Treffpunkt Landtag:Klare Absage ans G8

Bei einer Diskussionsveranstaltung des SPD-Landtagsabgeordneten und Bildungsexperten Martin Güll wird das achtjährige Gymnasium wegen des Leistungsdrucks scharf kritisiert.

Walter Gierlich

Treffpunkt Landtag: Das G8 war Thema im Treffpunkt Landtag: Über die Probleme mit dem achtjährigen Gymnasium diskutierten (von links) der Arzt Thomas Wilckens, Elternvertreter Rainer Kleybolte, Moderator Klaus Reindl, Franziska Bleß von der Landesschülervetretung und der SPD-Abgeordnete Martin Güll.

Das G8 war Thema im Treffpunkt Landtag: Über die Probleme mit dem achtjährigen Gymnasium diskutierten (von links) der Arzt Thomas Wilckens, Elternvertreter Rainer Kleybolte, Moderator Klaus Reindl, Franziska Bleß von der Landesschülervetretung und der SPD-Abgeordnete Martin Güll.

(Foto: joergensen.com)

Das Ergebnis war am Ende eindeutig: Als Moderator Klaus Reindl nach gut zweistündiger Diskussion fragte, wer denn nun dafür sei, das achtjährige Gymnasium in seiner jetzigen Form beizubehalten, hob kein einziger der rund 60 Besucher im Saal des Schwabhausener Gasthofs "Zur Post" die Hand. Das G8 war seit seiner überraschenden Einführung 2004 umstritten, unter anderem da es eine Verdichtung der Stoffvermittlung nach sich zieht und den Schülern weniger Freizeit lässt. In seiner Veranstaltungsreihe Treffpunkt Landtag machte am Freitagabend der SPD-Abgeordnete Martin Güll nun das G8 zum Thema.

Mit ihm auf dem Podium saßen der Mediziner Thomas Wilckens , Rainer Kleybolte aus dem Vorstand der Landeselternvertretung (LEV) der Gymnasien in Bayern und Franziska Bleß, Sprecherin der Landesschülervertretung. Moderiert wurde die Veranstaltung von ADAC-Pressesprecher Reindl. Güll, der Vorsitzende des Bildungspolitischen Ausschusses im Maximilianeum, wies gleich zu Beginn darauf hin, dass seine Partei für ein "Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten" sei: Einerseits die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium, andererseits das G8 mit rhythmisiertem Ganztagsunterricht, in dem um 16 Uhr Schluss ist und es keine Hausaufgaben gibt. "Wir wollen eine Schule, die Zeit hat für die Kinder", betonte der SPD-Bildungsexperte.

Heftiger Widerspruch kam von Wilckens, der das G8 in keiner Form gelten lassen mochte. "Reduziert sich im Ganztagsunterricht der krankmachende Stress?", so seine rhetorische Frage. "Medizinische Argumente sprechen für das G9", betonte er, weil die Schüler einfach mehr Zeit zur Reife bräuchten. Zudem bräuchte es täglichen Sportunterricht, um dem Bewegungsmangel entgegenzuwirken.

LEV-Vertreter Kleybolte räumte durchaus ein, dass manche Schüler mehr Zeit bräuchten. Er sprach sich daher, ganz wie das Kultusministerium für mehr Flexibilität aus. Bekanntlich bietet Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) Gymnasiasten ein Flexibilisierungsjahr zur freiwilligen Wiederholung an. Auch Kleybolte nannte das gebundene Ganztagsgymnasium optimal, erklärte aber, dass es an der Schule seiner Kinder bisher trotz mehrmaligen Angebots nicht angenommen worden sei.

Das dürfte nach Ansicht von Bleß daran liegen, dass die Schüler nicht wüssten, was eigentlich gebundener Ganztagsunterricht sei. Ohnehin sei die Meinung der Schüler zu wenig gefragt. "Wir fühlen uns zu wenig ernst genommen vom Kultusministerium", sagte sie. Das G8 bringe ständigen Leistungs- und Konkurrenzdruck, der sich durch die ganze Schulzeit ziehe. "Es gibt keine Zeit mehr zu diskutieren und zu reflektieren", kritisierte Bleß.

Die Petershausener Grundschulrektorin Ingrid Schneider-Güll bekräftigte die Ansicht: Es werde Zeit, "dass die Kinder wieder das Lernen lernen. Heute lernen sie nur für Tests." Letztlich verließen sie das Gymnasium "ohne Bildung". Ein Vater aus dem Publikum betonte: "Es geht nur um Noten und Druck im Gymnasium, das stromlinienförmig gemacht wird." Nach seiner Meinung müsse den Schülern mehr Reifezeit gewährt werden. Von der Wahl zwischen G8 und G9 hält er daher nichts: Gymnasiasten bräuchten neun Jahre Zeit.

Thomas Becker von der "Aktion gute Schule" nannte das G8 gar "die Spitze eines Eisbergs eines nicht funktionierenden Schulsystems". Es wundere ihn nicht, dass den Gymnasien die Schüler zur Realschule wegliefen. "Wir stehlen unseren Kindern die Schulzeit", klagte er.

Auch Gymnasiallehrerinnen kritisierten das G8, das Judith Laquai als reines Sparmodell bezeichnete. "Kinder werden krank und zwar mehr, als das früher der Fall war," sagte sie und konstatierte: "Wir können das nicht mehr verantworten." Marlies Tesch, ebenfalls Gymnasiallehrerin, zitierte zur Begründung ihrer Ablehnung des G 8 ein afrikanisches Sprichwort: "Gras wächst nichtschneller wenn man daran zieht." Und über das künftige Intensivierungsjahr spottete sie: "Wir lachen uns kaputt, was Dümmeres konnte man sich nicht einfallen lassen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: