Unfallschwerpunkt bei Bergkirchen:Verhängnisvolle Kreuzung

Unfallschwerpunkt bei Bergkirchen: Aus der Luft betrachtet wirkt die "Indersdorfer Gabel" eigentlich recht übersichtlich: Drohnenaufnahme der Polizei.

Aus der Luft betrachtet wirkt die "Indersdorfer Gabel" eigentlich recht übersichtlich: Drohnenaufnahme der Polizei.

(Foto: Polizei Dachau)

An der Indersdorfer Gabel kracht es seit Jahren. Neuerdings nimmt der Verkehr zu, die Unfälle häufen sich. Das Problem ist bekannt, doch Grunderwerb für einen Umbau fehlt. Die Polizei behilft sich mit Übergangslösungen

Von Joshua Beer, Bergkirchen

Katia Meyer-Tien fährt von Röhrmoos nach Günding, als vor ihren Augen zwei Autos aneinanderstoßen, da, wo sich die Staatsstraßen mit den schmucklosen Namen 2047 und 2050 treffen, bekannt - oder eher berüchtigt - als die Indersdorfer Gabel. Meyer-Tien kommt von Markt Indersdorf, will in Richtung Dachau einbiegen. Sie schaut nach rechts und sieht einen Linksabbieger kommen. Sie schaut nach links und sieht Gegenverkehr. "Und dann hat's vor mir gekracht", erzählt sie. Die Linksabbiegende, eine ältere Dame, rammt das entgegenkommende Auto, in dem eine Mutter mit ihrem zweijährigen Sohn sitzt. Beide werden leicht verletzt. Meyer-Tien sieht das alles: "Ich konnte erst mal gar nichts machen. Ich habe am ganzen Leib gezittert." Zum Glück sind viele Helfende vor Ort. Das war am vergangenen Samstag. Bis heute schläft Meyer-Tien schlecht. Sie hat zur Indersdorfer Gabel recherchiert und einen Offenen Brief an Lokalzeitungen geschrieben. "Es geht mir nicht um mich", betont sie, sondern um die Menschen, die die Kreuzung immer wieder in Unfälle verwickelt. Allein drei Zusammenstöße in der vergangenen Woche, der jüngste Unfall ereignete am Donnerstagabend. Seit 2017 hat die Polizei 43 Verkehrsunfälle an der Kreuzung erfasst, davon 26 seit Jahresbeginn 2020 mit fünf schwer und 26 leicht Verletzten. Zu Tode kam bisher eine Person, ein Motorradfahrer vor fünf Jahren. Was macht die Indersdorfer Gabel so gefährlich, dass die Polizei sie seit Jahren als "Unfallschwerpunkt" führt? Immerhin ist sie eigentlich gut einsehbar, es gibt kaum Sichthindernisse.

Eine Unfallkommission, bestehend aus Vertretern der Dachauer Polizei, des Staatlichen Bauamts und des Landratsamts, hat direkt am Montag eine Ortsbegehung abgehalten. Dort habe man laut Andreas Knorr - Sachbearbeiter Verkehr bei der Dachauer Polizei - beobachtet, dass Linksabbiegende von Stetten in Richtung Assenhausener Berg oftmals zögerlich und stockend abfahren. Der Gegenverkehr ist ihnen vorfahrtsberechtigt, aber die von Dachau kommenden Rechtsabbiegenden müssen ihnen wiederum auf der Rechtsabbiegerspur Vorfahrt gewähren. Das scheinen viele schlecht zu überblicken. Linksabbiegen an der Indersdorfer Gabel ist generell riskant: Auch manche von Markt Indersdorf Kommenden kollidieren mit dem Verkehr von Dachau nach Stetten. Diese Zusammenstöße seien "besonders folgenschwer", so Knorr, da sie die Fahrerseite der Linksabbiegenden treffen.

Ein weiterer Faktor ist Knorr zufolge der zu Stoßzeiten herrschende "Verkehrsdruck", welcher zu gefährlichen Manövern verleite. Der hat in den letzten Monaten auch noch zugenommen: In Rumeltshausen verlegt die Gemeinde Schwabhausen seit Mitte Juli Wasserleitungen, und eine Vollsperrung leitete den Verkehr über den Assenhausener Berg um. Die Sperrung ist erst seit Donnerstag für eine Richtung aufgehoben, die Baustelle soll aber noch bis Ende Dezember bestehen.

Verkehrsexperte Knorr urteilt: "Die Kreuzung ist den hohen Bedürfnissen der heutigen Kapazität nicht mehr gewachsen. Ein Umbau dieses Unfallschwerpunkts ist unausweichlich und auch erforderlich." So ist der Tenor allerdings schon länger. Dasselbe empfahl Knorr auch im November 2020. Inzwischen steigt der Druck: Der Landtagsabgeordnete Bernard Seidenath (CSU) fordert: "Da muss jetzt schnell was passieren. Wir können nicht darauf warten, dass Menschen sich dort verletzen oder gar ihr Leben lassen." Auch für die Rettungskräfte seien die ständigen Unfälle eine extreme Belastung. Die "ideale Lösung", so Seidenath, sei ein Kreisverkehr. Die Lage ist diffizil: Da die Kreuzungsstraßen 2047 und 2050 Staatsstraßen sind, fällt ihr Umbau in die Zuständigkeit von Straßenbauamt und Landratsamt - nicht der Gemeinde Bergkirchen, in dessen Gebiet die Indersdorfer Gabel liegt.

Laut Landrat Stefan Löwl (CSU) scheiterte eine Kreisverkehrslösung bereits 2018 "am notwendigen Grunderwerb". Denn ein solcher Umbau wäre auch ein Ausbau der Kreuzung, und die umliegenden Grundstücke sind in privater Hand. Robert Axtner (CSU), Bürgermeister von Bergkirchen, sagt, dass neue Verhandlungen mit den Eigentümern laufen: "Wir sind in guten Gesprächen." Alle Beteiligten hätten ein Interesse daran, "eine schnelle Lösung zu finden", so Axtner.

Bis da tatsächlich ein Kreisverkehr steht, könnte noch viel Zeit vergehen. Das zuständige Staatliche Bauamt Freising halte einen Umbau ebenso für notwendig, versichert Pressesprecher Thomas Jakob. Am 13. Juli habe ein Gutachter den Verkehr beobachtet. Die Daten würden derzeit ausgewertet. "Mit Ergebnissen rechnen wir in einigen Wochen", so Jakob. Von denen hänge es ab, "wie schnell es an dem Knotenpunkt weitergeht" und welche grundsätzliche Lösung - Kreisverkehr oder doch eine Ampel - möglich sei. Das Bauamt prüfe derweil Zwischenlösungen wie eine provisorische Ampel. "Aber auch dafür brauchen wir die Verkehrszahlen."

Solange behilft sich die Dachauer Polizei mit Maßnahmen, die das Abbiegen sicherer machen sollen: Die Geschwindigkeit an der Indersdorfer Gabel wurde auf 60 Kilometer pro Stunde begrenzt, Gefahrzeichen sind aufgestellt und die Rechtsabbiegerspur von Dachau in Richtung Markt Indersdorf ist mit Warntafeln ("Bischofsmützen") markiert. Zudem plant die Polizei Knorr zufolge, über bessere Beschilderung die Vorfahrtsverhältnisse klar zu machen und die Geschwindigkeit schärfer zu überwachen. Am Ende wird aber nur ein Umbau die Lösung bringen.

Katia Meyer-Tien jedenfalls hat schon etwas getan: Weil sie sich als Unfallzeugin so "unter Schock und hilflos" gefühlt hat, hat sie direkt am nächsten Tag hat einen Erste-Hilfe-Kurs belegt.

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