Verkehrspolitik:Gefährlicher Überweg

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An der Kreuzung Hoch-/Münchner Straße kommt es häufig zu Unfällen, nicht nur mit dem Auto. Das liegt unter anderem an der dreieckigen Verkehrsinsel, die mittlerweile viel zu klein ist. Eine intelligente Ampel könnte nun helfen

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Es ist ein offenes Geheimnis: Radler leben in Karlsfeld gefährlich - nicht überall, dafür an einigen Stellen besonders. Die Kreuzung Hoch-/ Münchner Straße gehört auf jeden Fall zu den neuralgischen Punkten. "Auf der Leidensliste des Fahrradreferenten steht sie ganz weit oben", sagt Franz Trinkl (SPD). Und auch die Polizei zählt sie zu den "Hauptunfallknoten" im Landkreis Dachau. In den vergangenen fünf Jahren gab es dort 19 Unfälle, dabei einen schwer Verletzten und 15 leicht Verletzte. Fünf von ihnen waren Fußgänger beziehungsweise Radfahrer.

Das Hauptproblem ist laut Polizei das Abbiegen. Aber die Gemeinderäte wissen, es gibt noch eine weitere Krux: Die dreieckige Verkehrsinsel auf der Seite der Hochstraße, wo Fußgänger und Radler auf Grün warten, um die Münchner Straße queren zu können, ist viel zu klein. Meist stehen die Leute dort dicht gedrängt im Pulk, nicht selten warten einige auf dem Gehweg, weil auf der Insel kein Platz mehr ist. An Corona-Abstände ist gar nicht zu denken. "Letztens stand bereits ein Lastenrad auf der Insel, eine Mutter mit Kinderanhänger kam nicht mehr ganz drauf, ein paar Zentimeter ihres Anhängers ragten noch in die Abbiegespur. Man kann darauf warten, bis etwas passiert", klagt der Fahrradreferent. "Wir müssen dringend was tun."

Häufig kommt es vor, dass die Leute dort dicht gedrängt im Pulk stehen, nicht selten warten einige auf dem Gehweg, weil auf der Insel kein Platz mehr ist. (Foto: Toni Heigl)

Als die B 304 gebaut wurde - etwa zur Zeit der Olympiade 1972 - gab es an der Kreuzung praktisch keinen Radverkehr. Dort wo heute die Märkte sind, war ein grünes Feld. Auch die Verbindung zum Ortsteil westlich der Bahn gab es nicht, sodass kaum jemand die Straße überqueren wollte. Doch heute ist das anders: Immer mehr Leute entdecken das Rad für sich. Was die Kommunalpolitiker angesichts der erheblichen Verkehrsbelastung Karlsfelds begrüßen, hat aber auch eine Kehrseite: Die Kreuzungen entlang der Münchner Straße sind nicht dafür gemacht, sie sind völlig überlastet. Schon bei der Ausarbeitung des Verkehrsentwicklungsplans vor einigen Jahren sei dies Thema gewesen, erklärt Verkehrswachtmeister Andreas Knoll auf Anfrage der SZ. Doch passiert ist offenbar noch nichts.

Im Karlsfelder Gemeinderat ist man sich indes einig, dass man die Situation gerade an der Kreuzung Hoch-/Münchner Straße nicht länger auf sich beruhen lassen kann. "Eigentlich müsste man die Kreuzung aufweiten und umbauen", sagt Verkehrsreferent Bernd Wanka (CSU). "Aber dafür wird Grunderwerb nötig sein - vermutlich ein kleiner Streifen vom Areal der Hochhäuser." Doch Karlsfeld kann das nicht entscheiden, geschweige denn einfach in die Hand nehmen. Die Münchner Straße ist eine Bundesstraße (B 304). Änderungen kann nur das Staatliche Bauamt in Freising vornehmen. Auf Anfrage der SZ heißt es von dort, dass Anfang August eine Verkehrsschau mit der zuständigen Unfallkommission sowie eines Vertreters der Gemeinde Karlsfeld geplant sei. Gemeinsam werde man die Unfälle analysieren und nach Lösungen suchen. Bisher sei die Kreuzung jedoch in erster Linie als Problem für den Kfz-Verkehr aufgefallen. Man werde jedoch die Gesamtsituation in Augenschein nehmen.

Laut Verkehrsreferent Wanka arbeitet die Behörde bereits seit zwei Jahren an Lösungen für die anderen großen Kreuzungen an der Münchner Straße, auch sie sind laut Polizei Unfallschwerpunkte - allen voran die an der Bajuwarenstraße. Änderungen sind aber auch für die Ecke Allacher Straße und die Kreuzung am Möbelhof vorgesehen. "2021 soll die erste fertiggestellt werden", sagt Wanka. Ursprünglich sei dies schon für 2019 geplant gewesen, doch die Prioritäten des Staatlichen Bauamts hätten sich immer wieder verschoben.

Damit Fußgänger und Radler künftig leichter und schneller über die Münchner Straße kommen, auch an der Kreuzung Hochstraße, hat Wanka nun "intelligente Ampeln" für die gesamte B 304 beantragt. Vorreiter dieser Fußgängerampeln ist Dachau. An der dortigen Münchner Straße Ecke Prinz-Albert-Straße steht das erste Exemplar. Sie funktioniert mit Infrarotkameras. Diese erfassen den Bereich vor der Ampel und erkennen, wenn jemand die Straße queren will. In dem Fall schaltet sie automatisch auf Grün, ohne dass der Fußgänger einen Knopf drücken muss. Das ist nicht nur bequemer, sondern spart Zeit. Außerdem können die Kameras erkennen, wie lange der Fußgänger braucht, um über die Straße zu kommen. Dementsprechend passt die Ampel die Grünphase an. Ist der Fußgänger schneller, kann der Verkehr früher wieder fließen, braucht er länger, müssen die Autos warten. In Dachau ist man bereits so begeistert, dass es erste Stimmen gibt, die Ampel auch an anderen Orten einzusetzen.

An dem Siegeszug der intelligenten Ampel will nun auch Karlsfeld partizipieren - zumindest wenn es die Finanzen zulassen. Entwickelt worden ist die Ampel unter Federführung des Stadtbauhofs, speziell von Verkehrstechniker Heribert Lorenz. Doch es ist auch eine Firma mitbeteiligt. "Die Firma will sicher, dass sich die Ampel etabliert, vielleicht können wir ja einen lokalen Rabatt bekommen", hofft Wanka.

Der Vorteil für die Hochstraßeninsel läge wohl darin, dass sich nicht mehr so viele Leute an der Stelle sammeln müssen wie bisher. Ob sich so das Problem des geringen Platzes löst, bezweifelt der Grünen-Fraktionschef Michael Fritsch. Ob die Kosten das rechtfertigen ebenfalls. "Die eigentliche Lösung ist umfangreicher. Erhebliche bauliche Maßnahmen sind trotzdem nötig", sagt er. Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) befürchtet, dass die Kosten für so eine Ampel sicher an der Gemeinde hängenbleiben. Doch Verkehrsreferent Wanka ist der Ansicht: "Es ist kein Luxuswunsch. Die Münchner Straße ist so stark frequentiert, dass wir alles nehmen müssen, was wir kriegen, um eine Verbesserung zu bekommen.

Wer datenschutzrechtliche Bedenken gegen eine solche "intelligente Ampel" hat, dem hält die Stadt Dachau entgegen, dass die Infrarotkameras die Personen nur schemenhaft erkennen. Zudem würden die Daten nicht gespeichert. In Karlsfeld will man sich nun im Rahmen eines Radverkehrskonzepts mit Kreuzung und Ampel auseinandersetzen. Im Herbst soll damit begonnen werden.

© SZ vom 31.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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