Süddeutsche Zeitung

Tierschutz im Koalitionsvertrag:Zwischen Stillstand und Fortschritt

Kürzere Transportzeiten, effizientere Kontrollen: Beim Tierschutz sieht der Koalitionsvertrag einige Verbesserungen vor. Die Dachauer Bundestagsabgeordneten bewerten sie unterschiedlich

Von Jana Rick, Dachau

Welche Verbesserungen sind im neuen Koalitionsvertrag für den Tierschutz vorgesehen? Der Deutsche Tierschutzbund sieht in dem ausgehandelten Papier "Licht und Schatten". Lob und Kritik bekommen die angehenden Koalitionäre von CDU/CSU und SPD auch von den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Fürstenfeldbruck-Dachau. Katrin Staffler (CSU) ist mit den Ergebnissen zum Thema Tierwohl sehr zufrieden. Das massenhafte Töten männlicher Küken soll bis 2019 verboten werden. Das sei ein Erfolg der CSU. Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) verlangt ein konkretes Datum im Gesetz, damit das Verbot des Kükenschredderns nicht nur ein Versprechen bleibe.

Die Bundestagsabgeordnete der Grünen sieht auch das geplante Tierwohllabel kritisch. Dieses soll Verbrauchern helfen, sich beim Kauf von Fleisch für Produkte zu entscheiden, die aus einer artgerechten Haltung stammen. Eingeführt werden soll das Label bis Mitte der Legislaturperiode. Für Walter-Rosenheimer ist das Label eine "Mogelpackung", da ihrer Meinung nach die Standards zu niedrig angesetzt sind. Sie fordert eine Haltungskennzeichnung analog zu den Eiern. "Das ist für die Verbraucher transparent und sie können dann eine bewusste Kaufentscheidung treffen."

Die Abgeordnete lobt das Versprechen, Tiertransportzeiten zu verkürzen und Lebendtiertransporte effizienter zu kontrollieren. Walter-Rosenheimer sieht dies als einen Schritt in die richtige Richtung, "um unnötiges Tierleid zu vermeiden". Auch Silvia Gruber, die Leiterin des Tierheims in Dachau, sieht "ein paar kleine Verbesserungen" im Koalitionsvertrag. Doch diese stünden zunächst nur auf dem Papier. "Was dann wirklich umgesetzt wird, ist fraglich", so Gruber.

Verbot von Wildtieren im Zirkus sei "längst überfällig", sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer

Besonders im Bereich der Wildtiere und der Tierversuche weist der Koalitionsvertrag allerdings für Tierschützer große Lücken auf. Walter-Rosenheimer sieht das Verbot von Wildtieren im Zirkus als "längst überfällig" an, der Koalitionsvertrag sehe hierfür jedoch keine Regelung vor. Und auch mit der Entscheidung der Koalition, den Wolfbestand Deutschlands weiter zu reduzieren, sind viele Tierschützer unzufrieden. Walter-Rosenheimer fordert, den Schutzstatus des Wolfes zu erhalten. Sie sieht die geplante Überprüfung sehr kritisch. Nicht nur im Artenschutz blieben viele Fragen offen, auch in Sachen Exotenhaltung und illegaler Welpenhandel bleibe der Koalitionsvertrag unkonkret, klagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, in einer Pressemitteilung.

Bezüglich möglicher positiver Auswirkungen auf das Tierheim in Dachau sind die Politiker unterschiedlicher Meinung. Auf Seite 39 des Koalitionsvertrages wird zum ersten Mal auch die Situation der Tierheime angesprochen. Sie soll sich verbessern, versprechen die Koalitionäre. Für Micheal Schrodi (SPD) ist dies ein großer Fortschritt. Er sieht die Aufnahme der Tierheimfrage in den Vertrag als "ersten richtigen Schritt", der beweise, dass auf Bundesebene endlich Verantwortung übernommen werde. "Der erste Schritt ist getan, der zweite Schritt ist die konkrete Umsetzung", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete. Nicht ganz so optimistisch ist Walter-Rosenheimer. Sie glaubt, dass sich für die Tierheime nichts ändern werde. "So sehr ich mir das gewünscht hätte", so die Politikerin.

"Wir im Tierschutz sind es gewöhnt, dass wir oft hinten angestellt werden"

Für Silvia Gruber ist es "zumindest ein kleiner Fortschritt", dass die Tierheime überhaupt erwähnt werden. "Wir im Tierschutz sind es gewöhnt, dass wir oft hinten angestellt werden. Und wenn etwas passiert, dann in winzigen Schritten. Und für die müssen wir dankbar sein. Große Schritte erwartet hier kein Mensch." Dass die vielen ehrenamtlichen Tierheimbetreiber noch immer so gut wie keine Unterstützung bekommen, ist für Silvia Gruber unverständlich. Sie spricht von einem "Anspruchsdenken" in der Bevölkerung. Die Mehrheit glaube, die Tierheime müssten gesetzliche Verpflichtungen erfüllen. "Aber dass wir ein privates, eigenständiges Tierheim sind, in dem wir das meiste selbst stemmen müssen, daran denken viele nicht", klagt Gruber. "Was würde Deutschland denn machen, wenn es keine Tierheime gäbe?"

Im Tierschutz gibt es noch viel zu tun, da sind sich Politiker und Betroffene einig: "Wir haben das Staatsziel Tierschutz, es muss aber auch gelebt werden", erklärt Beate Walter-Rosenheimer. Auch Tierheimleiterin Silvia Gruber betont, dass für den Tierschutz mehr gemacht werden müsse - nicht nur von Seiten der Regierung. Es sei "beschämend", dass er gesetzlich geregelt werden müsse. Vieles sei doch eigentlich selbstverständlich, wenn man das Leben von Tieren achte.

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SZ vom 19.02.2018/lela
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