Verbot von Großveranstaltungen:Dachauer Volksfest ist abgesagt

Volksfestplatz Thomawiese

Wer sich auf ein buntes Treiben auf der Thoma-Wiese gefreut hat, muss nun mit Paula Wimmers Gemälde auf der Stele des Künstlerwegs Vorlieb nehmen: Das Dachauer Volksfest findet in diesem Jahr nicht statt.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Spekulationen über eine Verschiebung erteilt Oberbürgermeister Florian Hartmann eine Absage. Nicht nur in der Kreisstadt, auch in anderen Landkreisgemeinden kommt mit dem Beschuss Söders das kulturelle Leben zum Erliegen

Von Benjamin Emonts, Dachau

Im Dachauer Rathaus hat man am Donnerstagmittag noch den Auftritt des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) abgewartet, bis verkündet wurde, was längst alle ahnten: Das Dachauer Volksfest fällt in diesem Jahr aus. Die entsprechende Mitteilung der Stadt kam um exakt 14.25 Uhr. Die Entscheidung sei "sehr bitter", aber die "einzig richtige", teilte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) darin mit. Ein Volksfest mit täglich 30 000 Besuchern sei "schlicht und ergreifend nicht durchführbar" in Zeiten der Corona-Pandemie.

Mit der Verkündung Söders, alle Großevents in Bayern bis zum 31. August zu untersagen, kommt das kulturelle Leben im Landkreis für Monate weitestgehend zum Erliegen. Offiziell abgesagt wurde am Donnerstag auch das Karlsfelder Siedlerfest. Äußerst unsicher sind zudem die Veranstaltungen vom "Dachauer Musiksommer", der Ende Mai mit Jazz in allen Gassen seinen Auftakt feiern sollte. Kulturamtsleiter Tobias Schneider will noch abwarten, wie die Staatsregierung "Großveranstaltungen" genau definiert. Mit den Bands wolle er Gespräche führen, ob die geplanten Konzerte mit Django 3000 und Thees Uhlmann vor dem Dachauer Rathaus in den September verschoben werden könnten. Nach Zuversicht klingen Schneiders Spekulationen allerdings nicht. Das Indersdorfer Volksfest und das Tanderner Schlosskonzert wurden jedenfalls schon abgeblasen, ebenso die Sinfonische Sommernacht in Schönbrunn. Weitere Absagen, etwa vom Musikfestival in Puch, sind wohl nur noch eine Frage der Zeit.

Am schwersten trifft die Dachauer jedoch die Absage ihres traditionellen Volksfests, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch nie ausgefallen ist. Mit etwa 300 000 Besuchern jährlich ist es ein Teil der Dachauer Identität geworden und eines der beliebtesten Volksfeste in Bayern. Für die Einheimischen bedeutet es einmal im Jahr ein großes Wiedersehen mit Freunden und alten Bekannten. "Ich bin traurig. Es ist das gesellschaftliche Highlight der Stadt", sagte Florian Hartmann am Donnerstag am Telefon. Die Gesundheit aber gehe vor.

Auf die Enttäuschung hatten sich die Dachauer ohnehin seit geraumer Zeit eingestellt. Die stetig steigende Zahl an Covid-19-Erkrankten im Landkreis ließ die Vorstellung an ein fröhliches Volksfest von Tag zu Tag unrealistischer wirken. "Es wurde schnell klar, dass das heuer nichts wird", sagte Hartmann, der über die vergangenen Jahre die Profession entwickelt hatte, das erste Fass Bier mit lediglich zwei gezielten Schlägen zu zapfen. Mit dem Fest einher gehen zahlreiche Veranstaltungen wie der traditionelle Einmarsch der Vereine, der kostümierte Kinderumzug mit rund 600 Teilnehmern oder das Bergkriterium des Radsportvereins Soli Dachau auf dem Kopfsteinpflaster der Altstadt. Nach dem Volksfest ging die Party in den umliegenden Lokalen oft noch bis in die Nachtstunden weiter. Betroffen von der Absage sind daher auch Gastronomen und die Tourismusbranche, die in Dachau derzeit ohnehin einen dramatischen Einbruch erlebt.

Besonders arg gebeutelt aber sind die rund 80 Schausteller, die wegen der Corona-Krise seit etlichen Wochen arbeitslos sind. Laut Paul Tille, der sie als Sprecher vertritt, ist die Situation "fatal". Er erzählt von Schaustellerfamilien, die nicht mehr genug Geld hätten, um sich etwas zu essen zu kaufen. Viele Schausteller haben demnach vor der Corona-Krise Schulden aufgenommen, um in ihre Geschäfte zu investieren oder Dieselfahrzeuge umzurüsten oder ganz zu ersetzen. Kosten für Wohnung, Fahrzeuge, Unterstellplätze und Versicherungen liefen weiter, während sämtliche Einnahmen ausfielen. Die von der Regierung versprochenen Soforthilfen, auf die viele Schausteller seit Wochen warteten, seien für die meisten lediglich ein "Tropfen auf den heißen Stein". Tille selbst erwartet vom Staat eine Unterstützung von 9000 Euro bei laufenden Kosten von monatlich 5000 Euro. "Wir Schausteller wissen nicht, ob es uns im nächsten Jahr noch gibt."

Auch das seit 1957 bestehende Karlsfelder Siedlerfest, das schon Anfang Juli beginnen sollte, kann in diesem Jahr keine Abhilfe leisten. Die Vorsitzende der Karlsfelder Siedlergemeinschaft-Nord, Christa Berger-Stögbauer, schickte am Donnerstagvormittag bereits die Absagen an Schausteller, Behörden und Musiker. Bedauerlich sei die Situation, sagt sie, weil das Siedlerfest in den vergangenen Jahren seinen guten Ruf zurückgewonnen habe und deutlich steigende Besucherzahlen verbuchte. Die wirtschaftlichen Folgen hielten sich in Grenzen, weil die Siedlergemeinschaft mehrere Hundert Arbeitsstunden zur Vorbereitung des Fests ausschließlich ehrenamtlich geleistet habe. Ihre Gedanken seien deshalb bei den vielen Schaustellerfreunden, die um ihre Existenz fürchteten. Viele seien nun jedoch auch froh, Gewissheit zu haben und die vorausbezahlten Gebühren zurückzubekommen.

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann bietet den Schaustellern und Festwirten die Option, ihre Plätze im kommenden Jahr ohne ein weiteres Bewerbungsverfahren behalten zu dürfen - womöglich ein Funken Zuversicht für die Schausteller. Für die Dachauer Stadtkasse, sagt Hartmann, bedeute die Absage keinen größeren Schaden. Wegen der erhöhten Sicherheitsvorkehrungen habe die Stadt in den vergangenen Jahren eher "leicht draufgezahlt", als dass sie mit dem Volksfest etwas verdient hätte. Die bereits geleisteten Ausgaben beschränkten sich auf eingeplante Kosten für Personal, das sich mit der zeitintensiven Organisation des Volksfests beschäftigt hatte.

Spekulationen in den sozialen Netzwerken, das zweiwöchige Volksfest könnte in den Herbst verschoben werden, erteilte Hartmann eine deutliche Absage: "Das ist für Dachau keine Option." Selbst zu einem späteren Zeitpunkt bestehe angesichts der Pandemie keinerlei Planungssicherheit für die Stadt. Schausteller und Fahrgeschäfte hätten zudem einen durchgetakteten Terminkalender, der einer Verschiebung im Weg stehe. Das Volksfest Ende Mai in Markt Indersdorf hatte der Veranstalter Josef Schuster junior bereits vor einem Monat abgesagt. Er sagte damals schon, es sei "unrealistisch und deplatziert", in Zeiten von Corona ein Volksfest abzuhalten.

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