklagten zu. Ärztliche Atteste des Klinikums Dachau bescheinigen den Männern Schädelprellungen, zahlreiche Blutergüsse, Schürfwunden, Prellungen der Wirbelsäure und den kaputten Zahn. Die Zeugen behaupten, noch Wochen nach dem Vorfall Schmerzen gehabt zu haben. Zwei von ihnen räumen ein, wochenlang in Angst gelebt zu haben.

Die Verteidiger der Angeklagten vermuten, dass sich die drei Freunde vor der Verhandlungen abgesprochen haben könnten. In den Aussagen der Männer vor Gericht sehen sie Widersprüche zu jenen bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Den Angeklagten, der sie am Telefon beleidigt haben soll, wollen die Zeugen am Tatort nicht gesehen haben. Von einem anderen haben sie keine Tritte oder Schläge registriert. Am kommenden Freitag, 23. Februar, wird der Prozess fortgesetzt. Das Gericht wird sich weitere Zeugen anhören.

© SZ vom 20.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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