Süddeutsche Zeitung

Veranstaltung in der Kulturschranne:Wort-Kämpfer

Erinnerung an Jura Soyfer

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Über Jura Soyfer sagen Literaturkritiker und Feuilletonisten, er hätte einer der größten Schriftsteller deutschsprachiger Literatur werden können. Im "roten Wien" der Zwanzigerjahre gehörte er zu den vielversprechenden Autoren der politischen Linken. Mit einer Veranstaltung am Dienstag, 8. Dezember, erinnert der Verein Zum Beispiel Dachau an den Verfasser des "Dachau-Lieds", der im Alter von 26 Jahren im KZ Buchenwald starb. Soyfer verfasste Theaterstücke, schrieb Stücke für das Kabarett der Sozialdemokraten und Gedichte, die er in seiner Kolumne "Zwischenrufe links" in der Arbeiterzeitung veröffentlichte. In seinen Werken warnte er vor dem Nationalsozialismus und forderte Widerstand gegen autoritäre Strömungen. Wie viele Intellektuelle wurde Soyfer nach der Annexion Österreichs 1938 ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Im KZ verfasste er mit dem Komponisten Herbert Zipper, der auch aus Wien deportiert worden war, das berühmte Dachau-Lied: ein Widerstandslied der Häftlinge, das die zynische Aufschrift "Arbeit macht frei" am Eingang des Lagers verarbeitete und zu einem Symbol der Hoffnung auf Befreiung wurde.

"Doch wir haben die Losung von Dachau gelernt, und wir wurden stahlhart dabei", heißt es im Refrain, "Bleib ein Mensch, Kamerad, sei ein Mann, Kamerad." Es verbreitete sich bis weit über die Grenzen des KZ Dachau hinaus, obwohl aus Angst vor den Konsequenzen weder Text noch Musik schriftlich festgehalten wurden. Wenige Monate später starb Soyfer im KZ Buchenwald an Typhus. Entlassungspapiere, die seine Familie aus dem Ausland erwirkt hatte, kamen zu spät. Zipper wurde 1939 entlassen und floh in die USA, wo er als Komponist und Musikpädagoge arbeitete.

Unter dem Titel "Ihr letztes Lied - das Dachau-Lied" erinnert der Zeitgeschichtsverein Zum Beispiel Dachau nun an Soyfer und Zipper. "Wenn man sich ihre Geschichten anschaut wird einem klar, was die Nationalsozialisten auf künstlerisch-intellektueller Ebene angerichtet haben", sagt Davida Düring vom Verein, "und welche Gedanken deshalb nicht mehr gedacht werden können". Diesen Verlust will der Verein deutlich machen. Von 19.30 Uhr an werden in der Kulturschranne, Pfarrstraße 13, Sequenzen aus dem Film "Der Schatten ist lang" gezeigt, der das Leben Soyfers nachzeichnet. Darin kommen Weggefährten des Autors und auch Zipper zu Wort. Ein Gitarrist und eine Geigerin begleiten den Abend musikalisch. Es sind jene Instrumente, mit denen das Dachau-Lied im Konzentrationslager gespielt wurde. Zum Ausklang des Abends werden lustige bis tragische Gedichte Soyfers vorgetragen, die zeigen sollen, wie groß die Bandbreite der Stimmungen in seinen Werken war. Im Anschluss an den Abend kann eine kleine Ausstellung besichtigt werden, sie ist eine Leihgabe der Jura-Soyfer-Gesellschaft Wien. Der Eintritt in die Kulturschranne ist frei.

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Quelle:
SZ vom 05.12.2015
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