Von Bräuchen und Sitten:Der Gockel als Gabenbringer

Von Bräuchen und Sitten: Vor der Henne und dem Hasen kannte man im Dachauer Land den Gockel als Ostereierlieferanten. Das weiß Norbert Göttler von seinem Großvater.

Vor der Henne und dem Hasen kannte man im Dachauer Land den Gockel als Ostereierlieferanten. Das weiß Norbert Göttler von seinem Großvater.

(Foto: Toni Heigl)

Im Dachauer Land brachte der Hahn einst die Ostereier. Aber nur mit sauberen Füßen.

Von Annegret Braun

Ostern ist das wichtigste Fest im Kirchenjahr. Christen feiern die Auferstehung Jesu, der Sieg des Lebens über den Tod. Es soll Menschen geben, die das gar nicht mehr wissen, sondern glauben, das sei der Tag, an dem der Osterhase die Eier bringt. Ohne jemandem seinen Glauben nehmen zu wollen, muss hier gesagt werden: Die Eier kommen von den Hühnern - auch an Ostern. Dass der Osterhase Eier versteckt, ist eine neue Erscheinung. Mit einem "uralten" Brauch oder einer germanischen Fruchtbarkeitsgöttin namens Ostara und ihrem Hasen hat es jedenfalls nichts zu tun. Das Osterei hingegen kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Schon die frühen Christen in Armenien schenkten sich Eier als ein Symbol der Auferstehung, denn so wie aus einem Ei neues Leben entsteht, so geschieht dies auch an Ostern mit der Auferstehung Jesu. Die Eier färbten die Christen rot, um an das vergossene Blut des Gekreuzigten zu erinnern.

Ostereier stehen in enger Verbindung mit der Fastenzeit. 40 Tage lang fasteten Katholiken Fleisch, Milch und Eier. Danach saß man auf einem Berg von Eiern, die man nur wieder loswurde, indem man sie verschenkte. Und was man verschenkt, soll auch schön sein. Also bemalte, färbte und verzierte man die Eier. Die Protestanten hielten nicht viel vom Fasten. Um den Kindern zu erklären, wo auf einmal die vielen Eier herkamen, versteckte man sie und sagte, der Osterhase habe sie gebracht. Woher er diese Mengen hatte, blieb ein Rätsel.

Die Geschichte mit dem Osterhasen verbreitete sich vor allem bei städtischen Bürgerkindern. In einem Bilderbuch des 19. Jahrhunderts sagt ein Mädchen scherzhaft: "So schöne, bunte Eier kann keine Henne legen. Die müssen vom dem Häschen sein, das gerade aus dem Gebüsch gehüpft ist." Viele andere Bilderbücher entstanden. Aus dem Feldhasen wurde der Hasenvater in Jacke und Hose, der im Kreise seiner Hasenfamilie die Eier bunt bemalte und sie versteckte. Als die Schokoladenindustrie Schokoladenhasen und Eier herstellte, hatte der Osterhase endgültig das Rennen gemacht und seine Konkurrenten hinter sich gelassen.

Auf dem Land waren davor nämlich ganz andere Tiere für die Ostereier zuständig: Die Himmelshenne, der Storch, der Kuckuck, der Fuchs oder, wie im Dachauer Land, der Gockel. Der Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler erzählt, dass sein Großvater als Kind noch den Gockel als Gabenbringer kannte. Den Kindern erklärte man, dass der Gockel die Eier nur dann bringt, wenn man ihm vorher die Füße wäscht. So waren die Kinder vor Ostern damit beschäftigt, dem Gockel hinterherzujagen.

Rund um das Ei gibt es viele Spiele. Es gilt, seinen Fund nach dem Ostereiersuchen zu vermehren oder den Bestand des anderen zu dezimieren. Beim "Eierpecken" werden zwei Eier mit der Spitze gegeneinander gestoßen. Sieger ist derjenige, dessen Ei diesen Kampf unversehrt überstanden hat. Beim "Oarwoigeln" lässt man auf zwei nebeneinander gelegten Rechenstilen ein Ei ins Gras rollen. Trifft das Ei ein anderes, darf man es behalten. Das "Oarbetteln" war bei jungen Leuten beliebt. Die Burschen besuchten in der Nacht vor Ostern die jungen Mädchen und bekamen von ihnen Eier und dazu Schnaps, der bei diesem Eierkonsum wahrscheinlich auch nötig war.

Ein anderer Brauch ist, nach der Frühjahrsreinigung die Brunnen mit Girlanden zu schmücken. Dieser Brauch geht auf Zeiten zurück, als Wasser, vor allem sauberes Wasser, kostbar war.

An Ostern spielt auch Feuer eine wichtige Rolle. Burschen entzünden in der Nacht von Samstag auf Sonntag das Jaudusfeuer. Vorher muss es bewacht werden, damit nicht ein konkurrierender Burschenverein den vorbereiteten Reisighaufen in Brand setzt. "Mancherorts nahm (und nimmt) der Brauch auch antisemitische Züge an, da auf "Judasfeuern" eindeutig identifizierbare "Judaspuppen" verbrannt wurden", erklärt Nobert Göttler.

Wer Ostern bewusst feiern will, findet in vielen Bräuchen Zugang zum Ostergeschehen. An Karfreitag und an Karsamstag kann man an einigen Orten "Graberlschauen" und vor einer Grabdarstellung Jesu Tod gedenken. Am Ostermorgen, wenn es noch dunkel ist, beginnt die Liturgie mit einem Osterfeuer vor der Kirche, an dem die Osterkerze entzündet und der Auferstandene als Licht der Welt gefeiert wird. Der "Emmausgang" am Ostermontag lässt den eigenen Glaubensfragen Raum, denn bei diesem besinnlichen Spaziergang spürt man den Jüngern nach, die Jesus nicht erkannten, als er sie begleitete, weil sie mit seiner Auferstehung nicht gerechnet hatten.

Die Autorin und Ethnologin Annegret Braun leitet die Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau und lehrt seit 2006 am Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Wissenschaftlerin aus Sulzemoos hat viele Aufsätze und Bücher veröffentlicht, darunter 2013 die Studie "Wie Frauen Glück erleben" (Verlag Kreuz).

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