Valentinstag:"Unser Bild von der Liebe ist unrealistisch"

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Was einen Menschen zum richtigen Partner macht, wurde zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich bewertet. Ein bisschen weniger Romantik wäre manchmal nicht schlecht, findet die Sulzemooser Buch-Autorin Annegret Braun

Interview von Viktoria Großmann

Ewig ist die Partnersuche. Aber verändert hat sich über die Jahrhunderte die Art, ihn zu finden: Bälle, Feste, Heiratsvermittler, Anzeigen, Online-Dating. Früher war das Suchen und Finden eine Angelegenheit der ganzen Familie, heute ist jeder auf sich gestellt. Die Kulturwissenschaftlerin Annegret Braun aus Sulzemoos hat für ihr Buch "Mr. Right und Lady Perfect" der Geschichte der Partnersuche nachgespürt. Begleitet hat sie das Thema schon seit ihrer Magisterarbeit: Für diese wertete sie Heiratsanzeigen aus sechs Jahrzehnten aus.

SZ: Ist es mit all den Möglichkeiten und Freiheiten, die wir haben, einfacher geworden, einen Partner zu finden?

Annegret Braun: Früher war es nicht einfach, jetzt ist es nicht einfach. Die Schwierigkeiten haben sich verändert. Früher hat man nicht so große Ansprüche gehabt, wie wir sie heute haben an eine Partnerschaft. Auf dem Land war es wichtig, dass der Hof existenzfähig bleibt. Die Bürgertöchter waren darauf angewiesen, dass sie versorgt werden. Sie hatten ja keinen Beruf.

Es ging um wirtschaftliche Zweckgemeinschaften.

Ja, und man hat der Liebe nicht so große Bedeutung zugemessen. Als die Romane aufkamen im 19. Jahrhundert, hat man diese vor den Bürgerstöchtern möglichst versteckt. Sie sollten nicht so idealistische Vorstellungen entwickeln, das war kontraproduktiv: Sie sollten nicht nach Gefühl heiraten! Sie sollten eine rationale Entscheidung treffen. Und das Gefühl, ach, das würde sich schon noch einstellen.

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(Foto: Toni Heigl)

Kulturwissenschaftlerin Annegret Braun lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München Volkskunde.

Ihr Sachbuch "Von der Brautschau zum Speed-Dating. Von alten Jungfern, neuen Singles und der großen Liebe" ist im Verlag Lambert Schneider erschienen und erzählt, wie die Partnersuche sich verändert hat. 232 Seiten kosten 14,95 Euro; E-Book 11,99 Euro.

Heute sind Gefühle alles.

Die Idealisierung hat extrem zugenommen, auch weil wir in einem Medienzeitalter leben. Wer postet schon ein Foto, wie er sich mit dem Partner am Frühstückstisch streitet? Es muss immerzu das Glück ausgestellt werden. So ist es auch bei den Heiratsanträgen. In den Achtzigerjahren hat man vielleicht noch gesagt: Wie ist es, wollen wir? Heute kann der Antrag nicht ausgefallen genug sein, und jeder soll es mitbekommen. Und im Film gehen die Leute bei Ehekrisen auseinander und verlieben sich neu. Wir haben ein unrealistisches Bild von dem, was Beziehungen ausmacht. Wer mit Paaren redet, weiß doch: Da hat jeder zu kämpfen. Das ist die Realität.

Onlinedating widerspricht doch eigentlich jeglicher Romantik, die wir uns, wie Sie sagen, erst einmal erkämpft haben. Ich suche mir meinen Partner aus, wie einen Mantel, die gewünschte Größe kann ich bei beiden angeben.

Im Gegenteil. Das Onlinedating bestätigt diesen unglaublichen Hang zur Romantik. Wir schauen uns nicht den netten Kollegen näher an, sondern wir suchen unseren Traummann oder die Traumfrau. Dafür nehmen wir unangenehme Dinge wie die Onlinesuche auf uns. Das Ideal ist so groß, dass wir einiges in Kauf nehmen. Interessanterweise versuchen Paare, die sich online kennengelernt haben, häufig eine Kennenlernromantik hinzu zu konstruieren. Sie sagen: Ach, eigentlich wollte ich mich gerade abmelden, im letzten Moment kam er oder sie daher und gleich hat es gefunkt. So ein Zufall!

