Veranstaltung in Odelzhausen:Der Widerspruch

Veranstaltung in Odelzhausen: Jesus Christus steht für eine offene Haltung gegenüber den "Fremden" - die Kirchen lehnen jede islamfeindliche Politik ab.

Jesus Christus steht für eine offene Haltung gegenüber den "Fremden" - die Kirchen lehnen jede islamfeindliche Politik ab.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die völkisch-nationalistische Politik der AfD lässt sich mit der katholischen Soziallehre nicht vereinen. Das macht die "Münsteraner Studie" deutlich, die der Theologe Benedikt Löw für das Dachauer Forum vorstellt

Von Renate Zauscher, Odelzhausen

Nach dem Vortrag des Referenten Benedikt Löw in Odelzhausen melden sich zwei junge Männer - und geben sich als Mitglieder der rechtspopulistischen AfD zu erkennen. Genau um diese Partei und das Verhältnis der katholischen Kirche zu ihr ging es dem Theologen Löw. Ihm, sagt einer der beiden AfD-Mitglieder, seien keine Rassisten in seiner Partei bekannt. Löw sollte dem Zuhörer bestätigen, dass man "unabhängig von der Abwertung anderer" für den "Erhalt" des eigenen "Volkes" eintreten dürfe. Die 30 Besucher im Saal des katholischen Pfarrheims warten gespannt auf die Antwort des Theologen aus der Erwachsenenbildung.

Die Antwort hatte Benedikt Löw bereits in seinem Vortrag gegeben. Er stellte die "Münsteraner Studie" (2017) vor, die am Institut für Christliche Sozialwissenschaften der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster und am Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft an der Hochschule für Philosophie in München erarbeitet worden ist. Die Studie widmet sich der zentralen Frage, wie die katholische Kirche zur AfD steht und wo es möglicherweise Überschneidungen zwischen kirchlichen Positionen und denen der AfD gibt.

Das Ergebnis, zu dem die Studie kam, ist eindeutig: Die Lehre der Kirche ist mit dem, was die AfD glaubt und will, in wesentlichen Teilen gänzlich unvereinbar. Für den Theologen Löw ist klar: Dort, wo für ihn wie für die Kirche die "rote Linie" verläuft, muss die Kirche "klare Kante zeigen". Aber freundlich. Zumindest jetzt reagiert Löw freundlich, gesprächsbereit, lobt den "Mut" der beiden jungen Männer, die sich offen zur AfD bekennen. Der Theologe plädiert grundsätzlich für einen Dialog und die Suche nach Kompromissen. Dort allerdings, wo die "rote Linie" überschritten werde, sei es gut und richtig, wenn die Kirche eine klare Position einnehme.

Wo aber läge der Kompromiss, wenn etwa die nationalsozialistische Zeit als ein "Vogelschiss" in der deutschen Geschichte bezeichnet wird? Kann es einen Dialog über die Verharmlosung der Naziverbrechen geben, der die AfD mit solchen Aussagen Vorschub leistet? Wie lässt sich mit AfD-Mitgliedern diskutieren, die behaupten wollen, in ihrer Partei gebe es keine Rassisten? Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, ein Faschist, wird zu der Kundgebung der islam- und fremdenfeindliche Pegida-Bewegung am Montag erwartet. Für Löw ist besonders ein Aspekt wichtig: die völkisch-nationalistische Politik, die von der AfD propagiert werde. Diese, sagt die Münsteraner Studie, sei "zutiefst unchristlich". Das Christentum, erläutert Löw, "predigt als Grundlage seiner Botschaft die Gleichheit aller Menschen". Dies sei auch die Haltung des Zweiten Vatikanischen Konzils gewesen. So sei damals, 1965, unter anderem festgehalten worden, dass die Kirche "Muslime, die den alleinigen Gott anbeten", mit "Hochachtung" betrachte. Aber auch einen berühmten Satz von Paulus zitierte Löw: "Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, denn ihr alle seid Einer in Christus Jesus".

Die Münsteraner Studie ist aus dem Wunsch verschiedener katholischer Bistümer im Osten Deutschlands nach argumentativer Hilfestellung gegenüber der AfD entstanden. Ihre Autoren haben sich zum einen mit den gesellschaftlichen und politischen Umständen befasst, die zum Entstehen der AfD geführt haben, und zum anderen mit deren grundsätzlichen Positionen, wie sie sich in Äußerungen ihrer Funktionäre oder in Facebook-Kommentaren darstellen. Die Erkenntnisse daraus wurden sodann mit Positionen der katholischen Soziallehre verglichen.

Damit ist ein wie auch immer gearteter Dialog aber am Ende - antisemitische, rassistische, demokratiefeindliche Äußerungen überschreiten die "rote Linie"; sie bedürfen überall und jederzeit eines energischen Widerspruchs. Das tun auch katholische wie evangelische Kirchenvertreter, von Kardinal Reinhard Marx über Heinrich Bedford-Strohm, dem Ratsvorsitzendenden der EKD, bis hin zu Papst Franziskus. Und was hätte Jesus selbst gesagt, etwa zur Flüchtlingsfrage, was lässt sich aus dessen Lebensgeschichte lernen? Die drei "Weisen aus dem Morgenland" verstehe die Kirche seit jeher als Vertreter dreier Kontinente, sagt Löw, was als sehr deutlicher Hinweis auf die Internationalität der Kirche und auf ihre Haltung gegenüber "Fremden" zu verstehen sei. Noch als Kind musste Jesus im Übrigen mit den Eltern fliehen, weshalb Papst Franziskus mit Fug und Recht sagen könne: "In den Geflüchteten begegnet uns Christus selber". Soweit die Antwort auf die populistische Forderung nach dem "Erhalt" des eigenen "Volkes" - das nach aller wissenschaftlicher Erkenntnis aus einer langen Reihe von Migranten hervorwuchs, übrigens auch aus Ländern, aus denen heute Geflüchtete nach Europa kommen.

Die Völkisch-Nationalen stehen in eklatantem Widerspruch zum Bekenntnis der Kirche zur Würde eines jeden Menschen, zu Religionsfreiheit und Akzeptanz auch anderer Religionen als "Weg zu Gott". Eben deshalb gilt es, die Freiheit der Religionsausübung zu verteidigen - etwa dort, wo es um den Bau von Moscheen in diesem Land geht. Auf der Veranstaltung des Dachauer Forums konnten - in 90 Minuten - nicht alle Aspekte des Verhältnisses zwischen kirchlicher Soziallehre und AfD-Positionen geklärt werden, und auch die Frage nach Überschneidungen im Meinungsspektrum beider Organisationen wurde nur knapp angeschnitten - doch klar wurde, dass die Politik der AfD den christlichen Werten entgegengesetzt ist. "Wer den Holocaust leugnet", erklärte ein Zuhörer, "mit dem kann es für mich nicht die geringste Gemeinsamkeit geben".

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