Süddeutsche Zeitung

Trachten-Kunst in Haimhausen:Ein Künstler als Bayern-Botschafter

Thomas Neumann beschäftigt sich mit Trachten. Ausgestellt sind seine Werke gerade in der Kulturkneipe Haimhausen - nur das Publikum fehlt

Von Renate Zauscher, Haimhausen

Ausstellungen sind dazu da, gesehen zu werden. Das war auch für die Ausstellung geplant, in der der Grafiker, Designer und Maler Thomas Neumann unter dem Titel "Tracht abstrakt" seine jüngste Arbeiten in der Kulturkneipe Haimhausen zeigen wollte. Am vergangenen Samstag sollte die Schau eröffnet werden. Dort hängen die Bilder mittlerweile auch - allerdings den Zeitläuften geschuldet ohne Publikum. Die Bilder allerdings sollen solange an Ort und Stelle bleiben, "bis der Corona-Spuk ein Ende hat", sagt Jonny Weissmüller vom Team des Haimhauser Kulturkreises. Danach wolle man Neumanns Arbeiten noch vier Wochen zeigen und zuletzt auch zu einer Finissage einladen.

Mit der Tracht der Bayern hat sich bislang kaum ein bildender Künstler explizit beschäftigt. Zwar gibt es "den" Bayern und seine Tracht in der Tourismuswerbung, in schönen Bildbänden oder auch, vor rund einem Jahrhundert, als karikierende Illustration etwa in der Satirezeitschrift Simplicissimus oder in der ein oder anderen frühen Ausgaben eines Romans von Ludwig Thoma. Mit diesen Darstellungen aber war immer eine Intention verbunden, während die absichtsfreie künstlerische Abbildung der Tracht um ihrer selbst willen bislang kaum im Themenkanon der Malerei auftaucht.

Ein weitgehend unbestelltes Feld also, das sich der in Lustheim bei Oberschleißheim lebende Künstler Thomas Neumann ausgesucht hat und mit dem er auch beträchtlichen Erfolg hat. Die Arbeiten des 51-Jährigen werden auf dem Oktoberfest im Festzelt des "Goldenen Hahn" gezeigt und im Wirtshaus am Nockherberg. Sie hängen auch noch in verschiedenen anderen Restaurants, und mittlerweile hat der Bayerische Tourismusverband Neumann zum "Bayern-Botschafter" im Bereich Kunst ernannt. In Haimhausen kennt man Thomas Neumann unter anderem durch Beteiligungen an der Haimhauser "ART".

Thomas Neumann hat in München eine Grafikerlehre gemacht, bei Kurt Steinacher in Unterschleißheim Kurse besucht und viel auch mit seinem Onkel, dem Maler Adolf Neuberger, zusammen gearbeitet. Was Neumann an dem Thema Tracht interessiert, ist nicht etwa deren detailgetreue Wiedergabe: Es geht ihm vielmehr darum, Bayern und die Menschen, die auch heute noch zu festlichen Anlässen oder auch im Alltag Tracht tragen, anders als sonst, in seinen Worten "moderner", in den Fokus zu rücken. Bildthemen verfremdet er deshalb so, dass ihre ikonografische Essenz zwar erhalten bleibt, die Inhalte aber gleichzeitig in heutige künstlerische Ausdrucksformen übersetzt werden.

Den Weg hin zu immer stärkerer Abstraktion macht Neumann durch die Hängung seiner Arbeiten in Haimhausen deutlich. Da sind zwei zunächst noch ganz realistische, nach Fotos realer Personen gearbeitete Bilder: das mit Kreide und Kohle auf Leinwand gemalte Portrait eines "Bayern" und das Pendant dazu, die Gouache eines "Dirndl": Sie bilden den Kontext für alle weiteren, meist in Mischtechnik und in erdigen Farben ausgeführten Arbeiten im Raum. Schon beim Dirndl jedoch setzt bereits die Abstraktion ein: Rote Farbverläufe rinnen von der oberen Bildkante über das Frauenporträt nach unten. Der Prozess der Abstraktion setzt sich fort in formenmäßig mehr und mehr reduzierten Arbeiten, bei denen nur noch Teile von Mieder und Rock zweier weiblicher Figuren oder die Hüte der Frauen bei einer Leonhardifahrt zu erkennen sind. Trachtenrequisiten wie ein Hosenträger, Lederhosen oder ein Hut mit Gamsbart lösen sich fast ganz auf, ehe zuletzt nur noch helle Farbpartien an eine Bluse, eine Schürzenschleife erinnern: Bezüge zum eigentlichen Bildsujet sind hier nur noch über die in einer abstrakten Komposition zusammengeführten Farbflächen auszumachen.

Sehr viel gegenständlicher als in den großformatigen Arbeiten bleibt Neumann in einer Serie kleiner, als "Illustrationen" bezeichneter Bilder, die mit einem besonderen Druckverfahren hergestellt wurden. Dabei wird das Bildthema erst auf Papier skizziert, dann abfotografiert, in den Computer eingelesen und mit Farbe belegt. Zuletzt erfolgt der Druck auf Holz oder aber, wie in einer anderen Serie, auf Papier. Thema sind auch hier wieder Frauen und Männer in Tracht, Letztere oft in der Pose des selbstbewussten Mannsbilds, die Hände in den Hosentaschen vergraben, breitbeinig, herausfordernd maskulin, bei Männertätigkeiten wie dem Maibaumaufstellen oder dem Fingerhakeln. Die Frauen schreiten entweder züchtig im langen Dirndl im Festzug mit - oder präsentieren sich auch mal schräg, jung und frech, mit dem Bierglas in der Hand. Frech aus Männerperspektive ist dann auch der Blick von oben auf vier weibliche Dekolletés, die zusammen so etwas wie ein vierblättriges Kleeblatt bilden: "Ein bissl Spaß sollte in jeder Kunst dabei sein", sagt Neumann über diese Bildserie.

Die Malerei ist im Übrigen nur ein Bereich in Neumanns Künstlerleben. Er arbeitet auch als Designer, entwirft für Hotels und Restaurant das gesamte Erscheinungsbild vom Logo auf dem Bierglas bis zu Geschirr und Besteck, und hat überdies ein Kochbuch illustriert: "Die neue Bayerische Küche" von Florian Lechner. Zuletzt hat sich Neumann als Bühnenbildner betätigt: Für das Theaterstück "Haimhauser Ball der Vampire" hat er im vergangenen Sommer das große Bühnenbild geschaffen.

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SZ vom 25.03.2020
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