Verkehr:Das Experiment

Testbetrieb Münchner Straße

Mit Markierungsstreifen und mobilen Verkehrselementen wurde der zentrale Bereich der Münchner Straße in Dachau umgestaltet.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die stark frequentierte Münchner Straße in Dachau hat jetzt Fußgängerinseln und Schutzstreifen für Radler. Für Autos bleibt jeweils nur eine Spur. Nach einjähriger Testphase und Bürgerbefragung entscheidet der Stadtrat

Von Petra Schafflik, Dachau

Radler-Schutzstreifen, Fußgängerinseln und nur mehr eine Fahrbahn in jede Richtung: Die Dachauer müssen sich in der inneren Münchner Straße auf eine neue Verkehrsführung einstellen. Aufwendige Baumaßnahmen waren nicht nötig: Mit Markierungsstreifen und mobilen Verkehrselementen wurde die zentrale Strecke zwischen dem Süßwarengeschäft Candisserie und der Kreuzung Münchner-, Bahnhof- und Schillerstraße umgestaltet. Die neue Gestaltung der Straße, die gleichzeitig Durchgangsstraße und Einkaufsboulevard ist, gilt zunächst für ein Jahr auf Probe. Einer Studie von 2009 zufolge benutzen täglich 19 500 Fahrzeuge die innere Münchner Straße. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), der die umgebaute Münchner Straße am Freitag offiziell präsentierte, hat das Verkehrsgeschehen in den ersten Tagen schon bei mehreren Stippvisiten beobachtet. "Meine ersten Beobachtungen sind recht positiv."

Weil es in Strömen regnet, sind nur wenige Radler unterwegs, als der Oberbürgermeister gemeinsam mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung die neue Verkehrsführung vorstellt. Aber immer wieder eilen Fußgänger mit ihren Einkäufen über die Straße, nutzen dabei die neuen Mittelinseln. Die Schutzzonen in der Fahrbahnmitte motivieren sogar einige Autofahrer abzubremsen, um wartende Passanten rasch über die Fahrbahn zu lassen. "Ich bin begeistert", sagt eine Anwohnerin im Vorübergehen. Gerade um die Verkehrssicherheit für Radfahrer wie Fußgänger zu erhöhen, wurde die neue Verkehrsführung auch konzipiert. Nebenbei soll dadurch der Charakter der Münchner Straße als Geschäftsstraße gestärkt werden. Wenn Radfahrer auf dem Schutzstreifen der Fahrbahn radeln, so die Hoffnung des Stadtrats, werden weniger Radler wie bisher den Gehweg nutzen. Auf dem Bürgersteig sollen Passanten somit künftig entspannter flanieren.

Autofahrer müssen sich an die neuen Schutzstreifen und die einspurige Fahrbahn vermutlich aber erst gewöhnen. Da passt es ganz gut, dass der Start jetzt in die Ferienzeit fällt. "Das muss sich einspielen", meint Hartmann. Sorgen um Dauerstau und Verkehrskollaps braucht sich aber niemand zu machen, betont Bauamtsleiter Michael Simon. "Die Kapazität der Münchner Straße wird durch die Knotenpunkte beschränkt, die einspurige Fahrspur ändert daran nichts." Gemeint ist folgendes: Von der Altstadt her verläuft die Münchner Straße bis zur Einmündung der Schleißheimer Straße einspurig, vor der Kreuzung Bahnhof- und Schillerstraße läuft die Strecke wieder einspurig zusammen. "Egal ob dazwischen eine oder zehn Fahrbahnen sind, an den Knoten können immer gleich viele Fahrzeuge passieren", so der Bauamtsleiter. Von der neuen Einspurigkeit erhoffen sich die Planer im Stadtbauamt mehr Sicherheit, auch für die Autofahrer. Zwar bleibt es möglich, wartende Fahrzeuge zu passieren. Aber spritzige Überholmanöver, um sich an der nächsten Ampel eine bessere Startposition zu sichern, gehören der Vergangenheit an. "Von vorne bis hinten auf der linken Spur durchziehen", gehe nicht mehr. Das Tempo in der Münchner Straße soll so "langsamer aber gleichmäßiger" werden, betont der Oberbürgermeister.

Mit dem Umbau der zentralen Verkehrsader der Stadt wird jetzt ein neuralgischer Punkt aufgegriffen, der den Stadtrat schon viele Jahre lang beschäftigt. Bereits seit den 1970er Jahren gab es immer wieder Anträge und Überlegungen, die stark frequentierte Straße optimaler zu gestalten. "Viele, teilweise auch teure Pläne", erinnert sich Verkehrsreferent Volker C. Koch (SPD). Zum Beispiel eine "Boulevard-Lösung", die 1993 ausgiebig diskutiert wurde. Das Konzept sah beidseitige Radwege, breite Bürgersteige und mehr Grün vor, allerdings zulasten von Parkplätzen, weshalb die Idee im Bauausschuss scheiterte. Auch andere Anläufe gingen ins Leere. Stellplätze wollte vor allem die CSU-Fraktion nicht opfern. Schließlich wurde 2012 ein Vorschlag diskutiert, den das Bauamt aus einem Antrag von Stadträtin Elisabeth Schilhabel (fraktionslos) entwickelt hatte. Kernpunkte: Beidseitige Radstreifen mit nur einer Fahrbahn in jede Richtung plus Mittelstreifen mit Querungsinseln. Der Vorschlag, der wichtige Elemente des aktuellen Konzepts vorwegnimmt, wurde vertagt. Im vorigen Frühjahr bekam das Vorhaben neuen Schub: Das jetzt umgesetzte Konzept erhielt plötzlich Zustimmung, sollte aber sicherheitshalber per Verkehrsstudie geprüft werden. Weil so eine Expertise enorm teuer ist, wird nun für nur 10 000 Euro Materialkosten sofort praktisch getestet. "Eine intelligente und dabei noch preisgünstige Lösung", freut sich Verkehrsreferent Koch. Weiterer Vorteil: Der Effekt der neuen Verkehrsführung kann konkret beobachtet, vom Stadtbauamt anhand solider Vorher-Nachher-Daten verglichen werden. Auch alle Dachauer können sich persönlich ein Urteil bilden und ihre Meinung äußern. Denn zum Jahresende werden Passanten und Geschäftsleute befragt, auch im Internet sollen Bürger dann ihre Erfahrungen melden. Dann wird der Stadtrat entscheiden.

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