Vermittlerrolle:Kleine Miete statt keine Miete

Die Not wächst, die Caritas will leer stehende Wohnungen vermitteln

Von Petra Schafflik, Dachau

Eines ihrer Kinder sollte nach dem Studium in die Wohnung einziehen, so hatten es die Eltern beim Kauf geplant. Doch jetzt arbeiten die jungen Leute erst einmal im Ausland, die schöne Unterkunft bleibt leer. Also haben sie sich entschieden, die Wohnung in der Zwischenzeit zu vermieten und dabei Menschen eine Chance zu geben, die auf dem regulären Wohnungsmarkt nicht so leicht unterkommen. Jetzt lebt eine vierköpfige Familie mit niedrigem Einkommen in dem Appartement, vermittelt hat es die Dachauer Caritas. Ein Musterbeispiel, wie es künftig öfter laufen könnte, sagt Soziologin Aylin Beqiraj, die bei dem Wohlfahrtsverband gerade ein neuartiges Wohnungsprojekt aufbaut. Ziel ist, bisher leer stehende Unterkünfte im Landkreis zu aktivieren für Wohnungssuchende, die es auf dem regulären Mietmarkt schwer haben. "Wir wollen eine Brücke bauen." Die Caritas geht davon aus, dass in Stadt und Landkreis nicht wenige Wohnungen leer stehen. Laut Daten des Mikrozensus von 2011 - aktuellere gibt es noch nicht - werden 2,9 Prozent der Unterkünfte nicht bewohnt.

Das Landratsamt gab dazu Anfang 2016 eine Zahl von 1800 leer stehenden Wohnungen im Landkreis bekannt. Die Gründe, warum sie nicht vermietet werden, können vielfältig sein. Manche Eigentümer schreckt womöglich die Vorstellung, nach einem Inserat von Anfragen überrollt zu werden. Andere scheuen die Formalitäten oder sorgen sich, dass ein Mietverhältnis auch mit Konflikten oder Problemen einhergehen könnte. Dabei wünsche sich der eine oder andere potenzielle Vermieter durchaus, mit seiner Immobilie einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. "Es gibt Eigentümer, die wirtschaftlich nicht auf die Mieteinnahmen angewiesen sind, sich sozial engagieren, Gutes tun und Menschen eine Chance geben möchten", erklärt Beqiraj. Mit dem neuen Wohnungsprojekt möchte die Caritas Hürden abbauen und Vertrauen schaffen. Denn der Handlungsbedarf wächst.

"Die Wohnungsnot ist in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen." Kaum Chancen auf dem Wohnungsmarkt haben Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Senioren mit kleiner Rente, Menschen mit Behinderung, Bürger mit Migrationshintergrund oder auch nur solche mit ausländisch klingendem Namen.

Mit dem Wohnungsprojekt will die Caritas sozial engagierten Eigentümer begleiten und ihnen geeignete Mieter vorschlagen. "Wir sind mit unseren vielfältigen Beratungsangeboten nah an den Menschen und können eine möglichst passgenaue Vermittlung anbieten." Nach dem Abschluss des Mietervertrags sollen ehrenamtliche "Wohnungspaten" die neuen Mieter in ein solides Mietverhältnis begleiten. Diese freiwilligen Helfer sind auch Ansprechpartner, falls es doch einmal zu Unstimmigkeiten kommt. "Damit ist sichergestellt, dass sich jemand kümmert." Die Ehrenamtlichen hätten mit der Wohnungssuche nicht zu tun, kämen erst ins Spiel, wenn eine Wohnung bereits vermittelt werden konnte. Das Modell der Caritas geht damit weit über die "Wohnungsbörse für Flüchtlinge" hinaus, die das Landratsamt seit Februar über die Internetseite betreibt. Dort können sich Vermieter melden, die ein Appartement gezielt an Flüchtlinge vermieten möchten.

Die Ziele des Wohlfahrtsverbands sind weitreichend: Mit dem Wohnungsprojekt soll langfristig eine "zuverlässige und vertrauliche Anlaufstelle" aufgebaut werden, die der wachsenden Wohnungsnot entgegentritt. In einem ersten Schritt wendet sich dieses Vorhaben an sozial orientierte Vermieter mit Leerstand. Und hat als potenzielle Mieter alle im Blick, die es auf dem regulären Markt schwer haben. Langfristig seien weitere Modelle wie "Wohnen für Hilfe" oder "Wohnungstausch" denkbar. Parallel betreut die Caritas auch eine Studienarbeit, die den effektiven Leerstand erfassen wird. Ziel ist, nicht nur die Zahl der ungenutzten Unterkünfte zu erfassen. Vielmehr geht es auch darum herauszufinden, wie Eigentümer für eine Vermietung zu gewinnen wären.

Die Studie, die in Kooperation mit der TU München läuft, wird als Pilotprojekt erst einmal für Hebertshausen durchgeführt, weitere Gemeinden des Landkreises könnten folgen.

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