J. D. Vance in Dachau:„Missbrauch des Gedenkens“

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US-Vizepräsident J. D. Vance und seine Frau Usha haben im ehemaligen Konzentrationslager Dachau einen Kranz für die Opfer niedergelegt. (Foto: Matthias Schrader/AP)

Weniger als 24 Stunden nach seinem Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau legt US-Vizepräsident J. D. Vance der deutschen Bundespolitik eine Zusammenarbeit mit der AfD nahe. Die Lagergemeinschaft Dachau verurteilt dies scharf.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Der Auftritt von US-Vizepräsident J. D. Vance in der KZ-Gedenkstätte Dachau in der vergangenen Woche schlägt weiter hohe Wellen der Empörung. Jetzt hat die Lagergemeinschaft Dachau Vance’ Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers scharf verurteilt. In einer Stellungnahme der Lagergemeinschaft, die einst von KZ-Überlebenden gegründet wurde, ist von einem „Missbrauch des Gedenkens“ die Rede. Dass Vance in Dachau einen Kranz für Holocaust-Opfer niederlegen durfte, sei „ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich gegen den Nationalsozialismus gestellt haben, ebenso wie der alliierten Soldaten, die Europa vom Faschismus befreiten“, schreiben der Shoah-Überlebende Ernst Grube, Präsident der Lagergemeinschaft, und Vizepräsident Jürgen Müller-Hohagen in der gemeinsamen Stellungnahme.

Vance hatte die KZ-Gedenkstätte vor der Münchner Sicherheitskonferenz besucht. Rund eineinhalb Stunden verbrachte er auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers, das vor 80 Jahren von US-Truppen befreit wurde und wo zwischen 1933 und 1945 mehr als 41 500 Häftlinge ermordet wurden oder an Krankheit, Hunger und Folgen von Folter starben. Der Holocaust-Überlebende Abba Naor sowie Mitarbeiter der Stiftung Bayerische Gedenkstätten begleiteten Vance und dessen Frau bei einem Rundgang. Anschließend legten der US-Vize und die Second Lady einen Kranz vor dem Internationalen Mahnmal nieder.

Der Besuch einer KZ-Gedenkstätte dürfe nicht zu einer „politischen Selbstinszenierung“ verkommen

Vor Journalisten zeigte sich Vance beeindruckt. Er werde seinen Besuch in Dachau niemals vergessen, sagte er und fügte hinzu: Die Gedenkstätte verdeutliche, „warum wir uns dafür einsetzen sollten, dass so etwas nie wieder geschieht“.

Was Vance unter dem Versprechen des „Nie wieder“ versteht, offenbarte sich weniger als 24 Stunden später. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz irritierte er mit einer undiplomatischen Rede. Statt über das transatlantische Verhältnis zu sprechen, mischte er sich in den deutschen Bundestagswahlkampf ein: In einer Demokratie „ist kein Platz für Brandmauern“, sagte Vance – faktisch ein Aufruf an die Bundespolitik zur Zusammenarbeit mit der in Teilen rechtsextremen AfD, einer Partei mit Politikern wie Björn Höcke, für welche die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus ein Störfaktor ist.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erinnerte Vance an dessen eigene Worte in der KZ-Gedenkstätte Dachau. „Ein Bekenntnis zum ‚Nie wieder‘“ sei nicht mit der Unterstützung für die AfD in Einklang zu bringen, so Scholz.

Auch die Lagergemeinschaft Dachau teilte nun mit, Vance habe mit seiner Rede verdeutlicht, dass er sich nicht zu den Werten einer demokratischen Gesellschaft sowie zur Erinnerungskultur bekenne. „Dass ihm dennoch eine medienwirksame offizielle Plattform in der Gedenkstätte eingeräumt wurde, ist nicht hinnehmbar und steht im Widerspruch zum Vermächtnis der Häftlinge der Konzentrationslager.“ Der Besuch einer KZ-Gedenkstätte dürfe nicht zu einer „politischen Selbstinszenierung“ verkommen, sondern müsse „klare Konsequenzen für das politische Handeln“ nach sich ziehen, so die Lagergemeinschaft. „Wer das Gedenken ernst nimmt, muss sich entschieden gegen Rassismus, Antisemitismus und jede Form der Demokratiefeindlichkeit stellen.“

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