Mit der linken Hand habe der Angeklagte über seinem Mund einen Oberlippenbart gezeigt, mit der rechten Hand den Hitlergruß. Außerdem soll er im April auf dem Fürstenfeldbrucker Volksfest mehrmals die strafbaren Nazi-Parolen „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ im Bierzelt gerufen haben: Nun musste sich der mittlerweile 21-jährige Montageschlosser vor dem Dachauer Amtsgericht wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten.
Die Staatsanwältin warf dem Angeklagten vor, gewusst zu haben, dass die Parolen Grußformen in der NS-Zeit waren und heute verfassungswidrig sind. Der Dachauer, ein junger Mann mit Vollbart, gab die Tat gleich zu. Er sagte aber auch, dass er an dem Abend im Bierzelt Schnaps getrunken und „unüberlegt“ gehandelt habe.
Warum er das damals gerufen habe, konnte er Richter Christian Calame nicht erklären. Sympathisieren würde er aber nicht mit diesen rechten Ideologien. Richter Calame mahnte: „Lustig ist das auf keinste Weise“, und konfrontierte den 21-Jährigen damit, ob er denn wisse, was in der NS-Zeit und unter Hitler passiert ist. Der Angeklagte bejahte das schlicht. Fakt ist: Allein sechs Millionen Juden fielen der grausamen Mordmaschinerie des NS-Regimes zum Opfer.
„Die fanden es lustig, dass ich mich so empöre.“
Dass die Straftat des 21-Jährigen nun vor Gericht aufgearbeitet wurde, ist vor allem einer couragierten Volksfestbesucherin zu verdanken. Die 48-jährige Münchnerin saß an dem Aprilabend nur eine Bierzeltreihe von dem Angeklagten entfernt und hörte, wie er die Nazi-Parolen laut rief. Dabei hätten er und seine Freunde gelacht, sagte sie als Zeugin vor Gericht aus.
Sie sei also aufgestanden und habe den Angeklagten aufgefordert, sofort damit aufzuhören. Er und seine Freunde hätten aber wieder nur gelacht, sagte sie: „Das war für die Leute ein Spaß. Die fanden es lustig, dass ich mich so empöre.“ Zurück an ihrem Platz hörte sie kurze Zeit später den Angeklagten wieder eine Nazi-Parole rufen. Da habe sie den Sicherheitsdienst informiert, der den Angeklagten konfrontierte. Dabei sei die Lage eskaliert, es sei zu Handgreiflichkeiten gekommen.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Dachauer vor Gericht steht. Er war bereits wegen Körperverletzung, Besitzes einer verbotenen Waffe angeklagt sowie wegen des Besitzes von Marihuana, was erst in diesem Jahr in Teilen legalisiert wurde. Helene Doben als Vertreterin der Jugendgerichtshilfe plädierte dafür, in diesem Fall noch Jugendstrafrecht anzuwenden: Die Straftat sei jugendtypisch gewesen, weil der Dachauer nicht über die Konsequenzen nachgedacht habe. Allerdings habe sie auch das Gefühl, dass er noch nicht alles über die NS-Zeit wisse und regte daher an, dass er Sozialstunden in der KZ-Gedenkstätte ableisten könnte.
Richter Calame verurteilt die Nazi-Parolen im Bierzelt scharf
Die Staatsanwältin befürwortete den Vorschlag und forderte 40 Sozialstunden als Strafe sowie eine Geldauflage von 800 Euro. Zu seinen Gunsten sah sie, dass er die Tat sofort einräumte, negativ wertete sie allerdings, dass er bereits vorbestraft ist und die Nazi-Parolen mehrfach ausrief – und das, obwohl eine unbeteiligte Frau sogar einschritt.
Richter Calame verurteilte die Nazi-Parolen im Bierzelt scharf: „Das ist ein absolutes No-Go“, sagte er und: „Es ist eben kein Scherz, wenn jemand so etwas verharmlost.“ Der Richter beobachtet derzeit einen allgemeinen „Rechtsdrall“ in Deutschland, sagte aber, er habe ebenfalls das Gefühl, dass der Angeklagte nicht genau wisse, was hinter dem „Dritten Reich“ stecke. Er folgte den Forderungen der Staatsanwältin und verhängte 40 Sozialstunden, die der 21-Jährige am besten in der KZ-Gedenkstätte Dachau ableisten soll. Außerdem muss er 800 Euro an die Dachauer Drogenberatungsstelle „Drobs e.V.“ zahlen.

