TSV Dachau 1865:"Rechnung ohne den Wirt"

Stadträte fühlen sich vom Vorpreschen des TSV Dachau 1865 mit seinen Umzugsplänen überrumpelt. Die CSU nennt das Vorgehen des Vereins unglücklich, die SPD spricht von Wahlkampfhilfe für Oberbürgermeister Bürgel.

Von Helmut Zeller

TSV Dachau 1865: Dort wo jetzt noch hochwertige Nahrungsmittel wachsen, soll bald hochwertiger Sport angeboten werden.

Dort wo jetzt noch hochwertige Nahrungsmittel wachsen, soll bald hochwertiger Sport angeboten werden.

(Foto: Toni Heigl)

Die Münchner Agentur "Gärtner PR" wirbt auf Facebook für Kriegsspiele - für den Umzug des TSV Dachau 1865 genügte eine E-Mail. Vereinspräsident Richard Reisböck, der die PR-Agentur beauftragt hatte, ist kein "Men of War", wie eines der War-Games angepriesen wird - "aufs Schlachtfeld" geht es jetzt mit dem TSV 1865 aber schon. Die Ankündigung der Umsiedelung des zweitgrößten Sportvereins in Dachau hat nämlich bei denen Unmut und Gelächter hervorgerufen, die ein entscheidendes Wort mitzureden haben - die Stadträte. Sie sind alles andere als amused, haben sie doch vom Umzug auf ein Areal östlich der Theodor-Heuss-Straße aus der Presse erfahren. "Da hat der Verein die Rechnung ohne den Wirt gemacht", kritisiert Stadtrat Kai Kühnel, Sprecher des Bündnisses für Dachau.

Florian Hartmann, Oberbürgermeisterkandidat der SPD, sieht in dem Vorgehen des TSV eine "Wahlkampfhilfe" für OB Peter Bürgel (CSU) - und will vielleicht auch die Bürger über einen Bürgerantrag mitreden lassen. Das wäre dann nach der Erhaltung des Grünzugs in Dachau-Ost und der Schaffung von Ganztagsschulen der dritte, den die SPD in kurzer Zeit initiiert - und der zwingend vom Stadtrat behandelt werden müsste. Was die Presseerklärung des TSV ausgelöst hat, weiß auch CSU-Fraktionssprecher Christian Stangl nicht, wie er sagt. Auch seine Fraktion ist völlig überrascht, dass nun die Voraussetzungen für den Umzug - ein 31-Millionen-Projekt - vorliegen sollen. Seit 15 Jahren wird die Aussiedelung aus den beengten Flächen und Räumen an der Jahnstraße geplant, die Verhandlungen mit den Eigentümern des neuen zwölf Hektar großen Areals zogen sich unendlich hin. Vor wenigen Monaten hieß es wie so oft, die Verhandlungen stünden kurz vor dem Abschluss. "Wir hatten keine Anzeichen, dass sich etwas tut", sagte Stangl.

Tatsächlich ist der Erwerb der Flächen bereits notariell beurkundet und das Projekt zu 99 Prozent in trockenen Tüchern, wie Oberbürgermeister Bürgel im Gespräch mit der SZ bestätigte. Die TSV-Vereinsspitze hat auf drängende Fragen der Mitglieder in einem Rundbrief Auskunft über die aktuelle Entwicklung gegeben und die PR-Agentur eingeschaltet. Den Vorwurf der Wahlkampfhilfe wies Bürgel zurück. Der Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen, sei mit ihm nicht abgestimmt worden. "Ich mache mit so einem Thema keinen Wahlkampf." Der OB verteidigte den TSV: Es gehe nicht um einen Verein, sondern um die Zukunft des Dachauer Sports. Jeder Stadtrat sei in nichtöffentlicher Sitzung über die vorhandenen Pläne und eine reale Kostenschätzung des Projekts informiert worden. Es solle keiner so tun, als sei er überrascht worden.

Thomas Kress, Fraktionssprecher der Grünen, erklärte dagegen: "Das ist doch wieder ein Paradebeispiel, wie in Dachau bei manchen Themen hinter den Kulissen geschachert wird." Aus diesem Grund bezeichnete Stangl das Vorpreschen des TSV als unglücklich. "Wenn es ein Akt der Wahlkampfhilfe war, dann war er bei uns nicht eingeplant." Die TSV-Spitze wäre besser beraten gewesen, hätte sie zuerst die Kommunikation mit dem Stadtrat gesucht, bevor sie die Öffentlichkeit informiert. "Da hat mal einer wieder nicht warten können." Jetzt werde die Sache zum Politikum aufgebauscht und die Kritiker des Projekts würden noch argwöhnischer reagieren.

Die Kritiker von SPD, ÜB, Bündnis und Grüne verweigerten dem Haushalt im Dezember ihre Zustimmung, weil die Stadtratsmehrheit einen Betrag von vier Millionen Euro in 2014 für den TSV-Umzug einstellen (auf drei Jahre sind 15 Millionen Euro vorgesehen) ließ. SPD-Stadtrat Hartmann sagte, seine Fraktion sei nicht grundsätzlich gegen die Aussiedelung. Aber man wolle konkrete Pläne und ein Finanzierungskonzept sehen, bevor man entscheide. Das Vorgehen des TSV sei kein guter Stil und schade der Zusammenarbeit von Vereinen und Stadt. Er, so Hartmann, fühle sich überrumpelt. Der Verein baue Druck auf den Stadtrat auf. Kühnel sagte: Wohl niemand im Stadtrat werde entscheiden, solange keine konkrete Planung auf dem Tisch liege. Etwa die Behauptung, dass die Sporthalle des TSV an der Jahnstraße aus immissionsrechtlichen Gründen nicht saniert werden könne, sei falsch. Den Vorwurf der Wahlkampfhilfe teilt er jedoch nicht: "Das hat Bürgel nicht nötig." Hartmann und Kress wollen in der Stadtratssitzung am Dienstag, 4. Februar, Aufklärung fordern.

Stangl sagte, über den TSV-Umzug und alle Fragen dazu, werde der neue Stadtrat nach der Wahl entscheiden. Vorher werde man auf keinen grünen Zweig kommen, allein das Bebauungsplanverfahren nehme ein Jahr in Anspruch. Geht es zügig, könnte es beim Baubeginn in 2015, wie vom TSV mitgeteilt, bleiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: