TU Wien:Verkehrspäpstliche Lehrstunde

TU Wien: Hermann Knoflacher demonstriert mit seinem "Gehzeug", wie viel Platz ein Auto wegnimmt

Hermann Knoflacher demonstriert mit seinem "Gehzeug", wie viel Platz ein Auto wegnimmt

(Foto: oh)

Autos raus und Parkplätze weg: Hermann Knoflacher von der TU Wien spricht zu den Stadträten - und hinterlässt Eindruck.

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Wer hätte gedacht, dass Menschen und Bienen so viel gemeinsam haben. Gut, da ist die Sache mit den Bienen und den Blumen, die von besorgten Eltern gerne heranbemüht wird. Aber dem renommierten Wiener Verkehrsplaner Hermann Knoflacher brachte vor vielen Jahren eine andere Eigenschaft die Erleuchtung: "Wo's schön ist, gehen alle hin." Hat eine Biene eine Futterquelle gefunden, führt sie den Schwänzeltanz auf, um Artgenossen den Weg zu weisen. Genau so ist es nach Knoflachers Theorie bei Menschen. Besser gesagt: war es. Denn heutzutage wandeln die Menschen für Einkauf und Besorgungen nicht mehr durch die schönen, heimeligen Innenstädte, sondern pilgern zu großen Einkaufszentren an den Stadträndern. Und wer ist Schuld daran? Das Auto.

Hermann Knoflacher gilt bundesweit als maßgeblicher Verkehrsexperte. Der 74-jährige Wissenschaftler von der Technischen Universität Wien tourt zurzeit durch den Ballungsraum München und erläutert vor allem Kommunalpolitikern seine Prinzipien einer Verkehrspolitik der Zukunft. "Verkehrspapst" wird er immer wieder genannt - und er tritt im Dachauer Stadtrat auf Einladung von Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) auch in diesem Gestus auf.

Das Auto ist also das Problem: Denn vor der Zeit des vierrädrigen Mobils erledigte der Mensch fast alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Er ging zur Arbeit, traf Freunde und was sonst noch dazu gehörte - alles im Radius von wenigen Kilometern. Doch plötzlich konnte er auch weitere Strecken zurücklegen. Das Ergebnis: Menschen siedelten sich weiter außerhalb an, Einkaufszentren entstanden in der Peripherie, kleine Geschäfte mussten aufgeben und Betriebe zogen weg aus den Innenstädten, die zunehmend ausstarben. Gleichzeitig wurden Zentren zu Flächen für Parkplätze und breiten Straßen für den Durchgangsverkehr statt zu Treffpunkten für die Bewohner.

"Das Auto ist das einzige Fortbewegungsmittel, das extrem viel Fläche braucht", sagt Knoflacher. "Das Ziel von Verkehrsplanung", so das Credo des emeritierten Professors, "ist es, die Bedürfnisse des Autoverkehrs zu befriedigen." Und der schafft seine eigenen Verhältnisse. Beispiel Umgehungsstraßen: Die, sagt Knoflacher, bringen vielleicht im ersten Moment eine Entlastung. Doch auf lange Sicht generieren sie bloß noch mehr Verkehr. Die zurückgelegten Wege werden weiter, die Autos immer zahlreicher. Die erhoffte Zeiteinsparung durch die schnellere Fortbewegung bleibt dabei auf der Strecke - und Parkplätze werden immer mehr zum Streitthema.

Die Schuld an dieser Misere weist Knoflacher auch der Reichsgaragenordnung von 1939 zu. Wer baut, muss auch Stellplätze schaffen, heißt es dort. Für Knoflacher die Wurzel allen Übels. Denn: "Parken bei der Wohnung macht aus den Menschen Autofahrer." Warum mit dem Bus fahren, wenn das Auto viel näher ist? "Der Mensch", sagte Knoflacher, "ist vom Auto ferngesteuert."

Was aber tun? Sollen den Dachauern jetzt die Autos weggenommen werden? Nein, beruhigt Knoflacher. Er plädiert für ein "anderes Ordnungssystem": Parkplätze sollen genau so weit weg sein wie die Haltestellen des ÖPNV. Und wenn es in der Innenstadt schon Parkplätze geben muss, dann nur für kurzzeitiges Parken. Denn wer nur kurz parkt oder gleich zu Fuß unterwegs ist, gibt mehr Geld aus. Da kommt die Statistik ganz gelegen, in der die Motorisierung steigt und gleichzeitig der Einzelhandel zurückgeht. Das Interesse der Stadträte ist groß. Präzise Antworten auf ihre Fragen erhalten sie kaum: "Es kommt drauf an". Politik und Verwaltung müssten ja schließlich auch mitziehen. Dennoch scheint es, als habe der Vortrag Eindruck gemacht. Der Verkehrsausschuss, der kurze Zeit danach tagte, schien beseelt von Knoflachers Ideen. Wer weiß, was da bald auf die Altstadt zurollt.

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