Süddeutsche Zeitung

Umstieg soll attraktiver werden:Vorfahrt für den Nahverkehr

Mit einem Bündel von Maßnahmen will die Stadt die Mobilität der Bürger verbessern. Busse sollen schneller, öfter und länger fahren. Auch eine Seilbahn für Dachau ist im Gespräch

Von Viktoria Großmann, Dachau

Schon von diesem Jahr an könnten alle Dachauer Stadtbusse bis Mitternacht unterwegs sein. In großer Einmütigkeit einigten sich die Stadträte im Umwelt- und Verkehrsausschuss darauf, den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt umfassend zu verbessern. Dazu gehört die Umrüstung von 32 Ampelanlagen, die zur Beschleunigung der Busse beitragen soll. Außerdem wird Dachau das Leihfahrradsystem der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) einführen und auf Grundlage einer Bürgerbefragung ein Radverkehrskonzept erarbeiten. Auch soll geprüft werden, ob und wo eine Seilbahn eingerichtet werden könnte.

Am Tag nach dieser Sitzung von historischer Länge spricht Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) von einer "verkehrspolitischen Offensive". Nicht nur in Dachau und dem Landkreis, sondern im gesamten Großraum stockt der Verkehr im wahrsten Wortsinne. "Das Thema Mobilität wurde über Jahrzehnte verschlafen", sagt Hartmann. Nun steht es auf der Agenda sowohl im Kreistag als auch in den Gemeinderäten. Hartmann positioniert sich gegen Landrat Stefan Löwl (CSU), indem er sagt: "Ich möchte kurz- und mittelfristige Lösungen." Diese sieht der Oberbürgermeister im öffentlichen Nahverkehr sowie im Radverkehr. Löwl hatte zuletzt eine verkürzte Variante der Nordumfahrung vorgeschlagen und dafür ein neues Gutachten beauftragt. Zudem will Löwl in Breitenau einen S-Bahn-Halt einrichten und den Ort zu einem großen Umsteigebahnhof und Park-und-Ride-Platz für das gesamte Hinterland machen. Projekte, deren Zeitraum kaum abzuschätzen ist.

Anders als die Grünen lehnt Hartmann eine Umgehungsstraße für Dachau nicht grundsätzlich ab: "Wenn der Freistaat eine Straße bauen will, werde ich mich nicht wehren." Klar sei, dass die Stadt sich an der Finanzierung dieser Straßen nicht beteiligen werde. Hartmann setzt auf Zeit. Die Ostumfahrung befindet sich im sogenannten Planfeststellungsverfahren. Das kann sich hinziehen. Erst danach werden die Pläne konkret. Ob sie ausgeführt werden, steht dahin. Zudem leidet das staatliche Bauamt in Freising unter Mitarbeitermangel. Schnell geht also im Straßenbau nichts. Hartmann zählt auf, in welcher Reihenfolge aus Sicht der Fachleute der Straßenbau erfolgen müsste. Zunächst wird die Autobahn A 92 ausgebaut mit einer Kreuzung in alle Himmelsrichtungen. Zur Bundesstraße 471 hin wird es sich trotz der modernen Kreuzung schnell wieder stauen, weil diese zu eng ist. Sie soll daher als Nächstes zwischen Schleißheim und Dachau vierspurig werden. Hartmann rechnet mit bis zu zehn Jahren zur Fertigstellung. Erst dann könnte die Ostumfahrung an der Reihe sein und dann die Nordumfahrung. Eine andere Reihung nütze wenig, weil sonst Autofahrer nach einer schnellen Reise über die Ostumgehung auf einer zu engen Bundesstraße wieder im Stau stünden.

Dafür überbietet die Stadt nun die Vorschläge zum Nahverkehrsplan, die der Landkreis gemacht hatte. Stadt und Landkreis arbeiten gemeinsam an einem Gesamtverkehrskonzept. Darin ist vorgesehen, dass Busse landkreisweit abends bis 22 Uhr verkehren sollen. Einstimmig einigten sich nun die Stadträte darauf, alle Dachauer Buslinien bis Mitternacht fahren zu lassen - die Grünen wurden damit in einem Antrag bestätigt. Außerdem sollen alle Busse in der Zeit von 5.30 Uhr bis 20.30 Uhr alle zehn Minuten fahren, danach bis 0 Uhr alle 20 Minuten. Die Stadtverwaltung muss nun erst einmal ausrechnen, wie viel das kosten wird. Wie viele zusätzliche Busse und Fahrer also notwendig werden. Je nach Kostenumfang muss der Auftrag ausgeschrieben werden oder kann direkt an die Stadtwerke gegeben werden. Im allergünstigsten Fall werden die Neuerungen noch zum Fahrplanwechsel im Dezember umgesetzt. Damit die Busse nicht im Stau stehen, sollen nach zweijähriger Testphase an der Münchner Straße/Bahnhofstraße nun alle Ampelkreuzungen und Fahrzeuge mit Bluetooth-Technik ausgestattet werden, die den Bussen eine grüne Welle beschert. Um die Busse auch noch umweltfreundlich zu machen, hat die Stadt einen Antrag auf Fördermittel vom Bund gestellt, die Flotte auf Elektrofahrzeuge umzurüsten.

Von einem Vorschlag des OB, die blauen MVG-Mieträder nach Dachau zu bringen, war die CSU so begeistert, dass Stadtrat Peter Strauch gleich noch weitere Leihstationen anregte, die auch beschlossen wurden. Statt nur am Bahnhof, in der Altstadt und an der Gedenkstätte sollen auch im Gewerbegebiet, am Ernst-Reuter-Platz, am Stadtbahnhof und am Klagenfurter Platz Leihstationen aufgestellt werden.

Ernsthaft diskutierten die Stadträte auch über den Nutzen einer Seilbahn. Bündnis-Stadtrat Michael Eisenmann schlug eine Trasse von der Breitenau zum BMW-Forschungs- und Innovationszentrum FIZ im Münchner Norden vor. Eine Machbarkeitsstudie soll Klarheit bringen.

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Quelle:
SZ vom 23.03.2018
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