Verkaufsausstellung:Atelierausstellung in der Stockmann-Villa

Die Ausstellung war immer auch eine Sause, in der sich unterschiedliche Altersgruppe und Milieus begegneten und mischten. In diesem Jahr sind nur Besuche nach telefonischer Anmeldung erlaubt. Die vier Künstler hoffen am Ende dieses schwierigen Jahres trotzdem auf viele Besucher

Von Gregor Schiegl, Dachau

Freundlich schauen sie, die Tiere, die Lilly Karsten bei ihren Streifzügen durch den Wildpark Poing in Schwarz-Weiß-Fotos porträtiert hat: der Luchs scheint zu lächeln, und das Bison wirkt so friedlich, dass man den Koloss am liebsten streicheln würde. Aus einem Karton zieht die 35-jährige Fotokünstlerin ihr Lieblingswerk des Jahres, ein großer mehrfarbiger Fotodruck: Koi-Karpfen, glänzend wie aus buntem Metall in einem schwerelosen Tanz. "Fünf Stunden habe ich vor dem Teich gesessen", schwärmt sie. Lilly Karsten liebt Motive, die Ruhe vermitteln: die Weite des Himmels, die Vögel, das Meer. Sie selbst kommt in diesem Jahr kaum zur Ruhe, vier Stunden Schlaf in der Nacht, mehr geht nicht. Einen Großteil ihrer Einkünfte bestreitet sie mit Fotoreportagen von Hochzeiten. Aber die meisten Feiern fielen ins Wasser, und die Bräute weinten.

Normalerweise wäre Karsten um dieses Jahreszeit für 2021 schon so gut wie ausgebucht. Was sie jetzt hat, sind zwei Termine. Fürs ganze Jahr. Auf die traditionelle Atelierausstellung in der Stockmann-Villa hatte sie sich schon gefreut. "Ich finde es cool, wenn viele Leute kommen, und auch die anderen Künstler besuchen, um die Schönheit in die Welt hinauszutragen." Tja.

Normalerweise sind diese Ausstellungen ein Mix aus Farbenrausch, munteren Gesprächen und Gin Tonic, den Ralf Hanrieder ein Stockwerk tiefer für feierlustige Besucher mixt. Dieses Jahr ist es nur eine Verkaufsausstellung, bei der so wenig Begegnung wie möglich stattfindet.

An neuen Werken herrscht kein Mangel. "Man hält es ja nur aus, wenn man arbeitet", sagt Herbert F. Plahl. Er setzt die Impressionen seiner Reisen malerisch um in Bilder, in denen es von Figuren, Häusern und Vögeln wimmelt, auch wenn diese häufig abstrakt sublimiert sind, sodass sie wirken wie Ornamente oder fremdartige Schriftzeichen in einer bunten Landschaft. Die Komposition der Farben ist erkennbar an die jeweiligen Kulturkreise angelehnt. Ein Bild über Marokko vermengt das Sandbraun der Wüste mit der farbenfrohen Vielfalt der traditionellen Gewänder. "Ein echtes Erlebnis, dieses Bild", sagt Plahl stolz. Normalerweise reist er viel und weit, und holt sich so seinen kreativen Input. Jetzt muss er von seinen Erinnerung zehren. Oder er überarbeitet die alten Bilder.

Im winzigen Atelier darüber hängen und stehen Tadeusz Stupkas Gemälde. Zum Glück hat ihm Landrat Stefan Löwl bei der "Langen Nacht der offenen Türen" ein Bild abgekauft, "Blue Baby", das die Erde als Säugling darstellt: hilfs- und schutzbedürftig. Normalerweise ist Stupka eher in der flirrenden Zwischenwelt von Abstraktion und Gegenständlichkeit daheim. Neuerdings experimentiert er mit Pouring, einer Technik, bei der Acrylfarben auf die Leinwand gegossen werden und zu dekorativen Schlieren verschwimmen. Hobbykünstler stellen so abstrakte Kunstwerke zum Hausgebrauch her. Das wäre Stupka freilich zu wenig. Er bildet seine Bilder kolorierten Luftaufnahmen nach, gießt sie in die Silhouetten kopulierender Paare oder kratzt eine Ansicht der Dachauer Altstadt aus den Farbstrudeln.

Mit dem verkorksten Jahr kommt Stupkas Ateliernachbar Ralf Hanrieder wohl noch am besten zurecht. "Für mich ist das auch die Chance, mal was anderes auszuprobieren." Er präsentiert seine Arbeiten online, sein neunteiliges Mobile 9G (in Anlehnung an das Mobilfunknetz 5G). Die Monade in Hanrieders Welt ist das magische Quadrat, eine mathematische Figur, die er akribisch auf der Leinwand repetiert, und die sich zu pulsierenden, flirrenden und plastischen Gebilden krümmen: Eier, Kugeln, Spiralen und Wellen in einem Farbfeuerwerk von schwindelnder Intensität.

Diese filigranen Netze zu malen, dauert Wochen. Andere würden wahnsinnig dabei werden, er aber taucht ein in die Energie seiner Bilder, zeichnet und pinselt wie in Trance. "Für mich ist der Akt des Machens das Entscheidende." Über die Jahre sind die Bilder immer komplexer geworden. "Für mich ist das schon ein ganzes Universum", sagt Hanrieder. Dass sich in seine handwerklichen Tätigkeiten immer wieder kleine Abweichungen einschleichen, macht den Reiz im Gesamtbild aus. Ein Kosmos braucht Raumanomalien, Interferenzen und Hintergrundstrahlung, daraus bezieht er seine Energie, darin besteht seine Lebendigkeit. Die perfekte Harmonie, das wäre der Tod.

Atelierausstellung (Verkaufsausstellung) in der Stockmann-Villa, Münchner Straße 38, noch bis 20. Dezember. Montag bis Samstag nach telefonischer Voranmeldung. HF Plahl, 0160/19 1 31 24; Tadeusz Stupka, 0179/782 91 94; Lilly Karsten: 0176/20 53 94 31; Ralf Hanrieder: 0174/637 23 87.

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