Umstrittene Bewertung:Der Kampf mit den Noten

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Viele Dachauer Lehrer halten Zwischenzeugnisse für überholt

Von Maximilian Kießl, Dachau

Am Freitag haben ungefähr eine Million bayerische Schüler ihr Zwischenzeugnis erhalten. Doch das Bewertungssystem ist umstritten - auch an den Schulen in Dachau. Einige Pädagogen halten es für überholt, die Leistungen von Kindern und Jugendlichen nach Noten zu bewerten. Helga Schiller, Direktorin der Grundschule Augustenfeld, sagt: "Ein gemeinsames Gespräch ist besser für Kinder als herkömmliche Zeugnisse." Für sie schließen sich jedoch Noten und individueller Umgang mit Schülern keineswegs aus. Noten seien als ein klares Kriterium für die Beurteilung von Schulleistungen durchaus wichtig. Für weitaus entscheidender hält Schiller jedoch den persönlichen Umgang mit den Kindern. Deshalb gibt es an ihrer Grundschule seit drei Jahren Lernentwicklungsgespräche, welche für alle Schüler der ersten bis dritten Klasse die Zwischenzeugnisse ersetzen.

Ähnlich urteilt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer-und Lehrerinnenverbandes. "Wir sollten uns der Frage stellen, ob Noten noch zeitgemäß sind und den Prinzipien modernen Lernens entsprechen", sagt sie. Fleischmann zufolge dreht sich nach wie vor fast alles um das sichtbarste Resultat, die Note, jedoch weniger um die individuelle Entwicklung und den unterschiedlichen Lernfortschritt des einzelnen Kindes. Das wiederum könne zu Druck und Ängsten bei Schülerinnen und Schülern führen, was nicht gerade förderlich für den Lernerfolg sei. Für sie ist das Zwischenzeugnis "ein Ritual, das überholt und fragwürdig geworden ist".

Angelika Rogg, Leiterin der Dr.-Josef-Schwalber-Realschule Dachau, sieht das anders. Das Notensystem sei ein wichtiger Indikator, um festzustellen, wo sich ein Schüler, leistungstechnisch gesehen, befindet. Anhand der Noten ließen sich wichtige Entscheidungen treffen, zum Beispiel, ob ein Übertritt sinnvoll ist oder nicht. Zudem verweist sie darauf, dass Schüler zumindest in einem gewissen Rahmen durchaus gefördert und individuell behandelt werden, beispielsweise in Form eines Zeitaufschlags bei Prüfungen für Kinder und Jugendliche mit Lese-Rechtschreib-Schwäche. Die Schulleiterin spricht sich außerdem für eine einheitliche und faire Bewertung innerhalb einer Klasse aus, die ohne das jetzige Notensystem so nicht möglich sei. Ähnlich äußert sich der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler): "Das Zwischenzeugnis ist eine wertvolle Rückmeldung über den individuellen Leistungsstand." Es biete auch die Chance, Weichenstellungen für das zweite Halbjahr vorzunehmen.

Peter Mareis, Direktor des Josef-Effner-Gymnasiums, ist ebenfalls der Ansicht, dass Noten im heutigen Schulsystem durchaus noch zeitgemäß sind. Für ihn steht fest: "In unserem gegenwärtigen System sind Noten unerlässlich." Gerade in Hinblick auf den Übertritt an weiterführende Schulen seien Noten als eine Abbildung der Grundfertigkeiten eines Schülers sinnvoll, findet Mareis. Besonders in Gymnasien seien eine klare Standortbestimmung und eine allgemeine Vergleichbarkeit von großem Nutzen. Zudem scheinen viele Schüler Noten nicht abgeneigt zu sein - im Gegenteil, denn diese sorgten für eine klare und vergleichbare Bewertung.

Darüber hinaus würden Noten laut Mareis für eine höhere Leistungsbereitschaft und Motivation sorgen, da sichtbare Verbesserungen erzielt werden könnten. Nichtsdestotrotz ist es Mareis ein Anliegen die Schüler auch individuell so gut wie möglich zu unterstützen, was sich aufgrund der Klassenstärken von rund 30 Schülern jedoch als schwierig erweise. Dennoch: Die Ersetzung der klassischen Zwischenzeugnisse durch Leistungsstandberichte mit allen aufgeführten Einzelnoten anstatt der Gesamtnote oder zusätzliche Kommentare der Lehrkräfte unter Schulaufgaben zielen darauf ab, die Notenvergabe individueller und nachvollziehbarer zu gestalten.

An der Grundschule Augustenfeld bekommen die Schüler neben Noten auch ein Feedback bei Einzelgesprächen. Diese finden zwischen Klassenlehrer und jeweiligen Schüler statt. Die Eltern sind mit dabei, bleiben aber im Hintergrund. Dabei ist es für die Kinder möglich, ihre Selbsteinschätzung mit der Sichtweise ihrer Lehrkraft zu vergleichen und von dieser ein Feedback zu erhalten, so Schiller. Natürlich sei das viel aufwendiger als normale Zwischenzeugnisse, komme aber auch bei den Lehrern sehr gut an.

© SZ vom 16.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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