Süddeutsche Zeitung

Videoinstallation:Floraler Sinnesrausch

Paul Havermann zeigt in der Neuen Galerie Dachau seine Ausstellung "Die Farben des Gartens" als multimediales Gesamtkunstwerk

Von Gregor Schiegl, Dachau

Seit 40 Jahren ist der Maler Paul Havermann auch ein begeisterter Hobbygärtner. Nicht immer werden seine Mühen belohnt. Manches gedeiht mühelos und wundersam, anderes mickert trotzig vor sich hin, da kann er anstellen, was er will. Havermanns Liebe zum Garten findet auch Niederschlag in seinen Bildern, vor allem in den Motiven: prächtige Blüten, die mal in zartem Pastell aufscheinen oder in einem Übermaß von Farbkraft explodieren. Es gibt auch Arbeiten des Dachauer Künstlers, die allein mit ein paar bunten Stäben auskommen, die gewissermaßen ein eingedampftes, konzentriertes ästhetisches Kondensat seiner Kunst bilden. Havermann beherrscht die Klaviatur der Farben wie nur wenige, er weiß um die Wirkung jedes einzelnen Tons.

In der KVD-Ausstellung "Raus" zeigt Havermann nun erstmals ein multimediales Kunstwerk, nebenbei bemerkt, nicht draußen, sondern in den Räumen der Neuen Galerie Dachau. Es ist eine Videoinstallation mit abstrakter Malerei und Musik. Der Titel: "Die Farben des Gartens". Den Anstoß zu dem Projekt gab Karl-Heinz Wenisch, ein Fan von Havermanns Kunst, sechs Jahre ist das her. Doch Ideen müssen reifen, und als sich Havermann entschloss, das Projekt in Angriff zu nehmen, merkte er schnell, dass das viel aufwendiger war, als er dachte. Neun großformatige Tafelbilder in Öl - zwei Meter auf etwa ein Meter - schuf er dazu und etwa 100 Farbstrich-Paneele in Acryl, die, unterschiedlich zusammengestellt, immer wieder andere Farbkompositionen und Farbempfindungen hervorrufen. Zusammen nehmen die Bilder eine gesamte Wandfläche ein. Erweitert wird dieses Zusammenspiel durch eine Installation aus sechs Monitoren, die Havermanns Bildern nun eine ganz neue Dynamik geben: Die Perspektiven schwenken, die Ausschnitte wechseln, Szenen drehen sich, Farben neuer Motive durchdringen und überlagern die alten. All dies hat Havermanns digitaler Spindoktor Karl-Heinz Wenisch so geschickt arrangiert, dass man meint, dem Wirken der Natur zuzusehen: dem Aufblühen, dem Vergehen, dem Überwuchern des Alten durch das Neue.

Der ewige Kreislauf. Tatsächlich ist es aber nicht Mutter Natur, der man hier bei der Arbeit zuschaut, sondern Paul Havermann. "Das Werk soll auch den Prozess zeigen, wie meine Bilder entstehen", sagt der Künstler. Auch er dreht seine Bilder, wenn die Wirkung ihm dadurch überzeugender erscheint, auch er übermalt immer wieder Teile der Leinwand. So funktioniert auch die Evolution: immer wieder neue Varianten zu erfinden und sich dann für die passendste entscheiden. Doch dazu braucht es Zeit. Neun Monate, so lange wie ein Baby im Bauch seiner Mutter, reifte dieses Werk, bis es bereit war, sich der Welt zu zeigen.

Untermalt ist die multimediale Installation mit klassischer Musik, die Havermanns ehemaliger Kunstschüler Florian Malecki am Klavier eingespielt hat. Eine Nocturne von Chopin ist zu hören, das kennen und mögen die Leute, und die romantischen Klavierstücke haben ja auch etwas sehr organisch-filigranes, ja, blütenblätterhaftes. Weil sich zwischen Blumenmotiven Havermanns Farbpaneele wie ein langer bunt leuchtender Güterzug auf dem Bildschirm reihen, wird auch die Klavierbegleitung abstrakter. Zeitweise meint man, einem Orchester bei der Klangprobe beizuwohnen.

Die Vernissage der "Farben des Gartens" findet am 4. August um 12 Uhr in der Neuen Galerie statt. Die Ausstellung ist noch bis 1. September zu sehen und zu hören.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2019
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