Das macht doch trotzdem Hoffnung.

Ich finde es eine sehr gute Möglichkeit, jemanden kennenzulernen. Es gibt so viele Singles, aber vielleicht nicht gerade im Bekanntenkreis. Man muss nur aufpassen, dass man bei der großen Auswahl keine Shoppingmentalität entwickelt und immer schaut, wer noch besser passen könnte. Man muss sich klar machen, dass auf diesen Plattformen ganz normale Menschen unterwegs sind.

Trauen sich die Leute noch, einfach mal jemanden anzusprechen?

Der Valentinstag kann ein bisschen Romantik in den Alltag bringen. Eine Liebeserklärung ist aber an jedem Tag schön. Es muss ja nicht unbedingt ein Vorhängeschloss sein (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Es liegt die Gefahr darin, abzutauchen und sich zum Beispiel in der Bar nicht mehr zu getrauen, sich spielerisch auf jemanden einzulassen. Auf die Gefahr hin, mal eine Abfuhr zu kriegen.

Wir müssen wieder flirten lernen?

Wir sollten es spielerischer sehen. Es muss ja nicht gleich eine wahnsinnig aufgeladene erotische Flirtatmosphäre entstehen. Es reicht ja schon, wenn man Interesse am anderen zeigt. Was verliert man denn schon? Höchstens merkt man: Ich bin halt nicht sein oder ihr Typ. Deswegen bin ich doch nicht gleich hässlich oder langweilig. Man sollte nicht von jeder Begegnung immer gleich alles erwarten.

Also haben wir uns zuerst mal den Luxus erkämpfen müssen, aus Liebe eine Verbindung einzugehen. Doch heute ist dieser Luxus der Standard. Unter dem geht es nicht. Das ist nun auch wieder belastend.

Das Glück darf nicht die Zielgröße sein. Es ist schön, wenn zwischendurch innige Gefühle da sind. Das belebt die Beziehung. Aber zwischendurch ist einfach Alltag. Es ist nicht immer berauschend.

Es ist auch mal ernüchternd.

Letztlich suchen wir doch eine verlässliche Beziehung. Und dabei helfen auch Nüchternheit und Verstand.

Erwarten wir zu viel?

Ja, viele leiden auch deshalb so in ihren Beziehungen, weil der Anspruch daran so groß ist. Wenn man sich umhört, merkt man: Jeder kämpft in seiner Beziehung. Wir müssen ein bisschen realistischer sein. Letztendlich ist es das größere Glück, wenn man Krisen durchsteht und der andere verlässlich ist. Dann ist das vielleicht nicht das berauschende Glücksgefühl, aber ein anderes tieferes Gefühl.

Was fürs Herz: Patrizia Rausch bindet im Blumenladen in der Münchner Straße in Dachau Sträuße für Verliebte. (Foto: Niels P. Joergensen)

Ein Zuhause.

Ja, der Wunsch, zu jemandem zu gehören. Einen Platz im Leben zu haben. Sinnsuche ist ein wichtiger Grund, eine Beziehung einzugehen. Romantik und Liebe werden ja auch deshalb so hoch bewertet, weil Glaube und Religion als sinnstiftende Elemente verloren gegangen sind. Wir suchen in einer Beziehung, in Glück, in Gefühlen auch Sinn. In Glücksmomenten spürt man, dass das Leben einen Sinn hat.

Die Alternative ist: ein selbstbewusster Single sein.

Man sollte definitiv nicht denken, die ganze Lebenserfüllung liegt in der Partnerschaft. Man kann sein eigenes Leben allein gut gestalten. Ohne Beziehung fehlt mir vielleicht für mein Leben etwas, aber es macht mich nicht zu einem halben Menschen.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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