Volksfest-Dienstag der CSU:Seehofer und das Paradies

Der bayerische Ministerpräsident rühmt vor 3000 Zuhörern den Freistaat als "Topregion in ganz Europa".

Von Christiane Bracht, Dachau

So lieben es die Christsozialen: Weiß-blauer Bierzelthimmel, der blau-leuchtende Schriftzug der Partei vor der Dachauer Altstadtkulisse, volkstümliche Blasmusik von den Ampermusikanten, Tracht und volle Masskrüge. Das ist Bayern. Das ist Heimat. Das große Volksfestzelt ist schnell ziemlich voll: Senioren sind da, junge Leute, Parteifreunde, Landwirte und Geschäftsleute ebenso wie Angestellte und Handwerker, sogar einige Familien mit Kindern. 3000 Gäste passen hinein. Horst Seehofer live will sich eben niemand entgehen lassen, auch wenn einige dafür aus dem hintersten Winkel des Landkreises kommen mussten. Die Bedienungen schwitzen schon, manch eine stöhnt über die Ungeduld der Gäste.

Volksfest-Dienstag der CSU: Im Nu gelingt es dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, das Publikum im Dachauer Festzelt in seinen Bann zu ziehen.

Im Nu gelingt es dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, das Publikum im Dachauer Festzelt in seinen Bann zu ziehen.

(Foto: Toni Heigl)

Die Dachauer CSU-Bundestagskandidatin Katrin Staffler, die an diesem Dienstagabend ihren ersten großen Wahlkampfauftritt hat, scheint da nur Nebensache zu sein, dabei ist sie es, die gewählt werden soll, nicht Seehofer. Staffler zeigt sich schon lange vorher, sie läuft von Tisch zu Tisch, plaudert locker mit den Leuten, schüttelt Hände, lächelt.

Und dann kommt er. Mit dem Defiliermarsch hält Seehofer Einzug, umzingelt von Fotografen, gefolgt vom CSU-Kreisvorsitzenden Bernhard Seidenath, der auch gleich zu seiner Rechten Platz nimmt, der scheidenden Bundestagsabgeordneten Gerda Hasselfeldt und Bezirkstagspräsident Josef Mederer. Das Publikum steht und klatscht, einige pfeifen. Viele recken ihre Handykameras in die Höhe für einen Schnappschuss. Die Show beginnt.

Keine Haudraufrede

Doch anders als üblich im Bierzelt. Keine Haudraufrede, keine Diffamierungen des politischen Gegners, um Gabriel, Özdemir und wie die anderen alle heißen verächtlich zu machen, ja unverhohlen auszulachen. Die Botschaft von Seehofer ist: Wir in Bayern sind besser. Wir sind Topregion in Europa. Und wir zeigen dem Rest der Republik, wie's geht. "Außerhalb von Bayern habe ich immer gesagt, wir leben in der Vorstufe zum Paradies", ruft Seehofer seinem Publikum entgegen. Und die Leute sind begeistert. Sie johlen. Denn kurz zuvor hat der Ministerpräsident ihnen bestätigt, dass es Dachau am besten gehe in Bayern.

Volksfest-Dienstag der CSU: Ein Prosit auf die CSU: Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath stößt mit Horst Seehofer und Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt (v. li.) an.

Ein Prosit auf die CSU: Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath stößt mit Horst Seehofer und Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt (v. li.) an.

(Foto: Toni Heigl)

Seehofer nutzt die Welle der Sympathie und erzählt eine Anekdote: "In Altötting hat mir mal ein Bischof zugeflüstert: Sie wissen schon, dass die Vorstufe zum Paradies das Fegefeuer ist." Gelächter. "Ich habe das nachprüfen lassen bei der Katholischen Hochschule in Eichstätt. Dort hat man mir gesagt, der Bischof hat nicht Recht. Man kann auch auf direktem Weg ins Paradies kommen. Seither sage ich: Bayern ist das Paradies." Die Ranschmeiße hat funktioniert. Das Wir-Gefühl ist hergestellt, und die Dachauer lieben ihn. Sie hängen an seinen Lippen und klatschen sich die Finger wund. Erst recht, als er ihnen das Verhältnis zu Berlin klar macht: Der regierende Bürgermeister von Berlin habe ihn immer mit den Worten begrüßt: "Wir sind arm, aber sexy". Da überlegte die Bayerische Staatskanzlei lange, und kam auf den Spruch: "Wir sind reich, aber nicht blöd." Ja, das gefällt den Parteifreunden in Dachau. Der Berliner habe darauf geantwortet: "Ich begrüße meinen Sponsor." "Das ist die Lage", ruft Seehofer lachend und fordert kaum später die Abschaffung des Solis nach inzwischen 27 Jahren deutscher Einheit.

Volksfest-Dienstag der CSU: Bundestagskandidatin Katrin Staffler stellt sich erstmals großem Publikum vor.

