Stromnetz:Ansturm auf die Strom-Herzkammer

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Das Umspannwerk Oberbachern von oben. (Foto: Tennet)

Da ist selbst Tennet überrascht: 350 Interessierte kommen zum Tag des offenen Umspannwerks. Mit der Aktion will der Netzbetreiber die Energiewende erfahrbar machen – und Werbung für kommende Ausbauprojekte.

Von Alexandra Vettori, Bergkirchen

Damit hat Tennet nicht gerechnet. Vergangenen Freitag hat der Stromnetzbetreiber zum Tag des offenen Umspannwerks nach Oberbachern eingeladen, schon Tage vorher hatten sich über 300 Interessierte angemeldet. „Absolutes Maximum“ erklärt Catherin Krukenmeyer, bei Tennet zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Es seien viele Privatleute dabei gewesen, aber auch welche aus der Kommunalpolitik, von Feuerwehren oder Energieversorgern. Der Andrang zeigt: Strom ist ein Thema geworden. Und Umspannwerke sind die Herzkammern der Stromversorgung – auch wenn kaum jemand weiß, was unter dem Masten-Verhau wirklich passiert.

Am Eingang gibt es Helm und Warnweste, auch festes Schuhwerk ist Voraussetzung. Schwangere und Leute mit Herzschrittmachern sollten besser draußen bleiben. Immer wieder werfen die Verantwortlichen bange Blicke hinauf zu den dunklen Wolken. „Bei Gewitter müssen wir das Gelände sofort verlassen“, sagt Krukenmeyer. Und der Leiter der Servicegruppe am Umspannwerk Oberbachern, Norbert Schmid, erklärt: „Der Blitzschutz ist ausreichend. Aber man kann dem Blitz nur Angebote machen, wo er einschlagen soll, sicher weiß man es nicht. Das ist wie mit dem Hochwasser.“

Auch der Strom hat Autobahnen

Dass in Umspannwerken Strom auf verschiedene Spannungsebenen transformiert wird, hat man schon gehört, sagt ja auch der Name. Fachleute erklären das gerne mit dem Straßen-Vergleich: Die schnellen Autobahnen sind für große Distanzen, im Stromnetz sind das die Höchstspannungsleitungen mit einer Spannung von 220 oder 380 Kilovolt.

Selbst der Laie erkennt sie: Es sind die höchsten Leitungen, die an 70 bis 80 Meter hohen Gittermasten hängen. Den Landstraßen für mittlere Strecken entspricht das Hochspannungsnetz mit 110 Kilovolt Spannung. Zuletzt bringen Ortsstraßen die Autofahrer zu den Siedlungen, so wie die Mittel- und Niederspannungsleitungen es mit dem Strom tun, bei einer Spannung von zehn, 20 oder 30 Kilovolt. Dann braucht es nur noch die Transformation im Ortsnetz, und der Strom kommt mit Steckdosen-Spannung ins Haus.

Umspannwerke sind in diesem Vergleich quasi die Straßenkreuzungen. Hier treffen verschiedene Leitungen zusammen, hier wird der Strom auf 110 Kilovolt transformiert. Neben Tennet sitzt in Oberbachern deshalb auch die Bayernwerk AG als regionaler Hochspannungsnetzbetreiber, in ihrem Teil der Anlage läuft die Modernisierung bereits. Bald wird auch das neue Erdkabel aus Kleinschwabhausen hier ankommen, für das gerade Spatenstich gefeiert worden ist. Und auch die Stadtwerke München haben hier eine Leitung, sie führt direkt in deren Umspannwerk Obermenzing.

Werkleiter Norbert Schmid führt beim Tag des offenen Umspannwerks in Oberbachern viele Gruppen durch das Gelände. (Foto: Toni Heigl)
Der Strom tritt durch das "Portal" in das Umspannwerk ein. So heißen die Gittergerüste, die mit 20 Metern das höchste Bauwerk im Umspannwerk sind. (Foto: Toni Heigl)
Die Transformatoren verändern die Spannung, ein moderner wie dieser hier, kostet rund fünf Millionen Euro. (Foto: Toni Heigl)
Werkleiter Norbert Schmid erklärt das scheinbare Leitungs-Wirrwarr. (Foto: Toni Heigl)
Trennschalter sind mechanische Schaltgeräte, die eine räumliche Trennstrecke zwischen Komponenten herstellen, um elektrischen Überschlag zu vermeiden. (Foto: Toni Heigl)
Der Überspannungsableiter bewahrt die Anlage vor Schäden durch zu hohe elektrische Spannung, hervorgerufen zum Beispiel durch Gewitter. (Foto: Toni Heigl)

Ein lautes Knistern und Bitzeln liegt in der Luft, als die Gruppe mit Werkleiter Schmid das Gelände betritt. Elektrische Entladungen verursachen die Geräusche, diese sind es auch, die Herzschrittmacher beeinträchtigen können, daher die Warnungen.

Die Anlage bei Oberbachern besteht seit den 1980er-Jahren und hat mehrmals den Besitzer gewechselt, je nach Netzbetreiber. Anfangs waren es die Isar-Amper-Werke, später Eon und jetzt eben der Übertragungsnetzbetreiber Tennet. Mit dem Süd- und dem Südostlink baut der Konzern gerade wichtige Stromtrassen in Deutschland. So auch im Landkreis Dachau: Hier erneuert er die Höchstspannungsleitung von Oberbachern nach Ottenhofen im Landkreis Erding. Sie ist zentral für die Region München und muss leistungsstärker werden.

Das Umspannwerk wird größer

Auch das Umspannwerk Oberbachern will Tennet in den kommenden Jahren ausbauen, Stück für Stück bei laufendem Betrieb. Das Gelände werde dabei größer, so die Pressesprecherin Krukenmeyer. Umspannwerke brauchen viel Platz, wegen der hohen Abstände zwischen den Leitungssystemen, die Luft dient der Isolation. Die Energiewende bringt auch für Umspannwerke neue Aufgaben. Neben den Großkraftwerken sind viele dezentrale Erzeugungsanlagen entstanden, von Haus-Photovoltaikanlagen bis zu Windparks im Meer. Der so erzeugte Strom kommt über die lokalen Netze zum nächsten Umspannwerk. Wird er vor Ort gerade nicht gebraucht, leiten ihn dieses weiter zu Verbrauchszentren oder zu Kraftwerken, in denen er gespeichert wird.

Der Strom kommt durch das „Portal“ in das Umspannwerk, so heißen die hohen Metallgerüste an den Außenseiten, dort, wo die Leitungen ankommen. Von hier wird der Strom in die Schaltfelder geführt. Die Hauptaufgabe, das Umwandeln der je nach Leitung unterschiedlichen Spannungen, leisten aber die Transformatoren. Drei gibt es hier in Oberbachern, der älteste stammt aus den 1980er-Jahren. Er ist so laut, dass er eine Einhausung braucht, selbst hier, wo ringsum Felder sind. Der neueste stammt aus 2020. Stolz öffnet Norbert Schmid die Tür: Es dringt nur ein Summen heraus.

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