Süddeutsche Zeitung

Viel erlebt:Miriam Rosenthal ist 95 Jahre alt

Die ungarische Jüdin bekam im KZ Dachau einen Sohn - und überlebte den Terror der Nationalsozialisten.

Ihr Schicksal zählt zu den bewegendsten Geschichten aus dem Konzentrationslager Dachau. Im Winter 1944/45 kamen in Kaufering I, einem der schrecklichsten Außenlager des KZ Dachau, sieben jüdische Babys zur Welt. Alle überlebten und wurden am 29. April 1945 zusammen mit ihren Müttern, die aus Ungarn kamen und zuvor Auschwitz überlebt hatten,von Soldaten der 7. US-Armee im KZ Dachau befreit. Miriam Rosenthal, die zusammen mit ihrem Sohn Leslie und ihrem Mann Béla nach der Befreiung nach Kanada emigrierte, ist heute die Letzte der sieben Mütter, die noch am Leben ist, und von diesem Wunder inmitten des Terrors erzählen kann. Jetzt feierte sie in Toronto im Kreis ihrer großen Familie ihren 95. Geburtstag.

Es war natürlich kein Wunder: Die schwangeren Frauen, die im Sommer 1944 aus Ungarn in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden, konnten lange Zeit ihre Schwangerschaft vor der SS verbergen. Sie überlebten wegen der Solidarität anderer Häftlinge, die sie mit Essen versorgten und ihnen so weit wie möglich Schutz gewährten. Die Deutschen ermordeten eineinhalb Millionen jüdische Kinder. Die sieben Schwangeren wurden in Kaufering I zusammengefasst und sollten nach der Entbindung mit ihren Babys in das Sterbelager Bergen-Belsen gebracht werden. Den Überstellungsbefehl hatte der erste SS-Lagerarzt im KZ Dachau, Fritz Hintermayer, im März 1945 unterschrieben - das Todesurteil für Mütter und Kinder. Doch in den Wirren der letzten Kriegswochen kam es nicht mehr dazu.

Miriam Rosenthal, die sich bis vor kurzem in der jüdischen Gemeinde sozial engagierte, erzählte die Geschichte der Frauen den Filmautorinnen Eva Gruberová und Martina Gawaz. "Geboren im KZ" wurde auch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel gezeigt und traf auf Begeisterung - denn die Kinder seien der lebende Beweis dafür, dass unser Volk dem Vernichtungswillen der Nationalsozialisten - wenn auch in quälender Erinnerung an sechs Millionen Tote - getrotzt habe, schrieb der Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer, Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees, im Nachwort zum gleichnamigen Buch. Die Kinder Leslie Rosenthal, George Legmann, Marika Nováková, Hana Klein, Judith Kálmán, Ágnes Kovács und Jossi Grün (alle 72) sind die jüngsten Überlebenden des KZ Dachau und heute Ehrenmitglieder des Dachau-Komitees.

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SZ vom 29.08.2017 / SZ/gsl
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