Nach Referat im Schnee:Direkter Draht zu Andreas Scheuer

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Selina Seebauer fehlt für den Distanzunterricht eigentlich nur eine stabile Internetverbindung. (Foto: privat)

Selina Seebauer aus Rettenbach muss ein Referat im Garten halten, weil die Internetversorgung im Ort so schlecht ist. Jetzt kümmert sich der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer höchstpersönlich um das Problem - mit Erfolg.

Von Julia Putzger, Vierkirchen

Seit Mittwoch steht das Telefon im Haus von Familie Seebauer im Vierkirchner Ortsteil Rettenbach nicht mehr still. Unter den Anrufern sind Journalisten bekannter Fernsehsender, die über die schlechte Internetversorgung berichten wollen, wegen der Tochter Selina Seebauer ein Schulreferat im Garten bei Schneefall halten musste. Auch Mitarbeiter der Telekom haben sich gemeldet, um das Problem endlich zu lösen. Mit einem Anruf aber hatte im Hause Seebauer nun wirklich niemand gerechnet: Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, meldete sich höchstpersönlich.

Wenn Christian Seebauer von seinem Haus aus nach Süden blickt, kann er den Münchner Olympiaturm sehen. Nach Westen hin, keine drei Kilometer von seinem Heim entfernt liegt der S-Bahnhof Vierkirchen-Esterhofen, von wo aus man in gut einer halben Stunde im Zentrum der Landeshauptstadt ist. Doch mitten im Münchner Speckgürtel sucht Familie Seebauer eines vergeblich: eine brauchbare Internetverbindung. Denn jetzt, da die beiden Töchter auf Homeschooling angewiesen sind und die Eltern im Home-Office arbeiten, reicht die vorhandene Leistung einfach nicht aus. Auch der Mobilfunk lässt zu Wünschen übrig, nur an einer Ecke im Garten ist der Empfang ausreichend. Genau dort richtete Tochter Selina Seebauer sich dann auch am Montag ihren Arbeitsplatz ein, um ihr Englischreferat per Videokonferenz über einen mobilen Hotspot halten zu können - auch wenn das Thermometer Null Grad anzeigte und die Schneeflocken vom Himmel rieselten.

Homeschooling im Schnee
:"Man fühlt sich schon im Stich gelassen"

Selina Seebauer bereitet sich gerade auf ihr Abitur vor. Weil es in ihrem Wohnort mit der Digitalisierung hakt, muss sie ihr Referat im Garten bei Schneegestöber halten. Eine Geschichte über erschwerte Bedingungen beim Unterricht zuhause.

Von Julia Putzger

Dabei wäre die Lösung eigentlich einfach, nämlich ein Glasfaseranschluss. Im Haus ist bereits alles installiert, doch auf ihren Glasfaseranschluss warten die Seebauers trotzdem schon seit mehr als einem Jahr vergeblich. Nun jedoch scheint Bewegung in die Sache zu kommen, unter anderem durch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. "Vor lauter anderen Anrufern ist Herr Scheuer anfangs gar nicht durchgekommen und hat uns auf den Anrufbeantworter gesprochen", erzählt Selina Seebauer, die in diesem Jahr ihr Abitur an der Münchner Fachoberschule (FOS) für Gestaltung ablegen möchte. Dann aber habe er über eine halbe Stunde lang mit Vater Christian Seebauer telefoniert. Der berichtet, dass der Minister sehr gut informiert gewesen sei und genau gewusst habe, wo es bereits Anschlüsse gibt und die Leitungen verlaufen.

Außerdem habe Scheuer bereits vorab mit dem Vorstand der Telekom gesprochen, der ihm erklärt habe, dass das Problem bei den gebuchten Leistungen von Familie Seebauer und nicht etwa an fehlender digitaler Infrastruktur liege. Christian Seebauer berichtet, dass er dem Minister Gegenteiliges versichert habe. Doch auch von Seiten des Telekom-Pressesprechers Markus Jodl heißt es, dass die Mobilfunkversorgung an der Adresse der Familie in Rettenbach "einwandfrei - rauf bis 5G" und ein Glasfaseranschluss jederzeit buchbar sei. Dieser sei jedoch erst am Donnerstag gebucht worden. Schuld für die bisherigen Probleme habe also keinesfalls die Telekom. Ein Messtrupp habe die Leistungen vor Ort sogar erneut überprüft. Jodl erklärt, dass wohl ein Missverständnis vorliege, da die Telekom die Leitungen in der ganzen Straße und auch ins Haus der Seebauers verlegt habe, für die Buchung des Anschlusses sei jedoch jeder individuell verantwortlich. In neun der elf Häuser in der Straße werde der Anschluss bereits genutzt.

Auch Vierkirchens Bürgermeister kennt das Internet-Problem

Christian Seebauer widerspricht dem klar: "Diese Vorwürfe sind nicht haltbar. Wir kämpfen schon seit Jahren um schnelles Internet. Aber die Verantwortlichen schlafen." Dass es nun auf einmal heiße, dass er bisher gar keinen entsprechenden Vertrag abgeschlossen habe, sieht er als Abwehrtechnik des Konzerns: "Offensichtlich haben wir wo rein gestochen, wo es wehtut." Er ergänzt: "Der Pressesprecher kann gern jederzeit vorbeikommen und sich selbst ein Bild vor Ort machen."

Auch Vierkirchens Bürgermeister Harald Dirlenbach (SPD) hört von dem Problem nicht zum ersten Mal und das nicht nur, weil auch ihn in den vergangenen Tagen zahlreiche Anfragen erreichten. Er versichert allerdings, dass der Internetausbau in der Gemeinde generell gut sei, rund 90 bis 95 Prozent seien abgedeckt. Im Hauptort Vierkirchen habe die Deutsche Glasfaser Holding GmbH eigenwirtschaftlich ausgebaut, für den Ortsteil Rettenbach sei jedoch die Telekom verantwortlich. Zwar sei Dirlenbach mit den dortigen Verantwortlichen immer wieder in Kontakt gewesen, doch er sagt: "Ich bin nicht allmächtig."

Dass Bundesverkehrsminister Scheuer sich nun - durchaus medienwirksam - in der Sache profiliert, sehen die Beteiligten pragmatisch, von Symbolpolitik wollen sie vorerst nicht sprechen: "Wenn es der Familie hilft, dann finde ich das Okay", sagt Dirlenbach. Die angehende Abiturientin Selina Seebauer findet: "Irgendwo muss man ja anfangen und wenn jetzt erkannt wurde, dass es wirklich ernst ist, dann kann das ja ein guter Anfang sein." Sie hofft, dass auch in anderen Orten in ganz Deutschland endlich die Infrastruktur verbessert wird. Christian Seebauer gibt zu Bedenken: "Unser Problem ist völlig austauschbar." Allein in Selinas Klasse gebe es einige Mitschüler im Münchner Umland, die mit ähnlichen Problemen kämpften.

© SZ vom 23.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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