Trend im Landkreis:Im Jagdfieber

Trend im Landkreis: Der Dachauer Ernst-Ulrich Wittmann war schon als Bub mit seinem Vater auf der Jagd. In der Gemeinde Bergkirchen hat er ein 700 Hektar großes Jagdrevier gepachtet, das zu 13 Prozent mit Wald bedeckt ist. Sein Hobby habe viel mit Hege und Pflege, und relativ wenig mit Schießen zu tun, sagt er.

Der Dachauer Ernst-Ulrich Wittmann war schon als Bub mit seinem Vater auf der Jagd. In der Gemeinde Bergkirchen hat er ein 700 Hektar großes Jagdrevier gepachtet, das zu 13 Prozent mit Wald bedeckt ist. Sein Hobby habe viel mit Hege und Pflege, und relativ wenig mit Schießen zu tun, sagt er.

(Foto: Toni Heigl)

1136 Jäger sind inzwischen im Landkreis gemeldet, auch bei Frauen erfreut sich das Hobby wachsender Beliebtheit. Woher kommt das? Auf Spurensuche mit zwei Dachauer Waidmännern und einem Dackel draußen im Revier

Von Benjamin Emonts, Dachau

Die Natur. Die Ruhe. Das Beobachten. Das bewusste Wahrnehmen und Verstehen der Umwelt. Das macht für den Dachauer Ernst-Ulrich Wittmann und seinen Sohn Leonhard die Faszination an der Jagd aus. Ihre Leidenschaft teilen inzwischen immer mehr Menschen. Die Zahl der neuen Jägerinnen und Jäger hat nicht nur in Bayern, sondern auch im Landkreis Dachau im Jahr 2017 einen Rekordwert erreicht. Wenn vor zehn Jahren noch sechs oder sieben Personen aus dem Landkreis einen Jagdschein beantragt haben, so sind es heute bereits 39 bis zum September. Elisabeth Haas von der Unteren Jagdschutzbehörde im Dachauer Landratsamt sagt: "Die Zahlen sind in den vergangenen Jahren gewaltig gestiegen." Und der Vorsitzende des Dachauer Jagdschutz- und Jägervereins Max Lederer frohlockt: "Über Nachwuchsprobleme müssen wir uns keine Sorgen machen."

Insgesamt 1136 Jäger sind mittlerweile im Landkreis Dachau gemeldet, der Dachauer Jägerverein ist in den vergangenen fünf Jahren um elf Prozent auf 401 Mitglieder gewachsen, Tendenz steigend. Aber was sind die Gründe für den regelrechten Jagd-Boom? Auf den ersten Blick mutet diese Entwicklung ja durchaus kurios an. Die Zahl der Vegetarier und Veganer wächst hierzulande kontinuierlich an. Tierfreunde und Tierschützer werden immer zahlreicher und finden immer mehr Gehör. Tiere zu töten, gilt nicht gerade als schick. Und der Ruf von Schusswaffen wird in Zeiten von Terror, Amokläufen und zahlreichen globalen Konflikten grundsätzlich auch nicht besser. Und doch ist der Boom unübersehbar.

Elisabeth Haas, die im Landratsamt die Jagdscheine ausstellt, hat dafür ebenso wenig eine Erklärung wie der erfahrene Jäger Max Lederer. Sein Vorstandskollege aus dem Dachauer Jägerverein, Ernst-Ulrich Wittmann, wagt indes einen Erklärungsversuch der ganz praktischen Art: Mit dem Auto sind es keine fünf Minuten in sein 700 Hektar großes Jagdrevier, das er auf der Gemarkung Bergkirchen gepachtet hat. Gerade eben noch mitten in der Stadt Dachau, steht der Patentanwalt jetzt mit seinem 16-jährigen Sohn Leonhard und seiner Jagdhündin Fanny, einem Rauhaardackel, am Eingang seines Reviers und blickt über scheinbar endlose Wiesen und Felder. Eine wohltuende Ruhe strahlt die Natur hier draußen aus, dabei riecht es angenehm nach Erde und nassem Gras.

"Man ist der Natur so nahe, wie sonst nie"

Leonhard hat seinen Vater schon als Kind zur Jagd begleitet, über die Jahre hat er ein gewisses Gespür für die Natur entwickelt. Mit seinem Finger zeigt er auf einige Rehe, die weit entfernt im hohen Gras stehen. "Man erlebt hier eine Atmosphäre und einen Aspekt des Lebens, den man in der Stadt nicht erleben kann. Man ist der Natur so nahe, wie sonst nie", schwärmt der junge Mann.

Er nennt damit wohl einen entscheidenden Aspekt, weshalb immer mehr Menschen einen Jagdschein machen wollen. Die Leute sehnen sich nach einem entschleunigten Leben. Sie suchen nach einer Ablenkung von ihrem stressigen Arbeitstag und glauben, diese Sehnsucht in einem besonders intensiven Naturerlebnis am besten erfüllen zu können. Einen Jagdschein machen folglich längst nicht nur Landwirte, Adelige und Gutsbesitzer. "Es ist ein Querschnitt durch die Gesellschaft", sagt Ernst-Ulrich Wittmann. "Der Handwerker, der Ingenieur, der Akademiker." Und auch immer mehr Frauen.

Wittmann betont: "Die Jagd beginnt weit vor dem Schießen. Wenn ich vielleicht bei jedem zehnten Mal ein Tier schieße, dann ist das schon viel." Das Hegen und Pflegen des eigenen Reviers, das Beobachten, das Zählen der eigenen Wildbestände nehme den größten Teil seines Hobbys ein. Und doch gehört das Schießen und das Töten der Tiere zur Jagd mit dazu. Das Beutemachen, und nichts anderes ist das Erlegen eines Wildtieres, ist ein Urinstinkt, den Menschen bei der Jagd befriedigen wollen, sagen Psychologen.

Die Prüfung für den Jagdschein hat es in sich

Wittmann sagt, das Schießen sei notwendig, um "sinnvoll und regulierend in den jeweiligen Tierbestand einzugreifen und Wildtiere als wertvolles Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen". Er erlegt im Jahr ungefähr 30 Rehe, je nachdem was sein Bestand erlaubt. Hinzu kommen vor allem Wildschweine, Enten und Gänse. Die Tiere nimmt er zuhause selbst auseinander und macht sie "küchenfertig", wie er sagt. "Viel natürlicher und artgerechter ist Fleisch nicht zu gewinnen. Hier konnte das Wild unter den natürlichsten Bedingungen leben", findet Ernst-Ulrich Wittmann.

Leonhard hat vor einer Woche die Jagdprüfung bestanden und darf sich nun selbst einen Jäger nennen. Die Vorbereitungskurse am Münchner Jagd- und Fischereimuseum dauerten fast ein Dreivierteljahr. Der Jagdschein, das ist kein Geheimnis, ist ziemlich anspruchsvoll, ein umfangreiches Wissen in den Bereichen Jagdrecht und verwandte Rechtsgebiete, Wildtierkunde und Wildkrankheiten, Jagdbetrieb und Hundewesen, Wildhege und Naturschutz sowie Waffen- und Schießwesen ist erforderlich. Ein öffentlicher Fragenkatalog beinhaltet rund 1200 Fragen. Die Aspiranten müssen eine praktische, eine schriftliche und eine mündliche Prüfung ablegen, bevor sie den Jagdschein inklusive eines Waffenbesitzrechts erhalten. Doch von der schweren und zeitintensiven Prüfung lassen sich offenbar viele nicht abschrecken.

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