Verkehrsplanung:Die Vision von Radschnellwegen

Verkehrsplanung: Peter Reiz, Sprecher des Landesverbands des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) aus Karlsfeld.

Peter Reiz, Sprecher des Landesverbands des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) aus Karlsfeld.

(Foto: Toni Heigl)

München schafft bereits erste Pilottrassen nach Garching und Unterschleißheim. Das wäre für Dachau mit mehr als 53 000 Pendlern täglich interessant - doch die Umsetzung ist schwierig.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Die Niederlande, Belgien und Dänemark haben sie längst: Radschnellwege, auf denen man sicher, bequem und schnell längere Strecken zurücklegen kann. Auch im Landkreis gibt es Bestrebungen, solche "Radlautobahnen" einzuführen. Die Landeshauptstadt München plant bereits erste Pilottrassen, eine nach Garching und eine nach Unterschleißheim. Das macht das Projekt auch für den wachstumsstarken Landkreis Dachau interessant. Dort sind heute schon jeden Tag mehr als 53 000 Pendler unterwegs, davon fast 60 Prozent mit dem Auto. Die Straßen sind verstopft - also warum nicht umweltfreundliche Alternativen schaffen? Viele große Arbeitgeber sitzen im Münchner Norden, MAN, MTU, Krauss-Maffei und BMW - quasi vor der Haustür.

"Alle finden die Idee ganz toll", sagt Peter Reiz, Vorstandsbeauftragter des ADFC-Landesverbands Bayern. "Aber es passiert nichts. Jeder schiebt jedem den Schwarzen Peter zu. Da fehlt mir die Initialzündung." Die Kommunen müssten von sich aus was tun. Stattdessen begnügten sie sich mit der Rolle des Zuschauers oder, schlimmer noch, schnitten wie seine Heimatgemeinde Karlsfeld mit ihrer Bautätigkeit mögliche Trassen für Radschnellwege ab. Der Landkreis Dachau tüftelt zwar an einem umfangreichen Gesamtverkehrskonzept, inklusive Radwegenetz, doch das Konzept soll erst 2019 stehen. "Bis dahin sind planerisch alle Züge längst am Ziel."

Der Radexperte ist in dieser Angelegenheit schon bei diversen Kommunalpolitikern vorstellig geworden, unter anderem beim Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Der betrachtet das Ansinnen für Radschnellwege mit großer Sympathie, ist aber ratlos, mit wem er sich dazu eigentlich in Verbindung setzen soll: Neben der Landeshauptstadt München ist auch der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München beteiligt. "Bis heute ist keiner an mich herangetreten", sagt Hartmann. "Und ich weiß bis heute nicht, wer in dieser Sache eigentlich den Hut aufhat." Peter Reiz vom ADFC sieht den Landkreis in der Pflicht. "Die müssen das alles zusammenführen", sagt er.

Großes Potenzial

Im Landratsamt befasst sich Florian Haas federführend mit dem Thema. Er ist zuständig für Kreisentwicklung, allerdings kann auch er derzeit wenig tun. Im vergangenen Jahr hatte die Landeshauptstadt München angefragt, ob der Landkreis Dachau sich dem Projekt anschließen wolle. Die ersten Untersuchungen hatten gezeigt, dass es für eine Anschlusstrasse nach Karlsfeld und Dachau ein großes Potenzial gibt, von und nach München sind dort regelmäßig mehr als 18 300 Pendler unterwegs. Möglicherweise liegen die Zahlen inzwischen sogar schon deutlich höher.

"Wir haben unser Interesse an der Erstellung bekundet", sagt Haas. "Aber wir warten immer noch auf den Grundsatzbeschluss des Münchner Stadtrats." Erst dann stünden die Haushaltsmittel zur Untersuchung der Korridore zur Verfügung. Und erst dann könne auch Dachau mit einer Machbarkeitsuntersuchung beginnen. Mit dem Beschluss aus München rechnet Haas nicht mehr vor der Sommerpause. Und dann stehen noch viele weitere Hürden an: Alle Kommunen, über deren Grund der Radschnellweg geht, müssten mitziehen; die unterschiedlichen Baulastträger müssten an der Planung beteiligt werden. Außerdem müssen die entsprechenden Grundstücke gekauft werden, um eine Trasse zu bauen, und das könnte sehr viel schwieriger werden als beim Bau einer Straße. "Wir wissen gar nicht, ob wir mit den Mitteln eines Planfeststellungsverfahrens arbeiten können", erklärt Haas die Situation.

Kompliziert, kleinteilig und langwierig

Das Projekt Radschnellwege hat hierzulande immer noch experimentellen Charakter: Weder die Straßenverkehrsordnung noch die Regelwerke zum Straßenbau kennen diese "Radlautobahnen", und so muss wohl weiter im Klein-Klein gearbeitet werden. "Ich gehe davon aus, dass es noch viele Jahre dauern wird, bis der erste Radler im Landkreis über einen Radschnellweg fährt", sagt Haas.

Bis dahin setzt der Landkreis auf einen Ausbau und Lückenschlüsse im konventionellen Radwegenetz. Das findet Radexperte Peter Reiz an sich gar nicht so verkehrt, nur müsse wirklich sichergestellt sein, dass die Radler die Fahrbahn für sich allein haben. "Wenn dort wieder lauter Fußgänger unterwegs sind, bringt das gar nichts", stellt er klar. Aber auch das Verkehrskonzept des Landkreises kommt gerade nicht voran. "Wir warten immer noch auf die Ergebnisse der Verkehrszählung von 2015", sagt der Pressesprecher des Landratsamts, Wolfgang Reichelt. Und solange diese Eckdaten nicht vorlägen, könne der Kreis nicht planen.

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