Bundestagskandidatin Katrin Staffler stellt sich erstmals großem Publikum vor.

(Foto: Toni Heigl)

Sein wichtigstes Thema ist aber die Sicherheit. "Wir brauchen eine starke Polizei, gute Ausrüstung und eine ausreichende Rechtsgrundlage", fordert der "Landesvater", wie ihn seine Parteifreunde liebevoll nennen. Nach dem jüngsten Anschlag in Barcelona widerspricht niemand, das weiß Seehofer. "Niemand muss mit Gewehr oder Schwert nach Bayern kommen. Potenzielle Gewalttäter muss man vorher aus dem Verkehr ziehen", sagt er. Das habe G 20 in Hamburg und G 7 in Bayern gezeigt. "Bei uns ist keine einzige Fensterscheibe kaputt gegangen." Die Demonstranten hätten sich zwar beschwert, dass jeder von drei Polizisten bewacht worden wäre. "Aber ich kann nichts dafür, wenn die so wenige sind", sagt Seehofer unschuldig und hat die Lacher auf seiner Seite. Jetzt wolle er Innenminister Joachim Herrmann nach Berlin schicken, "um in Deutschland zu realisieren, was wir in Bayern schon kennen." Das Festzelt tobt. "Ja genau, so ist's richtig", stimmen einige ein.

Und wieder die Forderung nach einer Obergrenze

Und dann schlägt der Ministerpräsident rechtspopulistische Töne an: Seine Forderung nach einer Obergrenze für Zuwanderer von 200 000 pro Jahr findet viel Unterstützung unter den Besuchern, auch die nach Abweisung der Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen. "Wir treten dafür ein, dass Deutschland auch Deutschland bleibt." Und das, obwohl in den vergangenen zwei Jahren kaum mehr Flüchtlinge gekommen sind.

Volksfest-Dienstag der CSU: Im Festzelt applaudierten die Gäste dem Ministerpräsidenten und der Bundestagskandidatin.

Im Festzelt applaudierten die Gäste dem Ministerpräsidenten und der Bundestagskandidatin.

(Foto: Toni Heigl)

Seehofer bringt den Dachauern aber auch etwas mit: So stellt er eine große Steuerentlastung in Aussicht, wenn die CSU ans Ruder kommt. "Wir haben das Geld", sagt er. Familien sollen sich auf 360 Euro pro Kind mehr freuen können, verspricht er, und er wolle sich für "Baukindergeld" einsetzen, 1200 Euro pro Kind und Jahr, damit Familien sich wieder Wohneigentum leisten können. Da spitzen alle die Ohren. In den nächsten vier Jahren will die CSU 1,5 Millionen Wohnungen bauen lassen. Damit genug Baugrund für sein Vorhaben da ist, schlägt Seehofer vor, die Landwirte zu privilegieren, sofern sie ihren Erlös in Wohnungsbau investieren. Das wiederum trifft nicht ganz den Geschmack der Dachauer: Der Beifall ist eher verhalten.

"Ich bin gegen Fahrverbote"

Auch zum Thema Diesel nimmt der Ministerpräsident Stellung: "Ich bin gegen Fahrverbote", postuliert er. Statt dessen will er erreichen, dass Busse und Taxen, die den ganzen Tag herumfahren, umgerüstet werden. Dafür soll es künftig Förderprogramme geben. Katrin Staffler soll das alles in Berlin mit durchsetzen. Bislang war dies die Aufgabe von Gerda Hasselfeldt. "Wir verdanken Dir viel, Du bis eine großartige Persönlichkeit", ruft Seehofer ihr zum Abschied zu. Ihre Worte hätten die Kanzlerin immer nachdenklich gestimmt. "So hast du uns oft für Bayern geholfen", lobt der Ministerpräsident. Mit Standing Ovations verabschieden sich die Parteifreunde von Hasselfeldt. Der Rhythmus ihres Klatschens verlangte fast schon nach einer Zugabe, nach der sich aber keiner zu rufen traut. Die neue ist nun Staffler. "Mit Herz und klaren Worten" will sie regieren, wenn sie die Chance dazu bekommt. "Sie ist blutjung, mein Gott", ruft Seehofer.

Bevor der CSU-Chef mit vielen Verbeugungen und Beifall von der Bühne tritt, vergisst er nicht, auch Angela Merkel als hochrespektierte Persönlichkeit in der ganzen Welt zu loben. Sie habe seine Unterstützung, auch "wenn wir gelegentlich für einen Windzug in Berlin sorgen", sagt er.

Zur Selbstinszenierung der CSU gehört natürlich auch die Bayernhymne. Vollmundig schmettern die Dachauer sie zum Schluss - natürlich noch vor der Nationalhymne. Als wollten sie unmissverständlich klar machen: Bayern first.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: