Theater:Ein Traum wird wahr

Zum ersten Mal tritt die neu gegründete Theatergruppe "Die Gangster" mit einem selbst erarbeiteten Stück über Liebe und Beziehung auf. Und am Ende liegt sich das gesamte Team vor Freude in den Armen. Sie wollen bei einem Festival mitmachen

Von Petra Neumaier, Schönbrunn

Die weißen Wände tanzen. Dreigeteilt schweben sie zur Musik über die kurze Bühne, bleiben stehen und geben den Platz frei für schwarz gekleidete Menschen. Wild laufen die Männer und Frauen durcheinander, ohne Sinn, ohne Ziel. Hin und wieder rempeln sie sich an, gehen weiter, als wäre nichts passiert. Alle sind gleich, alle sind anonym, bevor sie sich andersfarbige Pullover und T-Shirts überstreifen. Dann werden sie zu Individuen, die ihre Geschichte erzählen. Die von der Liebe im Allgemeinen und von Beziehungen im Besonderen. Mit dem Stück "Gewaltige Liebe" hat die neue Schönbrunner Theatergruppe Die Gangster nicht nur ein einzigartiges Stück vorgeführt, sondern auch hinter den Kulissen bewiesen, dass aus Gewalt Liebe werden kann.

Stolz suchen anfangs die jungen Schauspieler immer wieder die Blicke ihrer Angehörigen. Und stolz können sie zu jeder Minute auf ihre Leistung sein. Ein Jahr lang haben sie gemeinsam mit den Theaterpädagogen Ira Maier und Heikki Lemberg das Stück entwickelt. Eigenständig die Szenen gestaltet, Rollen vergeben und Dialoge formuliert. Elf junge Männer und Frauen, die sich mit bewundernswerter Kraftanstrengung und Ehrgeiz über ihre körperlichen und geistigen Defizite hinwegsetzten, durch Improvisationen über sich selbst hinaus wuchsen und bewiesen, dass sie es einfach "drauf haben". Weil das Leben nun einmal manchmal kein perfektes ist. Gerade darin aber die Herausforderung und Würze liegen.

Die Angst vorm Alleinsein, vor Unterwerfung, vor dem Verlust einer anderen oder der eigenen Person - Das sind die Themen, um die sich das Stück rankt. Modern in Szene gesetzt, geschickt getrennt und doch miteinander verbunden, durch perfekt ausgewählte Musik und Tanz, die die Situation widerspiegeln: Tom Waits "Kommienezuspadt" (komme nie zu spät), "Bye Bye" von Cro, Marylin Monroes "I wanna be loved by you" und auch "Roxanne" von Police.

Durch eine weiße Tür treten stets die Protagonisten einer Szene: "Franz", der seit zwei Jahren eine passende Frau sucht, aber Angst hat an eine zu geraten, die ihn ausnutzt. Und der zu schüchtern ist im Café ein hübsches Mädchen anzusprechen - geradezu vom Freund genötigt und von ihren Freundinnen forciert, finden die beiden dann doch zusammen.

Und da sind Sandra, die einsame Einzelgängerin und ihre "Mutter" Martha, die im Traum oft von Monstern gejagt wird. Es folgt die Szene einer Familie, als der Ehemann und Vater, heimkehrt. "Bring mir dies; bring mir das; wo ist Sandra?". Als sie kommt, um ihren Freund Paul vorzustellen und zu verkünden, dass sie zu ihm zieht; als der Vater poltert, er werde sie nicht unterstützen und die Mutter der Tochter zu Hilfe eilt und er wettert, immer nur Geld verdienen zu müssen, das seine Frauen "raushauen", da nickten doch viele Köpfe im Publikum. Genauso, wie am Schluss, als Dennis auftritt. Und der seinen Traum vom eigenen Restaurant mit seiner vermeintlichen Traumfrau verloren hat.

Für die elf Schauspieler hingegen, die im Verlauf des Stückes hoch konzentriert und doch ganz natürlich eins mit ihren Rollen wurden, erfüllte sich ein Traum. Nicht weniger strahlten ihre Regisseure. Allen voran Heikki Lemberg, der gleichzeitig über die Theatergruppe seine Projektarbeit schreibt. Vorrangig ist für ihn jedoch nicht die erfolgreiche Umsetzung. Vielmehr ist es die von ihm nicht erwartete, allenfalls erhoffte Entwicklung der Truppe. Denn genau die Männer und Frauen, die sich jetzt in den Armen liegen und vor Freude in die Luft springen, waren es, die sich noch vor einem Jahr zum Teil gewalttätige Auseinandersetzungen im Café der Einrichtung geliefert hatten.

Gewalt auf der Bühne ausleben, Aggressionen spielen und ausleben waren der Ansatz Lembergs Überlegungen, als die monatlichen Proben vor einem Jahr begannen. Das Ergebnis ist nicht nur ein außergewöhnliches, weil zu 100 Prozent authentisches Theaterstück, sondern auch ein tolles Miteinander: An die Stelle von Auseinandersetzungen trat Kooperation, an Stelle der Gewalt trat die Liebe und der Respekt. "Jeder hilft jedem, motiviert, macht Mut", freut sich Heikke Lemberg. Wenn auch nur am vergangenen Wochenende Aufführungen stattfanden, so versichert seine Kollegin Ira Maier, dass sie nicht die letzten sein werden. "Wir werden noch ein bisschen weiter an dem Stück arbeiten und hoffen dann auf weitere Auftritte auf anderen Bühnen - und vielleicht sogar auf die Teilnahme an einem Theaterfestival."

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