Stadtrat in Dachau:Zum Match gehören immer zwei

Lesezeit: 4 min

Die erste Damenmannschaft des TSV Schwabhausen spielt in der Bundesliga. Sabine Winter, hier in der schicksalsträchtigen Heinrich-Loder-Halle, ist gerade in Südafrika für die Tischtennis-Weltmeisterschaft. (Foto: Andreas Liebmann)

Der TSV Dachau 1865 hat die Tischtennis-Bundesligistinnen aus Schwabhausen übernommen. Im Stadtrat fühlt man sich bei dieser wichtigen Entscheidung übergangen. Und reagiert entsprechend irritiert auf Forderungen des Vereins nach mehr Hallenkapazität.

Von Leonard Scharfenberg, Dachau

Immer wieder steht Wolfgang Moll während der Sitzung am Mittwochnachmittag von seinem Stuhl auf und deutet an, dass er sich äußern will. Er wirkt ungeduldig. Und verärgert. Der Haupt- und Finanzausschuss des Dachauer Stadtrats beschäftigt sich gerade mit dem Antrag des TSV-Dachau 1856, die Nutzung der Sporthalle Augustenfeld auszuweiten und die Halle nachzurüsten. Fast eine Stunde lang wird diskutiert. Der Ton wird rauer, die Stadträte fühlen sich übergangen. Und Moll hat das Gefühl, er werde falsch verstanden. Er ist Vereinsvorsitzender des TSV Dachau - und selbst fraktionsloser Stadtrat (Wir). Im Hauptausschuss sitzt er normalerweise nicht. Die Stadträte hören ihn trotzdem mehrmals an. Doch der Konflikt löst sich nicht. Am Ende zieht er seinen Antrag zurück.

Die Geschichte nimmt ihren Anfang in Schwabhausen, wo die Tischtennissparte des örtlichen Sportvereins Ende vergangenen Jahres entschied, sich dem TSV Dachau 1865 anzuschließen. 72 neue Mitglieder kamen so nach Dachau. Darunter - besonders schmerzlich für Schwabhausen - die acht Spitzensportlerinnen der ersten und zweiten Damenmannschaft, die jeweils in der ersten und zweiten Tischtennis-Bundesliga spielen. Der Auslöser für den Umzug: Schwabhausen hatte sich entschlossen, die lokale Heinrich-Loder-Sporthalle zu sanieren und diesen Sommer komplett zu sperren. Doch das sei nur der letzte Tropfen gewesen, sagt Helmut Pfeil, der bis zum Umzug nach Dachau Abteilungsleiter der Tischtennissparte war. Es habe einfach an Wertschätzung sowohl von der Gemeinde als auch vom Hauptverein gemangelt.

Tischtennis
:Eine ganze Abteilung im Umzugskarton

Zurzeit spielt der Erstligist TSV Schwabhausen auf einer Großbaustelle. Im Sommer soll damit Schluss sein: Die gesamte Tischtennissparte wird zum TSV Dachau 1865 überlaufen. In ihrer Heimat stieß sie zuletzt immer öfter an Grenzen - und vermisste die Wertschätzung.

Von Andreas Liebmann

Ob den Schwabhauser Sportlern in Dachau allerdings so viel mehr Wertschätzung entgegengebracht wird, ist zumindest fraglich. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagt, mit Blick auf die Nachbargemeinde bedauere er den Wechsel. Die Tischtennis-Bundesligistinnen seien das Aushängeschild für Schwabhausen gewesen. "Wir brauchen nicht noch ein Aushängeschild", sagt er. Die fehlende Begeisterung des OBs und der Stadträte mag einerseits an Missverständnissen in der Kommunikation mit dem TSV Dachau liegen. Andererseits bedeuten die neue Spitzensportmannschaften auch Mehrausgaben und eine Verschärfung des Problems, das Dachau genau wie Schwabhausen betrifft: die fehlenden Hallenkapazitäten.

Wolfgang Moll hatte deshalb bereits im Dezember in einem Brief an den Oberbürgermeister um Unterstützung für eine erweiterte Nutzung der städtischen Dreifachsporthalle in Augustenfeld gebeten. Diese wird neben den benachbarten Grund- und Montessorischulen auch vom ASV Dachau genutzt. Im Dezember ging der TSV noch davon aus, mit dem ASV eine Einigung erzielen zu können, damit die neuen Tischtennissportler konzentriert in einer Halle trainieren können. Dieser Brief mündete nun in den Antrag, der am Mittwoch im Dachauer Stadtrat diskutiert wurde. Darin bat Moll zudem um die Genehmigung und Unterstützung von baulichen Maßnahmen, die nötig sind, damit die Halle die Voraussetzungen für Bundesligaspiele erfüllt. Einerseits ist da die sogenannte Verschattung, denn die Tischtennissportlerinnen brauchen stabile Lichtverhältnisse. Andererseits will der TSV in einen bisher ungenutzten Raum im Anbau der Halle eine Teeküche einbauen, um Gäste besser versorgen zu können. Die Kosten für den Einbau der Vorhänge würde der TSV zu 30 Prozent tragen, die der Küche komplett.

Die Vereine müssen sich selbst erst mal einigen

Als der Antrag dann, ein halbes Jahr später im Ausschuss zur Sprache kommt, hat sich schon einiges verändert. Die Einigung mit dem ASV ist Moll nicht geglückt. Und: Die Schwabhauser sind schon da und trainieren bereits in den Dachauer Hallen. Die Stadträte fühlen sich übergangen. Man hätte die Übernahme vorher besser mit der Stadt abstimmen sollen, heißt es fraktionsübergreifend in Molls Richtung. Außerdem herrscht Verwunderung darüber, dass der Stadtrat über die Hallenzeiten entscheiden soll, obwohl die Vereine darüber selbst nicht übereinkommen konnten. Der Sportreferent des Stadtrats, Günter Dietz (CSU) mahnt an, die beiden Vereine hätten sich doch erst einmal abstimmen sollen, bevor man so einen Antrag vorlege.

Günter Dietz (CSU), Sportreferent des Dachauer Stadtrats, tun die Schwabhausener Tischtennisspieler leid: "Jetzt sind die da und haben vielleicht das Gefühl, wir wollen sie gar nicht", sagt er. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Irgendwann ergreift dann Moll das Wort. Er könne die Vorwürfe nicht verstehen, sagt er. Die Nichteinigung mit dem ASV habe er schließlich der Stadt mitgeteilt. Und tatsächlich: In einer Mail Anfang Mai, die der Beschlussvorlage beiliegt, schreibt Moll, die Bemühungen mit dem ASV seien gescheitert. Man werde mit den "bisher zur Verfügung stehenden Belegungszeiten zurechtzukommen haben und auch werden". Um die Nachrüstung der Halle bittet er allerdings weiterhin.

Auch den Ärger der Stadträte und des Oberbürgermeisters über die vermeintlich schlechte Kommunikation könne er nicht nachvollziehen. Schließlich habe er die Stadtverwaltung bereits im Dezember über die anstehende Fusion informiert. Dass diese Nachricht bei einigen Stadträten erst am Mittwoch angekommen sei, dafür könne er nichts, sagt er später. Und überhaupt: "Soll ich jetzt jedes Mal dem Stadtrat Bescheid geben, wenn sich eine größere Zahl Neumitglieder beim Verein anmeldet?", fragt er. Der TSV Dachau habe seit Anfang des Jahres einen regelrechten Boom erlebt. Fast 500 neue Mitglieder gibt es - ein Zuwachs von mehr als 25 Prozent.

Der Oberbürgermeister schüttelt den Kopf: " Ich habe den Eindruck, sie wollen dieses Gremium nicht verstehen", sagt Hartmann. Es gehe schließlich um die strukturelle Entscheidung, eine Spitzensportmannschaft aufzunehmen. Da hätte er sich eine Absprache mit der Stadtverwaltung gewünscht. Schließlich ist in einem Informationsblatt des TSV Schwabhausen, in dem für den Wechsel nach Dachau geworben wird, als einer der Vorteile folgender Punkt aufgelistet: "Stärkere Unterstützung durch die Stadt Dachau". Auch Günter Dietz macht das stutzig: "Man kann doch so was nicht versprechen, ohne Rücksprache zu halten", sagt er.

Wolfgang Moll, Vorsitzender des TSV Dachau 1865, ist auch Stadtratsmitglied (Wir). In der Ausschusssitzung am Mittwochnachmittag saß auch er - anders als auf diesem Archivbild - nur am Rand. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Moll zieht den Antrag schließlich nach zunehmend gereizter Diskussion auf Empfehlung der Stadträte zurück. Einen Tag darauf reicht er ihn erneut ein. In stark reduzierter Form, mit einigen Klarstellungen und in der Hoffnung, "dass zumindest die aufgekommenen Missverständnisse ausgeräumt werden konnten".

Helmut Pfeil, der mittlerweile Mannschaftsführer der neuen Dachauer Tischtennis-Damenmannschaft ist, zeigt sich von diesen Diskussionen relativ unberührt. "Wir fühlen uns in Dachau jetzt schon super wohl und sehr willkommen", sagt er. Und dass nicht alles sofort hundertprozentig klappt, das sei ja klar.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPetershausen/Bergkirchen
:Im Dienste der Gemeinschaft

Ohne Ehrenamtliche geht es auch im Landkreis Dachau nicht. Drei von ihnen wurden für ihr Engagement jüngst von Ministerpräsident Markus Söder ausgezeichnet. Eine Kurzvorstellung.

Von Eva Waltl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: