Vor dem Amtgericht Dachau:Dürftige Beweislage

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Gericht spricht zwei junge Männer vom Verdacht eines illegalen Autorennens frei

Von Jacqueline Lang, Dachau

Dass auf der Münchner Straße in Karlsfeld die erlaubte Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern überschritten wird, kommt öfter vor, wie Polizeimeldungen regelmäßig belegen. Dass alleine reiche, wie Richter Christian Calame in seinem Urteil klarstellt, allerdings nicht aus, um den Tatbestand eines unerlaubten Kraftfahrzeugrennens zu erfüllen. Den zwei Angeklagten, einem 23-jährigen Karlsfelder und einem 28-jährigen Dachauer, kann die Staatsanwaltschaft jedoch nicht einmal dieses Vergehen zweifelsfrei nachweisen. Zudem will der Zeuge, ein 60-jähriger Karlsfelder, sicher gesehen haben, dass eines der beiden Autos ein BMW gewesen sei, die beiden Angeklagten fahren jedoch beide einen Audi. "Es scheitert an allen Ecken und Enden", fasst Calame die Beweislage deshalb zusammen und spricht die zwei jungen Männer frei.

Laut Anklageschrift sollen die beiden Angeklagten am 11. Juni 2019 gegen 22.30 Uhr von der Shell-Tankstelle weggefahren sein und sich bis zur Schnellstraße auf beiden Fahrspuren in überhöhter Geschwindigkeit und mit heulenden Motoren nebeneinanderfahrend ein Rennen geliefert haben. Beide Angeklagten bestreiten dies. Der 23-jährige Karlsfelder sagt aus, dass er bis circa 23.30 Uhr bei seiner Freundin, die Nahe der Donnersbergerbrücke in München wohnt, gewesen sei. Zur Tatzeit sei er demnach noch gar nicht an der Tankstelle gewesen, sondern habe sich erst später dort etwas zu trinken gekauft und eine Zigarette geraucht. Dann sei er nach Hause gefahren, seine Schwester könne das bestätigen. Auch der 28-jährige Dachauer sagt, ein Rennen habe nie stattgefunden. Er treffe sich zwar regelmäßig mit Bekannten an besagter Tankstelle, aber auch an diesem Abend lediglich zum Quatschen. Die beiden Angeklagten sagen aus, sich lediglich vom Sehen zu kennen.

Der Mann, der ein Rennen beobachtet haben will, ist ein Frührentner, der unweit der Münchner Straße wohnt. Nach eigenen Angaben fühlte er sich schon seit längerem von dem Lärm, der durch die schnell fahrenden Autos verursacht wird, gestört. An besagtem Abend im Juni 2019 habe er sich daher mit seinem Auto vor die Autowerkstatt Faust gestellt, um zu beobachten, wer für die Lärmbelästigung verantwortlich ist. Von dort habe er nichts gesehen, weshalb er die Straßenseite gewechselt habe, um die Tankstelle einsehen zu können. Dort hätten vier bis sechs Autos geparkt, gelegentlich seien welche weg- und wieder hingefahren. Schließlich seien dann zwei Autos nahezu gleichzeitig aus der Ausfahrt und mit hoher Geschwindigkeit Richtung Dachau gefahren. Beide seien Richtung Hallenbad abgebogen. Eines der Fahrzeuge habe sofort gewendet und sei zur Tankstelle zurückgekehrt, das andere Auto sei zunächst weggefahren und erst später wiedergekommen.

Auf die Frage von Richter Calame, um was für Autos es sich gehandelt habe sagt der Zeuge: "Eines war ein BMW, das weiß ich." Weiter gibt er an, sich die Kennzeichen aller Autos, auch jener an der Tankstelle, erst nach und nach aufgeschrieben zu habe. Woher er die schnellen Autos zweifelsfrei den angegebenen Kennzeichnen zugeordnet habe, will ein Verteidiger wissen. Der Zeuge gibt zu, mit hundertprozentiger Sicherheit könne er das nicht, er habe es aufgrund der Ähnlichkeit schlichtweg angenommen. "Sie können doch nicht einfach in den Wald schießen und hoffen, dass sie jemanden treffen", sagt der Verteidiger hörbar wütend. Letztlich sind sich die Staatsanwaltschaft, die Verteidigung und auch Richter Calame einig, dass sich auf der Grundlage dieser Aussage und der dürftigen Beweislage kein Rennen nachweisen lässt.

© SZ vom 29.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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