Trinkwasser-Richtlinie:"Bayern ist de facto raus"

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Die Europaabgeordnete Angelika Niebler (CSU) informiert in Dachau über das Einlenken der EU im Trinkwasser-Streit.

Petra Schafflik

Die Europaabgeordnete Angelika Niebler (CSU). (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Begeisterung für den europäischen Gedanken zu wecken - zur Zeit keine einfache Aufgabe: In Bürgergesprächen gelinge es momentan nicht, positive Aspekte zu vermitteln, berichtet die bayerische Europaabgeordnete Angelika Niebler (CSU), als sie am Freitag direkt vom Garmischer Marktplatz im CSU-Fraktionszimmer im Dachauer Rathaus eintrifft. "Was hängen bleibt: Die mischen sich jetzt auch noch beim Wasser ein." Die Sorge, Trinkwasser könnte in Europa plötzlich zur Handelsware werden, hat in den vergangenen Monaten für hitzige Debatten gesorgt.

Hintergrund sind Plänen der EU-Kommission, die Trinkwasserversorgung für den Wettbewerb zu öffnen. Für die Dachauer CSU-Stadtratsfraktion gemeinsam mit der Frauen-Union Anlass, zum Informationsgespräch mit der Europaabgeordneten zu laden. Die gute Nachricht schickt Niebler gleich voraus: "Bayern ist de facto raus aus der Wasser-Richtlinie." Wie massiv das Thema Trinkwasserversorgung die Menschen überall in Europa umtreibt, zeigt der Erfolg der Bürgerinitiative Right2water, die bereits 1,3 Millionen EU-Bürger per Unterschrift unterstützen. Auch 85 Prozent der Bürger Bayerns haben sich vorige Woche in einer repräsentativen Umfrage gegen eine Wasser-Privatisierung ausgesprochen. Die Menschen empfinden die geplante EU-Richtlinie als Eingriff in die bewährten Strukturen der kommunalen und öffentlichen Wasserwirtschaft. Doch "eine "Zwangsprivatisierung des Wassers wird es nicht geben", versicherte Angelika Niebler.

Im Gegensatz zu den liberalisierten Märkten von Gas und Strom sei Wasser ein "schützenswertes Gut". Deshalb schieße die gut gemeinte Konzessionsvergabe-Richtlinie, die mehr Transparenz bei Auftragsvergaben anstrebt, in diesem Bereich übers Ziel hinaus. Wasser komplett aus der Richtlinie herauszunehmen, "das ist uns nicht gelungen". Durchgesetzt haben EU-Abgeordnete aber eine Überarbeitung der Richtlinie, so dass nun die meisten Wasserversorger in Deutschland außen vor sind. "Das Parlament war dankbar für den Druck aus den Mitgliedsstaaten."

Konkret sollen jetzt nur mehr diejenigen Versorger öffentlich ausschreiben müssen, die mehr als 20 Prozent ihres Wasser-Umsatzes außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets generieren. Dies trifft auf traditionelle Stadtwerke, Eigenbetriebe und Zweckverbände nicht zu. "Nach derzeitigem Stand sind wir nicht betroffen", bestätigte denn auch Stadtwerkechef Robert Haimerl. Skeptisch ist er, ob bei der nationalen Umsetzung "unser liberaler Wirtschaftsminister nicht noch andere Ideen hat". Für kommunale Versorger kommt es entscheidend darauf an, dass die 20-Prozent-Grenze dezidiert fürs Wassergeschäft gilt. Denn in anderen Sparten wie Gas und Strom erwirtschaften auch kommunale Versorger oft nennenswerte Umsätze außerhalb ihrer Kommune. Bei den Dachauer Stadtwerken kommen 18 Prozent des Gesamtumsatzes von außerhalb des Stadtgebiets, erklärt Haimerl im Gespräch mit der SZ. "Wir werden klarstellen, die Bezugsgröße ist Wasser", verspricht Niebler. Selbst wenn der Streit ums Wasser vorerst beigelegt scheint: "Das ist nicht der einzige Unsinn aus kommunaler Sicht", schimpfte OB Peter Bürgel über die Regulierungswut der EU. Niebler weiß das nur zu gut. Gerade ist sie dabei, den bayerischen Schnupftabak zu retten, der durch eine EU-Tabakproduktverordnung bedroht wird. Dabei gebe es doch genügend internationale Themen wie Freihandelszone mit den USA, Währungspolitik und grenzüberschreitende Kriminalitätsbekämpfung. Und genau darauf sollte sich europäische Politik beschränken, sagte CSU-Fraktionsvorsitzender Christian Stangl. Denn mit Eingriffen in kleinste Alltagsfragen werde für die Bürger "die Vision Europa nicht erlebbar".

© SZ vom 23.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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