Tierschutz:Barsilinga muss leben

Die Karlsfelder Biologin Anja Wanka engagiert sich für bedrohte Elefanten. Jetzt plant sie eine spektakuläre Spendenaktion.

Von Anna Sophia Lang, Karlsfeld

Wenn alles läuft wie geplant, segelt Anja Wanka bald an einem dünnen Stahlseil über das Olympiastadion in München. Nicht, weil sie ein Fan von großen Höhen ist. An diesem Tag wird sie als Elefant über das Olympiastadion fliegen. Mit grauem Rüssel, weißen Stoßzähnen und rosa Segelohren. Es wird der Höhepunkt ihrer Spendenaktion für verwaiste Elefantenkinder in Kenia. 806 Euro und 47 Cent hat sie seit dem vergangenen Herbst gesammelt, 1000 Euro sollen es werden. "Wenn ich die zusammen habe, fliege ich." Das Geld will Wanka an den David Sheldrick Wildlife Trust spenden, eine Nichtregierungsorganisation in Nairobi, die als die weltweit erfolgreichste Rettungs- und Auswilderungsinitiative für junge Elefanten und Nashörner gilt, deren Mütter getötet wurden.

So wie bei Barsilinga. Es war Zufall, dass Wanka eines Abends auf ein Youtube-Video stieß, das seine Rettung zeigte. In der Nacht hatten Einwohner eines Dorfes in der Nähe von Wamba in Zentralkenia Schüsse gehört. Ranger fanden die Elefantenkuh am nächsten Morgen schwer verletzt. Neben der Mutter kauerte Barsilinga, so klein, dass die Ranger in ihm ein Neugeborenes vermuteten. Er wurde in die Auffangstation für Waisen geflogen, 400 Kilometer weg. Seine Mutter überlebte nicht.

Tierschutz: Anja Wanka aus Karlsfeld hat nicht ein Herz für den kleinen Barsilinga, dessen Elefantenmutter von Wilderern in Kenia erschossen wurde.

Anja Wanka aus Karlsfeld hat nicht ein Herz für den kleinen Barsilinga, dessen Elefantenmutter von Wilderern in Kenia erschossen wurde.

(Foto: oh)

Alle 15 Minuten, haben Forscher errechnet, wird ein Elefant getötet. Schätzungen zufolge leben heute 400 000 afrikanische Elefanten in freier Wildbahn, 1979 waren es 1,3 Millionen. Hauptsächlicher Grund für ihren dramatischen Rückgang ist der Handel mit Elfenbein. Zwar bestand von 1989 an ein weltweites Handelsverbot. Doch die Konvention wurde immer wieder aufgeweicht, ignoriert oder der illegale Handel toleriert. In China, dem größten Markt, gilt Elfenbein als Statussymbol. In zerriebener Form wird es als potenzsteigerndes Mittel gehandelt. Die Nachfrage steigt seit Jahren. Dafür werden die Elefanten gnadenlos gejagt.

Die Familie ist ihr am wichtigsten

Seit jenem Abend, an dem sie das Video von Barsilingas Rettung gesehen hat, sind die Tiere aus Anja Wankas Leben nicht mehr fortzudenken. Sie übernahm die Patenschaft für das verwaiste Baby. 50 US-Dollar kostet sie das im Jahr, etwa 45 Euro. Aber Wanka engagiert sich darüber hinaus. 2013 gab es in 15 Städten weltweit einen internationalen Marsch für Elefanten. Wanka organisierte den Münchner Ableger. Immer wieder steht sie an Infoständen in der Region, oft in dem Elefantenkostüm, mit dem sie bald über das Olympiastadion fliegen will. Das Spendenprojekt ist ihre persönliche Erinnerung an Barsilinga, der damals mit einem Motorflugzeug in Sicherheit geflogen wurde. "Der fliegende Elefant" hat sie die Facebookseite deshalb genannt, auf der sie regelmäßig über den neuesten Stand berichtet und Artikel postet. Um Spender zu motivieren, denkt sie sich ab und zu kleine Aktionen aus. Ostergeschenke, Weihnachtskarten, ein Quiz.

Tierschutz: Anja Wankawill die Menschen auffordern, sich für den Artenschutz einzusetzen. Die Elefantenjagd nimmt existenziell bedrohliche Ausmaße an.

Anja Wankawill die Menschen auffordern, sich für den Artenschutz einzusetzen. Die Elefantenjagd nimmt existenziell bedrohliche Ausmaße an.

(Foto: Toni Heigl)

Wenn Wanka von den Elefanten in Kenia erzählt, klingt es, als wäre sie schon unzählige Male dort gewesen. Bisher ist eine Reise nach Afrika aber ein Traum geblieben. Wanka hat Biologie studiert und ist Rechercheassistentin an einer Universität. Neben dem Beruf hat sie jahrelang ihren Vater gepflegt, nachdem er einen Schlaganfall hatte. Da blieb keine Zeit, wegzufliegen. Auf bestimmte Weise fühlt sie sich dadurch den Elefanten noch mehr verbunden. Die Familie hielt zusammen, ließ sich nicht entmutigen. "Familie ist für mich das allerwichtigste", sagt Wanka, "und das ist auch bei Elefanten so." Wird ein Baby zum Waisen, erklärt sie, braucht es mehr als Schutz und Futter. "Man muss ihm die Familie ersetzen." Bei den ganz Kleinen verbringen die Keeper sogar die Nacht im Stall. Dabei wechseln sie sich ab. Wenn sich ein Kleines zu sehr an einen Keeper gewöhnt, und der dann Urlaub hat oder krank ist, verkraftet der Elefant die plötzliche Trennung nicht.

"Es gibt 1000 Anlässe, sich zu engagieren"

Noch etwas ganz Persönliches verbindet Wanka mit den Tieren. "Mein Papa hat immer weiter gekämpft, obwohl die Ärzte sagten, was er alles nicht schaffen kann." Nicht aufgeben, auch das ist eine Eigenschaft, die Wanka bei den kleinen Elefanten beobachtet. Ihr Papa musste sich irgendwann geschlagen geben. Barsilinga lebt. Es ist ein kleines Wunder. Mehr als die Hälfte der Kälber, die so früh zu Waisen werden, sterben. Auch das weiß Anja Wanka. Manchmal muss sie sich dumme Kommentare anhören, wenn sie in ihrem Kostüm an einem Infostand steht. Warum sie sich nicht für Menschen engagiert, wurde sie neulich gefragt, zum Beispiel gegen Abtreibungsgegner. "Es gibt 1000 Anlässe, sich zu engagieren", sagt sie, "jeder muss den finden, der sein Herz berührt. Einer kann nicht alles machen."

Barsilingas Rettung ist inzwischen vier Jahre her. Im April wurden die Stoßzähne seiner Mutter bei einer symbolischen Aktion in Kenia verbrannt. Elfenbeinverbrennungen gibt es immer wieder, nicht nur in Kenia. "Das senden die Botschaft in die Welt, dass es nur am Elefanten etwas bringt", sagt Wanka. Sie hofft, dass der Handel endlich ganz verboten wird und Elefanten in Afrika die höchste Schutzstufe bekommen. Alles andere, glaubt sie, wird die Tiere nicht vor dem Aussterben retten. Anja Wanka will ihren Beitrag leisten, um die Menschen für den Artenschutz zu gewinnen. Sie versucht es mit ihren Mitteln und Möglichkeiten. Und segelt hoffentlich bald durch die Luft, so wie Barsilinga damals vor vier Jahren.

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