Was braucht es, um ein Publikum komplett zu bannen? An Material nur wenig: Eine Handvoll Steine, eine Holzkiste, vielleicht eine Muschel, das reicht schon. Unverzichtbar jedoch: Volle Präsenz. Die hat Tristan Vogt zu den Dachauer Theatertagen mitgebracht. Er stammt aus einer Musikerfamilie, ist Puppenspieler, Autor und Regisseur und macht seit 1990 Theater unter dem Titel „Thalias Kompagnons“. Mit seinem Ein-Mann-Stück „Was Sachen so machen“ fasziniert er schon Kinder ab vier Jahren. Zu gleich drei Auftritten ist der gebürtige Kieler aus Nürnberg dafür in die Dachauer Stadtbücherei gereist.
Dass Tristan Vogts Art Geschichten zu erzählen, einfach aber nicht simpel ist, wird schon zu Beginn klar: Seine unterschiedlich farbigen Steine wollen aufgeräumt sein, aber nicht eingeräumt werden. Höchst konzentriert sitzen rund 35 kleine Zuschauer vor dem Mann mit der Kapitänsmütze auf dem Kopf. Aus dem Waldkindergarten Erdweg und einer Karlsfelder Einrichtung sind die Jüngsten mit ihren Erzieherinnen an den Max-Mannheimer-Platz gekommen. Sie staunen, kichern, raten mit und lassen sich begeistern. Von der schönsten und zugleich einfachsten Schatzsammlung, die man sich vorstellen kann.
Die Kinder hängen sofort an seinen Lippen
Veranstalter Frank Striegler, der sich mit den Dachauer Theatertagen immer wieder konsequent für qualitativ hochwertige Kulturangebote auch schon für die Kleinsten einsetzt, richtet den Lichtkegel auf Vogt. Der ruft beherzt „Moin, moin“. Die Kinder hängen sofort an seinen Lippen, ohne dass er dafür eine bombastische Show abziehen müsste: Sein Mienenspiel und seine liebevolle Zugewandtheit machen die Magie dieser Vorstellung aus. Selbst wenn er nur einen grünen und einen blauen Stein aus glitzernden Schatullen hervorholt, tut er dies mit so viel Achtsamkeit und Präzision, dass es für einen Moment nichts Dringlicheres geben kann, als ihm dabei zu folgen.
Originell ist auch Vogts Materialwahl: In seiner Sammlung gibt es einen dunkelblauen kegelförmigen Edelstein, der wie von Zauberhand davon rollen kann, wenn Vogt den Deckel seiner Holzkiste leicht ankippt. Das Wunder der Schwerkraft wird begreifbar, genauso wie er im nächsten Stück Fliehkräfte sichtbar macht, indem er Steine in Glasschüsseln kreisen lässt in seinem „Rumschüttel-Schüssel-Karussell“. Ein verwelktes Blütenblatt schwimmt schließlich scheinbar schwerelos auf einem Wasserglas und will in all seiner Anmut betrachtet werden.
Ein furioses Finale führt zu stiller Aufmerksamkeit
Steine Tanzen lassen, sie stapeln, sortieren – all dies ist so sehr der Lebenswelt von Vogts Zielgruppe entlehnt, dass es für die Vierjährigen über eine halbe Stunde lang nicht Spannenderes zu bestaunen gibt. Tristan Vogt verwandelt Dinge in Spielsachen, die ihr eigenes Leben haben und oft auch ihren eigenen Kopf. Seine „vergnügliche Zwiesprache mit den Dingen“, wie es im Ankündigungstext hieß, bringt einen unmittelbar zu der Frage, warum man nicht selbst im Alltag öfter Konversationen mit den Objekten um sich herum betreibt.
Ein furioses Finale führt schließlich zu stiller Aufmerksamkeit: Engel Fritz gleitet auf einem Meer aus weißen Kügelchen über den metallenen Boden einer Butterdose. Dieses feinkörnige Puppengranulat hat Vogt eines Tages mal in einer aufgerissenen Tüte in einem Bastelladen entdeckt, wie er später erzählt, und war dann selbst ganz angetan von dem Schwebezustand, das es zu erschaffen vermochte. Als Vogt schließlich zum Schluss noch eine verschrumpelte Kastanie aus der Hosentasche holt und auf die Holzkiste legt, weiß man: Dieser Mann hat wahrlich Schätze dabei. Und die Sinne der Zuschauenden sind inzwischen so geschärft, dass sie eine selten gewordene Fähigkeit ganz auskosten können: hingebungsvolles Staunen.